Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Der Wochenbeginn an der Börse zeigte sich eher verhalten, weil sich die chinesische Konjunkturlokomotive offensichtlich an der Deutschen Bahn orientiert, also nur mit gedrosseltem Tempo fährt. So gings mit dem Dax erst einmal bergab, Mitte der Woche erholte er sich, um am Ende wieder nachzugeben. Bergauf, Bergab ist eine sehr alte und beliebte Bergsteigersendung im Bayerischen Fernsehen, Börsen-Tipps gibt’s da aber nicht. Dafür treibt sich im Süden von Berlin eine mutmaßliche (wie man wohl sagt) Löwin herum und es fragt sich, woher sie gekommen sein könnte, weil weder die beiden Berliner Zoos (im übrigen börsennotiert), noch gastierende Zirkusse ein solches Tier vermissen. Wir vermuten, sie kam schnurstracks aus dem Sommerloch und scheint gar zum Wildschwein mutiert zu sein. Ist Biologie in Berlin eigentlich noch ein Schulfach?

Steigerer

Manche Titelbilder erschließen sich dem Betrachter sofort (was das Ziel sein könnte), manche versteht man auch bei längerem Nachdenken nicht wirklich (womit das Ziel verfehlt sein könnte). Börse Online macht diese Woche mit einer gezeichneten Glühbirne auf der einen und einem Megaphon auf der anderen Seite des Titelblattes auf, verbunden waren die beiden Symbole mit einem Strich. Dazu der Text: „Wir sagen Ihnen wie…“ Aha. Es folgen dann mehrere Nebensätze wie „…Sie mit 4 Aktien seit 10 Jahren wirklich immer gewinnen“. Seit? Gewinnen? Da kommt uns die Zeit des Verbs seltsam vor, denn die 10 Jahre sind ja vorbei. Immerhin, erst im letzten Nebensatz kommt das Dauerthema KI vor („…eine deutsche KI-Aktie Geheimfavorit wird“). Es wird viel über Hitze nachgedacht derzeit, also macht Focus Money mit „Überhitzt?!“ auf samt Ventilator. „Börse im Stress: So kommen Sie entspannt durch den Sommer“. Gilt das auch für uns an der Börse? „Die besten Aktien, die rentabelsten Anleihen, die heißesten Tipps“ gibt es weiter im Heft. Ob aber heiße Tipps gegen Hitze helfen? Ein heißes Rennen bietet auch Euro am Sonntag: „Gewinn Turbo Aktien“, was vielleicht Gewinn mit Turbo-Aktien heißen soll. „Gewinnsteigerer sind Kurssteigerer“ steht weiter zu lesen, bei beiden Wörtern sind wir nicht sicher, ob sie so ganz Dudenkonform sind, dort wird ein Steigerer als jemand erwähnt, der auf einer Auktion etwas ersteigert - im Gegensatz zum Versteigerer…

Schlafenszeit

Wir hatten es schon vom Sommerloch, in dem ja gerne gefährliche Tiere - Schlangen, Krokodile, Löwen oder vielleicht nur Wildschweine herumirren. Ein anderes Thema, das verzweifelt versucht, dieses Loch zu stopfen, ist die Forderung, auch in Deutschland eine Siesta während der Arbeitszeit einzuführen. In Spanien, wo sie ausgiebig betrieben wird, denkt der spanische Ministerpräsident über ein Abschaffen der Siesta nach – die Arbeitszeit schiebt sich wegen der Zwangspause weit nach hinten, Pendler können nicht nachhause fahren, kleine Kinder ins Bett zu bringen ist unmöglich, die Prime Time im Fernsehen endet erst um Mitternacht. In Deutschland wird aufgrund der Hitze (welche Hitze?) nun darüber debattiert, eine solche Siesta einzuführen. Viele melden sich zu Wort, von denen man gar nicht wusste, dass sie je wach waren. Wenn wir bedenken, dass wir gefühlt sieben Monate im Jahr Wintermantel tragen müssen, kommt uns die Forderung einigermaßen absurd vor und auch Ben Mendelsohn hat seinen Kommentar im Handelsblatt überschrieben mit „Schluss mit der sinnlosen Siesta-Debatte!“ Aber fürs Sommerloch taugt sie irgendwie dann doch bestens, im Herbst dürfte sie dann passé sein.

Brief

Viel geschrieben in den Zeitungen wurde diese Woche auch über ein eigentlich recht selten gewordenes, ja vom Aussterben bedrohtes Gut: Einen Brief. Ausgerechnet der seit drei Jahren untergetauchte Wirecard-Vorstand Jan Marsalek hat sich mit Hilfe eines solchen Instrumentes Gehör zu verschaffen versucht. Wir fragten uns, ob er wohl per Flaschenpost ankam oder was sonst der Poststempel wohl über die Herkunft aussagen könnte? Vielleicht hat er ihn auch heimlich des Nachts selbst eingeworfen bei Gericht, kurz auftauchend, er hat ihn aber ganz profan über seinen Anwalt zugestellt – aber wie an diesen? Noch wichtiger wäre allerdings die Frage, was denn eigentlich darin stand? Nun, der Richter hat sich geweigert, das seltene Produkt vorzulesen, worauf ein heftiger Disput entbrannte: „Richter und Anwalt streiten über Marsalek-Brief“, so das Handelsblatt, eindeutig friedlicher hat es die Süddeutsche Zeitung formuliert: „Liebesbriefe aus dem Dunkel“. Es geht in dem Brief, so hört man, alles in allem darum, ob es ein milliardenschweres Drittmittelgeschäft von Wirecard in fernen Ländern gegeben hat, oder eben nicht. Klar ist nur: Die Milliarden sind weg. Unklar ist, ob sie je da waren.