Chancen für clevere Anleger

Ulrich Kirstein mit der Presseschau
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Der Dax ist in konstanter Seitwärtsbewegung – ein etwas verschämter Ausdruck für Langeweile an der Börse. Was gab es sonst diese Woche? Die EZB will die Zinsen künftig doch weniger erhöhen, oder, wie es der französische Notenbankpräsident sportlich ausdrückte, sie wechselt vom Sprint in den Langstreckenlauf. Hoffentlich geht ihr und uns nicht die Puste aus. Wobei, so ganz einig sind sich die Notenbankchefs nicht, „Frisches Futter für die Falken und die Tauben“ nennt es die Börsen-Zeitung. Na dann, guten Appetit. Und wo bleibt das Positive? „Deutsche Industrie erreicht überraschendes Auftragsplus“ freut sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Allerdings, es ist die Auslandsnachfrage, die für das Plus sorgt, im Inland sieht es eher mau aus.

Chancen mit Zukunft

Im Stile eines Comics gebärdet sich der aktuelle Aufmacher von Focus Money: „Das Duell Europa USA“ wird hinterlegt mit zwei gezeichneten Händen beim Armdrücken mit den Flaggen der USA und Europas am Ärmel. Und dieses Duell soll uns „30 Gewinnchancen mit Zukunft“ bringen – Gewinnchancen ohne Zukunft sind ja auch eher selten. „Big Tech, Autos, Gesundheit & Luxus: Die besten Investments für clevere Anleger“ verspricht uns der Heftinhalt ferner. Mit senkrecht aufwärtsstrebenden Pfeilen erfreut uns hingegen Börsen Online und bietet pfeilgrade „Die 2-fach-Gewinn-Methode“ an: „Steigen die Kurse – verdienen Sie. Fallen die Kurse – verdienen Sie“. Für uns als Börse ist das ja Tagesgeschäft, Hauptsache, siehe oben, sie bewegen sich. Aber Börse Online weiß Bescheid über „geniale Renditen mit Dax, Gold, Nasdaq, Amazon, VW, Zalando, Tesla…“ Eher unbescheiden gibt sich AnlegerPlus: „Von allem das Beste: Gewinn, Dividende, Kursentwicklung“! Die Euro am Sonntag fokussiert sich auf ein Thema, das immer zieht: „Die stärksten Dividendenaktien – zuverlässig und krisenfest – Renditen bis über 7 Prozent“. Klar, dass es dazu heißt: „Jetzt kassieren“! Einmal mehr garnieren wir unsere Texte mit passenden Titeln zum Mitsummen – mit Schwerpunkt der Neuen Deutschen Welle, die wir als Jugendlicher hautnah miterleben durften und hier eher weniger als mehr passend unseren damaligen Lieblingssong präsentieren: „Hurra, hurra, die Schule brennt“ von Extrabreit.

Bayerische Welle

Eine interessante und leicht aberwitzige Geschichte zeigt uns die Süddeutsche Zeitung: „Münchner Firma baut Riesenwelle – ausgerechnet auf Hawaii“. Das sei in etwa so seltsam, so der Bericht, als würde die Skihalle Bottrop einen Ableger in Bad Ischgl errichten. Die Abendzeitung legt noch eins drauf: „das wirke fast, wie wenn Alaska Sand an die Wüste verkaufen würde“. Oder, fügen wir hinzu, Saudi-Arabien die olympischen Winderspiele ausrichten würden, aber Halt... 40 Millionen Dollar soll die 30 Meter breite Welle kosten, die damit die größte der bisher 15 weltweit vertriebenen Wellen des Unternehmens darstellt. Aber warum ausgerechnet auf Hawaii, dort gibt es bekanntlich zwar kein Bier, aber doch ausreichend natürliche Wellen vor der Insel, die nicht umsonst das Surfparadies schlechthin darstellt. Der Grund ist einfach: Es gibt immer mehr süchtige Surfer, aber die Wellen des Meeres richten sich nicht nach der Nachfrage. Vielmehr bleibt das Angebot gleich, und um diese begrenzte Zahl an Wellen kloppen sich inzwischen im wahrsten Sinn des Wortes immer mehr Surfer. Die bayerische Welle soll dies nun entzerren. Für alle Münchner ein Trost, statt vom heimischen Flughafen nach Hawaii zu fliegen, können sie nahe des Flughafens künftig in „Surftown Muc“ eine weitere künstliche Welle reiten. Dort gibts dann vielleicht „Die perfekte Welle“, wie sie einst – genauer 2004 – Juli besang?

