Carsten Gerlinger /Bild: Moventum AM
Die Zinswende kommt. Die Notenbanken warten zwar noch ab, Wachstums- und Inflationsdaten aber deuten auf geldpolitische Lockerungen, die die Märkte bereits vorwegnehmen. Am langen Zinsende ist schon sehr viel Zinsoptimismus eingepreist. Ein entsprechendes Enttäuschungspotenzial mit höherer Volatilität – wie es bereits im Oktober zu sehen war – sei durchaus möglich. Die Chancen liegen an anderer Stelle.
Konjunkturell gehen die großen Volkswirtschaften der Welt aufeinander zu. In Europa dürfte das Wachstum in den kommenden Monaten etwas anziehen, wird aber wohl eher mäßig bleiben. In den USA wiederum wird das Wachstum nachlassen. Mit einem scharfen Konjunktureinbruch ist in den USA zwar nicht zu rechnen. Die jüngsten Arbeitsmarktdaten kann man aber als Indikator für eine Abkühlung deuten.
 
In beiden Regionen sinkt die Inflationsrate in Richtung der Zielmarken der Zentralbanken. In der Folge ist der Zinsgipfel wohl erreicht. Die US-Zentralbank Fed hat in ihrer Kommunikation die Zinswende schon vollzogen: Auf ihrer Dezember-Sitzung wies sie auf das schwächere Wachstumsumfeld hin und nahm ihre Zinsprojektionen für die beiden nächsten Jahre etwas zurück. Ein bisschen langsamer lässt es die Europäische Zentralbank (EZB) angehen. Dort ist die Inflation zwar auf 2,4 Prozent und die Kerninflation auf 3,6 Prozent gefallen. Die EZB will aber nach eigener Aussage noch abwarten, wie nachhaltig der Trend ist.

Hoffnung auf geldpolitische Lockerungen

Für die USA werden ab April 2024 bis zu vier Zinssenkungen um 100 Basispunkte eingepreist. Die EZB könnte ab Juni mit Zinssenkungen um 75 Basispunkte bis Jahresende 2024 folgen. Die EZB dürfte dies insbesondere vom Ausgang der Lohnverhandlungen abhängig machen, die im ersten Halbjahr 2024 stattfinden. Die Schmerzgrenze dürfte bei 4,5 Prozent liegen.
 
Aufgrund der Hoffnungen auf geldpolitische Lockerungen bleibt die Zinsstrukturkurve am Anleihemarkt invers. Gleichzeitig hat die Unklarheit über die Zahl der kommenden Zinsschritte in den USA auch am langen Ende zu hoher Volatilität geführt. Aufgrund der sehr inversen Zinsstruktur ist das kurze Ende mit einer Rendite in Höhe von 4,3 Prozent interessant. Das lange Ende befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen einer erwarteten konjunkturellen Abkühlung, einer anhaltend restriktiven Geldpolitik und expansiver Fiskalpolitik. Bei US-Unternehmensanleihen sei das Renditeniveau mit rund 5,2 Prozent für US-Dollar-Anleger attraktiv. Interessant sei auch das Niveau der US-High-Yields mit 7,4 Prozent. Allerdings spiegelt der Zinsabstand zu US-Staatsanleihen die Rezessionsgefahr aktuell nicht wider.

US-Staatsanleihen geben den Trend vor

US-Treasuries geben dem europäischen Markt den Trend vor, die Preise sind gestiegen und die Renditen gesunken. Zusätzlich ist in den Renditen von Bundesanleihen ein hoher Angstfaktor eingepreist, was das Kursgewinnpotenzial wiederum dämpft. Ansonsten ist bei europäischen Staatsanleihen mit fallenden Zinsen zu rechnen, allerdings mit erhöhtem Risiko in der Euro-Peripherie. Auch in Europa erachten wir das kurze Ende aufgrund der inversen Zinsstrukturkurve für interessanter. Nicht wirklich attraktiv ist mit rund 3,6 Prozent das Renditeniveau von Unternehmensanleihen mit Investment-Status. Interessant bleibt mit 6,1 Prozent das Niveau bei Hochzinspapieren, deren Spread spiegelt aber auch hier die Rezessionsgefahr nicht wider.
 
Insgesamt behält Moventum seine Strategie bei: Bei der Duration bleiben wir bei ungefähr fünf Jahren und bei unserer weiter bestehenden Übergewichtung im Credit-Segment. Da die möglichen Zinssenkungen der Notenbanken vor allem am ganz kurzen Ende zu einem Renditerückgang führen werden, wächst die Attraktivität des etwas längeren Laufzeitenbereichs bis zu zwei Jahren. Hier ist die Erzielung von kleineren Kursgewinnen möglich.
Carsten Gerlinger ist Managing Director und Head of Asset Management bei Moventum AM