Es ist nie zu spät

Ulrich Kirstein mit der Presseschau
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Zu Beginn der kurzen Handelswoche herrscht die Sorge vor, ob die Höhenflüge an der Börse in einen Tiefflug übergehen könnten: „Achtung, es droht eine Korrektur“, warnt zum Beispiel das Handelsblatt und die Börsen-Zeitung teilt mit: „Dax lehnt sich nach dem neuen Allzeithoch etwas zurück“. Doch von wegen fläzte der Leitindex faul auf der Couch, nur wenige Tage später frohlockte die Börsen-Zeitung: „Dax schraubt Bestmarke weiter hoch“, nachdem er tatsächlich zwischenzeitlich die 18.500 überwunden hatte. Wer noch verreisen will, der Osterurlaub ist gerettet, zumindest per Bahn, Streiks sind vorerst vom Bordbistro-Tisch. Wenn jetzt die Züge nicht (pünktlich) kommen, liegt es möglicherweise daran, dass die Lokführer bereits kurz vorm Ziel die 35 Stundenwoche erreicht haben. Während unsere Nationalmannschaft wieder gewinnt, auch in rosa, läuft es mit der Ökonomie hierzulande nicht besonders rosig: „Deutsche Wirtschaft steckt im Konjunkturtal fest“, meldet die Börsen-Zeitung und „Forscher sagen nur noch 0,1 Prozent Wachstum voraus“ die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Mit Sicherheit Rakete

Will uns Börse Online in der Karwoche zum Sparen ermahnen, fragen wir uns beim Anblick des mit mehreren Schlössern versperrten Geldbeutels auf dem Titel. „Die 25 sichersten Aktien der Welt“, werden damit angekündigt, mit „wenig Risiko, hohe Chancen“. Da waren wir neugierig, verraten aber wie gewohnt keine der untersuchten Einzelwerte, sondern nur die Anker, die für Sicherheit sorgen sollen: Burggraben-Aktien, niedrige KGVs, Dividenden, hoher Abschlag zum Buchwert und stille Reserven: 5x5 macht 25. Grüne 100er-Euroschein-Rollen auf frühlingsblauem Grund offeriert Focus Money: „Dividenden ohne Ende“ – hier wäre der Reim so nahe gelegen. Der Aktionär zeigt im Stil eines Comicstrips einen Mann, der sich an einer eben gezündeten Rakete festhält, untertitelt mit: „Zu spät? Von wegen!“. Man solle nämlich noch „auf die fliegende Kursrakete“ aufspringen. Im wirklichen Leben würden wir vom Reiten auf einer Rakete eher abraten.

Wirbel um Leibchen

Noch immer sorgen zwei Entscheidungen rund um unsere (Fußball-)Nationalmannschaft für Wirbel, von denen wir nicht sicher sind, inwieweit sie miteinander zusammenhängen: Die Kündigung des Kontrakts des Deutschen Fußballbundes mit Adidas und der damit verbundene Wechsel zu Nike, sowie die Aufregung über rosafarbene Auswärtstrikots von Adidas, nicht Nike. Dass man „Deutsch“ im Namen tragen, aber trotzdem einen ausländischen Ausrüster haben kann, war vielen, gerade auch in der Politik, bisher offensichtlich nicht bewusst. Ausgewiesene Fußballexperten wie „Habeck und Lauterbach kritisieren DFB-Wechsel zu Nike“, berichtet die Süddeutsche Zeitung. „DFB nennt Politiker-Reaktionen ‚kenntnisfrei‘ und ‚total daneben‘“, ergänzt die Süddeutsche Zeitung kenntnisreich und treffend. Und legt nach: „Das große Geschäft mit den Fußballtrikots“, wobei Vereinsmannschaften eindeutig lukrativer für die Geldgeber seien. Das Handelsblatt kommentiert: „Gute Entscheidung zur falschen Zeit“, im Prinzip sei der Wechsel richtig, immerhin gibt es satte Mehreinnahmen für den DFB, aber den „Vorwurf schlechten Stils“ muss sich der Verband laut Kommentator Alexander Möthe gefallen lassen. Ob weiß oder rosa, ob Adidas oder Nike, wir freuen uns, wenn unsere Mannschaft weiterhin gewinnt und vielleicht bemüht sich Adidas ja um die US-Boys?

