EZB: Geldpolitische Folgen reduzieren Handlungsdruck

Dr. Klaus Bauknecht, IKB Deutsche Industriebank AG
Dr. Klaus Bauknecht / Bild: IKB Deutsche Industriebank AG
Fazit: Wie erwartet hat die EZB ihre Zinssätze um 25 bp angehoben. Die weitere Vorgehensweise wird dann von der Datenlage abhängen. Aktuelle Preisdaten, die Geldmengenentwicklung und die Euro-Aufwertung deuten auf ein weiteres Nachlassen der Inflation hin. Der Handlungsdruck auf die EZB hat sich damit verringert, eine Zinspause scheint möglich. Baldige Zinssenkungen im Euro-Raum sind aber nicht zu erwarten.
Benötigt die Euro-Zone eine Rezession, um den Inflationsdruck entscheidend zu reduzieren? Ist ein Einlagenzinsniveau von 4 Prozent ausreichend hoch, um einen überzeugenden Rückgang des Inflationsdrucks zu erreichen? Eine entscheidende Größe bei der Beurteilung ist der Importpreis – und der sinkt aktuell. Die Euro-Zone importiert also Deflation. Angesichts des hohen Offenheitsgrades der europäischen Währungsunion sind solche Impulse für das Nachlassen der Inflationsdynamik nicht zu vernachlässigen. Hierbei spielen nicht nur Rohstoffpreise eine Rolle. Auch die schwache chinesische Konjunktur sorgt für unerwartete Überkapazitäten und damit Abwärtsdruck auf Erzeugerpreise. Doch noch wichtiger ist vielleicht der Euro-Devisenkurs. Dieser wertet weiter deutlich auf – nicht zuletzt dank der Zinserhöhungen der EZB. Eine Euro-Aufwertung kommt einer geldpolitischen Straffung gleich und verstärkt die globalen deflationären Kräfte, die aktuell auf die europäischen Einfuhren wirken. Zudem ist nicht mit einer schnellen Erholung der Weltwirtschaft und mit einem Anstieg der Rohstoffpreise zu rechnen. Bleibt der Deflationsdruck erhalten, reicht eine geringere geldpolitische Straffung aus und weniger Zinsanhebungen sind erforderlich. Bereits in den letzten Jahren war die importierte Inflation ein wichtiger Treiber für die hohe Volatilität der Inflationsrate. Die geldpolitische Straffung verstärkt den aktuellen Deflationsdruck. Zum einen erhöht sie den Aufwertungsdruck des Euro. Zum anderen schwächt sie die Binnennachfrage und beschleunigt die Weitergabe der sinkenden Importpreise. Ist das Ausmaß der importierten Deflation ausreichend groß, bedarf es womöglich keiner spürbaren Konjunktureintrübung bzw. Rezession, um den Preisdruck zu dämpfen. Die Euro-Zone würde ihren Lebensstandard vor allem auf Kosten ihrer Handelspartner aufrechterhalten.

Doch die konjunkturelle Eintrübung schreitet voran. Die Erhöhungen des Einlagenzinssatzes seit Juli 2022 – auf aktuell 3,75 Prozent – stellen eine nennenswerte geldpolitische Wende bzw. Straffung dar. Und die Wirkung ist nicht ausgeblieben. In der Euro-Zone hat sich die Kreditnachfrage deutlich abgekühlt. Die reale Geldmenge sinkt bereits länger und auch die Dynamik der nominalen Geldmenge schwächt sich spürbar ab. Solch eine effektive geldpolitische Straffung wird ihre Folgen für die Realwirtschaft unweigerlich im Verlauf des Jahres 2023 und vor allem 2024 zeigen. Gemessen an der Importpreisentwicklung bzw. dem Euro-Devisenkurs sowie der realen Geldmenge scheint die EZB somit genug getan zu haben, um zumindest zu pausieren.
Die Notenbanken, insbesondere die Fed, haben aufgrund des intransparenten geldpolitischen Transmissionsmechanismus oftmals die Tendenz zu übertreiben. Allerdings steht gerade die EZB in der Bringschuld, denn der Verlauf der Inflationsrate in der Euro-Zone ist schon seit über 10 Jahren durch eine instabile Zeitreihe gekennzeichnet, deren Erwartungswert wenig mit dem Inflationsziel zu tun hat. Dabei geht es vorrangig nicht um eine niedrige Inflation, sondern vor allem um die Stabilität der Inflationsrate. Das Inflationsziel sollte also mittelfristig wieder einen sinnvollen Erwartungswert für die mittelfristige Inflationsentwicklung darstellen. So mag die EZB eine weitere Anhebung des Einlagenzinssatzes im September auf dann 4,0 Prozent anstreben. Weitere Erhöhungen könnten dann aber ihre Glaubwürdigkeit und die des Inflationsziels aufgrund der zunehmenden Gefahr von Übertreibungen schwächen.

Die Fed hat die Zinsen zügiger angehoben als die EZB, und der US-Dollar kommt zunehmend unter Druck. Dennoch scheint die geldpolitische Straffung der US-Wirtschaft bis dato wenig zugesetzt zu haben. Auch hier zeigt sich, die Geldpolitik braucht Zeit. Mehr als in der Euro-Zone scheint in den USA die Sorge vor einer Übertreibung berechtigt zu sein. Deshalb wird eine erste Zinssenkung der Fed deutlich vor der EZB erwartet. Das bedeutet:
  • Die Euro-Aufwertung sollte im Jahr 2023 anhalten.
  • Die deutsche Zinskurve sollte zunehmend inverser werden

Punkte aus der Pressemitteilung bzw. Konferenz

  • Wie erwartet, hat die EZB ihre Zinssätze um weitere 25 bp angehoben. Der Einlagenzinssatz liegt nun bei 3,75 Prozent.
  • Der EZB-Rat hat ferner beschlossen, die Mindestreserven künftig mit 0 % zu verzinsen. Damit soll die Geldpolitik effizienter gestaltet und ihr Durchwirken auf die Geldmärkte sichergestellt werden.
  • Die Inflation gehe weiter zurück. Die EZB erwartet jedoch nach wie vor, dass die Teuerung zu lange zu hoch bleiben wird.
  • Im Gegensatz zu früheren Treffen hat sich Präsidentin Lagarde vorsichtiger geäußert, was die nächsten Schritte angeht. So hat sie keine Aussage über konkrete Zinserhöhungen im September getätigt; eine Zinssenkung schloss sie allerdings aus. Die EZB werde dafür sorgen, dass die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf einem ausreichend restriktiven Niveau bleiben werden, um eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen 2 %-Ziel zu erreichen. Sie werde dabei datengestützt auf Basis ihrer Inflationsprognosen agieren. Es hänge ausschließlich von den Daten ab, was in den kommenden Sitzungen geschehe.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank und schreibt dort auch im eigenen IKB-Blog. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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