Carsten Mumm / Bild: Privatbank Donner & Reuschel
Während sich Chinas Volkswirtschaft weiterhin von der Corona-Rezession erholt und das Vorkrisenniveau schon fast wieder erreicht wurde, erleiden viele europäische Staaten – aufgrund der erneuten Shutdown-Maßnahmen – einen wirtschaftlichen Rückschlag. Im Zuge dessen dürfte das BIP-Wachstum in Deutschland im 4. Quartal zum Erliegen kommen, während die Eurozone ein negatives Wachstum verzeichnen wird. Zuletzt deutete sich jedoch vor allem in Spanien und Frankreich ein Rückgang neuer positiv getesteter Corona-Fälle an. In den USA hingegen steigt die Anzahl der Neuinfektionen weiter so rasant, dass einige Bundesstaaten ebenfalls Shutdown-Maßnahmen implementieren. Da es in den USA vonseiten der Zentralregierung keine landesweiten Maßnahmen gibt, ist damit zu rechnen, dass die Dynamik der Corona-Pandemie zunächst hoch bleiben wird. Darunter dürfte auch die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Wochen leiden. Zuletzt sind bereits die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung auf über 740.000 angestiegen.
Insolvenzwelle wird verschleppt
Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ist im August noch einmal deutlich auf nur noch 1.051 zurückgegangen. Da die Aussetzungsmöglichkeiten der Insolvenzantragspflicht zum 1. Oktober deutlich beschränkt wurden, ist ab Herbst mit steigenden Insolvenzzahlen zu rechnen. Eine große Insolvenzwelle dürfte jedoch von den weiterhin bestehenden fiskalpolitischen Unterstützungsmaßnahmen (bspw. Kurzarbeit) zumindest zeitlich gestreckt werden und somit die Ausfälle im Bankensystem relativieren.
Die positiven Nachrichten über einige in der Zulassungsphase befindliche Impfstoffe untermauern die Hoffnung auf eine dynamische wirtschaftliche Erholung in 2021. Zwar ist über den Winter hinweg immer wieder mit erneuten Infektionswellen zu rechnen, aber mit Beginn der wärmeren Jahreszeit auf der Nordhalbkugel und mit einer zunehmenden Anzahl geimpfter Personen, dürften die Auswirkungen der Corona-Pandemie im nächsten Jahr deutlich nachlassen.
Ultra-expansive Geldpolitik bleibt erhalten
Das gerade unterzeichnete Handelsabkommen zwischen den ASEAN-Staaten, China, Australien, Neuseeland und Japan erhöht den Druck auf die USA und auf Europa ebenfalls Handelsgespräche miteinander bzw. mit den Staaten Ostasiens aufzunehmen. Möglicherweise könnte dieser Impuls zusammen mit der neuen Regierung in den USA der Start für eine Neubewertung internationaler Handelsbeziehungen und des Welthandels an sich werden und damit ebenfalls die wirtschaftliche Erholung untermauern, obwohl auch protektionistische Tendenzen in vielen Staaten bestehen bleiben werden.
Auf dem jüngsten EZB-Forum untermauerten sowohl EZB-Präsidentin Christine Lagarde als auch der Chef der US-Notenbank Jerome Powell erneut den voraussichtlich noch jahrelang ultra-expansiven Kurs der Geldpolitik beider Währungsräume. Zudem forderten beide weiterhin deutliche Unterstützung der Wirtschaft vonseiten der Fiskalpolitik ein, da die wirtschaftliche Entwicklung nach wie vor erheblichen Risiken ausgesetzt ist.
Ein kaum zu kalkulierender Unsicherheitsfaktor für die Eurozone bleibt das Ende der Brexit-Übergangsfrist am 31. Dezember 2020. Trotz noch fehlender Verhandlungsfortschritte ist davon auszugehen, dass es zumindest die Einigung auf die zeitweise Fortsetzung bestehender Handelsregelungen geben wird, um chaotische Zustände zu vermeiden.
Carsten Mumm ist Chefvolkswirt der Privatbank
DONNER & REUSCHEL.
Er ist verantwortlich für die Erstellung der Konjunktur- und
Kapitalmarktprognosen sowie der kapitalmarktrelevanten Publikationen.
Zuvor verantwortete er die Vermögensverwaltung für private und
institutionelle Kunden, das Management von Spezial- und Publikumsfonds
sowie die hauseigenen Research-Tätigkeiten. Der gelernte Bankkaufmann
und studierte Diplom-Volkswirt ist seit 1998 im Bereich Kapitalanlage
beschäftigt. 2006 qualifizierte er sich zum Chartered Financial
Analyst.