Spitzenreiter

Wir können es noch, Rekorde einfahren. Allerdings ist nicht jeder Rekord auch begrüßenswert, ist der Erste nicht immer auch der Beste. Außer im Pandemiejahr 2020 haben die Deutschen – es müsste wohl eher heißen, die in Deutschland Arbeitenden – im vergangenen Jahr so wenig gearbeitet wie noch nie. Nämlich nur 1.342 Stunden. Unserer Zählung nach hat das Jahr 8.760 Stunden. Im Kreise der OECD-Staaten sind wir mit dieser „Arbeitsleistung“ Schlusslicht, oder Spitzenreiter, wie man es auch dreht, so entnehmen wir der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Wobei die Headline dort einigermaßen verwirrend klingt: „Mehr Arbeit für die Freizeitweltmeister“. Mehr Arbeit würde uns ja zumindest diesen Weltmeisterposten kosten. Ein Grund für die Wenigerarbeit: Der Krankenstand ist gestiegen, wir haben dank Corona offensichtlich an Immunität eingebüßt, stolpern über jeden Erkältungskeim. Und das Kranksein ist laut Kieler Institut für Weltwirtschaft sogar schuld an der Rezension, denn ohne sie läge das Bruttosozialprodukt um einen Prozentpunkt höher – und damit im positiven Bereich. An was man alles denken sollte, bevor man seine Krankmeldung abschickt…Eigentlich müssten wir mehr arbeiten für gerne auch mehr Geld so die Wirtschaftswissenschaftler – das dann aber nur der Staat wieder abkassiert, das bremst die Motivation nachweislich.

Social Media Börse

Was täten wir ohne Social Media? Wohin mit der ganzen Zeit, die wir doch, siehe oben, im Überfluss haben, wenn wir sie nicht mit Facebook, LinkedIn, X, Instagram & Co. verbringen können? Was dieses Verhalten alles in die Kassen der Betreiber spült, machen die Börsengänge von Trump Media mit Truth Social und Reddit deutlich: Obwohl beide Unternehmen keine schwarzen Zahlen schreiben, Trump Media sogar höhere Verluste als Umsätze verursacht, katapultierte sich der Börsenwert zeitweise auf mehr als 9 Milliarden US-Dollar, so der Spiegel. Und auch die Reddit-Aktie legte seit ihrem Börsengang zweistellig zu – beide Titel können wegen des fehlenden LEIs (Legal Entity Identifier) hierzulande nicht gehandelt werden, da hält der Heilige Bürokratius seine Hand davor. Nun hat sich eine Studie der Kölner Kommunikationsagentur Palmer Hargreaves mit den Interaktionen der HDax-CEOs auf LinkedIn befasst: „RWE-Chef Markus Krebber bleibt Linkedin-Kommunikationskönig“, meldet die nicht unbedingt Social-Media-fokussierte Börsen-Zeitung. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Telekom-Chef Tim Höttges und Nagarro-CEO Manas Human. Sie, oder besser ihre Social-Media-Teams, arbeiteten besonders fleißig.

Ostern

„Über die Wiesen hoppeln wieder mehr Feldhasen“, lasen wir mit Erleichterung in der Süddeutschen Zeitung. Ähnlich wie beim Dax ist dies „ein Allzeithoch“, wie der Sprecher des Deutschen Jagdverbandes mitteilte, mit 19 Feldhasen pro Quadratkilometer auf Feldern, Wiesn und Äckern. Gefühlt jedes Jahr immer mehr und immer früher überschwemmen hingegen Schokohasen die Lebensmittelmärkte, deutlich mehr als 19 pro Quadratmeter. Kaum eine bekannte Marke, die nicht auch noch einen Hasen herausbringt. Aber, sie sind uns nicht nur lieb an Ostern, sie sind auch teuer, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung festhält: „Bei Schokohasen ist die Inflation besonders hoch“. Zwischen 9 und 20 Prozent teurer als noch vor einem Jahr, entnehmen wir dem Artikel. Doch was ist die Ursache? Der Kakaopreis ist zwar stark gestiegen, aber der teuer gewordene Rohstoff steckt noch gar nicht in den aktuellen Hasen. Es seien Energiepreise und der Versuch, Lebensmittel insgesamt bei uns zu verteuern. Und unserer Ansicht nach auch, weil sich niemand mehr erinnern kann, was die Hasen im vergangenen Jahr gekostet haben – und weil es wenig sinnvoll erscheint, sie fürs nächste Jahr zu horten.