Wasserstoffhochlauf: Bremst Iridium-Mangel die Energiewende aus?

Jürgen Laakmann, Enapter AG
Jürgen Laakmann / Bild: Enapter AG
Dass die Energiewende beschleunigt werden muss, steht außer Zweifel. Wir brauchen eine CO2-freie Energieerzeugung, um den Klimawandel zu stoppen. Das ist wissenschaftlicher Konsens. Grüner Wasserstoff aus regenerativen Energiequellen ist hierfür essenziell. Denn dieser Wasserstoff kann bei nahezu allen Verbrennungsprozessen Öl und Gas ersetzen. Doch ein wichtiger Rohstoff für den Wasserstoff-Ausbau wird auf absehbare Zeit immer knapper: Iridium.
 
Von diesem sehr seltenen Metall ist schlicht und ergreifend nicht genügend vorhanden, um die stetig steigende Nachfrage nach Elektrolyseuren, die den Wasserstoff erzeugen, zu bedienen. Denn die aktuell am meisten eingesetzte PEM-Technologie bei Elektrolyseuren für erneuerbare Energien ist auf diesen edlen Stoff angewiesen.

Nichts geht mehr „dank“ Iridium?

Die Wasserstoff-Initiative der EU bescheinigt, dass bis 2030 jährlich bis zu 120 Gigawatt an Elektrolyseleistung benötigt werden. Doch pro Jahr werden weltweit nur rund 8 Tonnen Iridium gefördert, was gerade mal für rund 30 Gigawatt reicht. Das entspricht einem Viertel des Wasserstoffbedarfs Europas. Der Rest der Welt ist noch gar nicht mitgerechnet! Ein PEM-Elektrolyseur benötigt für die Herstellung eines Gigawatts Wasserstoff ca. 300 kg Iridium. Dann würde die gesamte Förderung von Iridium in Wasserstoff gehen, wohlgemerkt. Für andere wichtige Produkte wie Zündkerzen, Stents in der Herzchirurgie oder für die Chlorgas-Herstellung für PVC-Materialien bliebe nichts mehr übrig.
 
Dazu kommt, dass es keine reinen Iridium-Minen gibt. Iridium ist ein Beiprodukt der Platinförderung. Doch schon jetzt ist absehbar, dass Platin als Industriemetall immer seltener zum Einsatz kommt, da beispielsweise sein Einsatz in Katalysatoren im Verkehrsbereich stark rückläufig ist. Es könnte also zukünftig sogar noch weniger Iridium gefördert werden, wenn die Platingewinnung zurückgefahren wird. Mit dem Hochlauf der Wasserstoffproduktion auf Basis der PEM-Technologie ist ein Iridium-Defizit absehbar. Der Preis für Iridium wird anziehen und Wasserstoff teurer machen. Dies wiederum kann die Energiewende ausbremsen. Ein Teufelskreis.

Es geht auch ohne: Alternativen sind vorhanden

Die weit verbreitete technologische Alternative der alkalischen Elektrolyse (AEL) ist für die Herstellung von grünem Wasserstoff nicht geeignet, da diese eine permanent gleichbleibende Energiezufuhr benötigt. Das macht den Einsatz von Wind- und Sonnenenergie schwierig. Denn diese Energiequellen fluktuieren über den Tag stark. Wind weht nun mal ungleichmäßig und die Sonneneinstrahlung wird durch Tageszeiten und Wolken beeinflusst.
 
Abhilfe kann aktuell nur die AEM-Technologie bieten. AEM-Elektrolyseure kommen, wie die alkalinen Geräte, völlig ohne Iridium aus. Der entscheidende Unterschied ist ihre Flexibilität. Die schon heute im industriellen Maßstab angewendeten AEM-Elektrolyseure sind auf die schwankende Energiezufuhr durch Windenergie und Sonnenstrom ausgelegt. Megawattanlagen von Unternehmen wie der Enapter AG bestehen aus mehreren Hundert wasserstofferzeugenden Kernmodulen, die, in Reihe geschaltet, den Wasserstoff erzeugen. Über die digitale Steuerung von Kernmodulen reagieren die Geräte der Megawattklasse in Sekunden dynamisch auf eine fluktuierende Energiezufuhr. Am Morgen und Abend oder wenn Wolken aufziehen und demnach wenig Sonne scheint, wird die Produktion gedrosselt. Weht viel Wind oder die Sonne knallt vom Himmel, wird die Produktion durch Zuschalten aller Wasserstoffkerne hochgefahren.

Skalierung und Massenproduktion als Treiber

Dieser flexible Aufbau aus vielen kleineren „Wasserstoffkraftwerken“ hat weitere entscheidende Vorteile: Zum einen kann die Anlagengröße genau an die Anwendung angepasst werden. Wächst bei einem Kunden der Wasserstoffbedarf, kann die Anlage im zweiten Schritt problemlos erweitert werden. Das macht den Einsatz extrem flexibel.
 
Zum anderen können die Wasserstoffkerne kostengünstig in Serie gefertigt werden, was schon heute in der firmeneigenen Produktion in Pisa geschieht. Eine skalierbare Massenproduktion mit Preisdegression ist demnach durch den Verzicht von Iridium möglich.

Iridium beeinflusst Analysteneinschätzung

Der absehbare Mangel an Iridium mag noch etwas in der Zukunft liegen, doch beeinflusst dieser schon heute die Bewertung von Herstellern von Elektrolyseuren. Die Investmentbanker von Bryan Garnier stuften die klassischen Hersteller schon unter anderem deshalb herab, weil ihre Technologie für die grüne Wasserstoffindustrie ohne Iridium nicht im gewünschten Maße funktionieren kann. Bryan Garnier sieht deshalb bei Enapter mit der patentierten AEM-Technologie einen erheblichen Wettbewerbsvorteil für diesen Markt der Zukunft.
Jürgen Laakmann ist CEO der Enapter AG

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