Coole Frauen

„Sind Frauen die besseren Anleger?“ fragt das Handelsblatt bei der Vorstellung ihres Podcasts Handelsblatt Today. Das Blatt beantwortet die Frage ziemlich eindeutig mit einer Studie des US-Finanzkonzerns Fidelity: Um 0,4 Prozent pro Jahr liegt ihre Rendite vor derjenigen ihrer männlichen Kollegen. Die Gründe sind vielschichtig, unter anderem seien sie breiter diversifiziert, handelten weniger und blieben in Krisen und Crashsituationen – die meist die Männer verursacht hatten – cooler. Leider legten noch zu wenige Frauen an, weil die Geldanlage – von Männern – komplizierter gemacht werde, als sie sei, so der Tenor. Dann stimmt es gar nicht, was Herbert Grönemeyer singt: „Männer bestechen durch ihr Geld und ihre Lässigkeit“, denn Frauen sind viel cooler beim Geld.

Zündende Kurse

Den Begriff der Kurs-Raketen definiert das Handelsblatt ganz neu: Es schlägt „Investieren in Weltraumaktien“ vor. Denn für superschnelles Internet werden massenweise Satelliten im Weltraum benötigt – interessante Unternehmen also, die diese produzieren, und jene, die versuchen, sie ins All zu schießen. Aber vieles, was in den Weltraum soll, hat sich schon am Boden in Schall und Rauch aufgelöst. Erst vor wenigen Tagen explodierte eine Rakete von Mitsubishi in Japan. Auch Elon Musk hat mit SpaceX so seine Erfahrungen gesammelt, nicht erst seit Twitter weiß er, dass nicht alles fliegt, was fliegen soll. Insofern warnt das Handelsblatt Anleger angemessen vor allzu hochfliegenden Plänen und endet mit: „Weltraum ist halt nur was für Abenteurer“. Nicht dass es mit den Aktien geht wie in Peter Schillings Neue-Deutsche-Welle-Klassiker „Major Tom“: „Völlig losgelöst von der Erde, völlig schwerelos“…

Headlines

Die Börsen-Zeitung macht es sich nicht einfach mit ihren Überschriften über die jüngsten Bilanzvorlagen, schließlich soll sich der Leser nicht langweilen. Aber, ein wenig seltsam wirken sie schon: Der Chemiedistributor „Brenntag zieht Spendierhosen an“, weil er mehr als 1 Mrd. Euro an Dividenden ausschüttet, wahrscheinlich sind sie aus Polyester, der Schmierstoffhersteller „Fuchs Petrolub backt kleine Brötchen“ (schmierige Brötchen wollen wir uns lieber nicht vorstellen) und die „Wood Group zeigt Apollo die kalte Schulter“ wobei es sich hier um den versuchten Kauf der Wood-Gruppe durch den US-Investor Apollo handelt, während wir an Brillen dachten und um Durchblick rangen. Ziemlich kryptisch wirkt denn auch „Finanzinvestor Eurazeo floriert im Machtkampf“ – wir hatten kurz überlegt, ob er im Kampf zum Florett gegriffen habe. Und irgendwie wollten wir noch diese Headline für Kenner der asiatischen Küche aus der Süddeutschen Zeitung unterbringen: „Ungewohnt Schärfe aus China“. Wir schärfen künftig unseren Blick auf die Zeitungsseiten weiter, in dem wir beherzigen, was uns Trio vorsang: „Da, da, da“.