Auf Wiedersehen, billiges Geld! Hallo, Umfeldwechsel!

John Butler, Wellington Management

John Butler / Bild: Wellington Management
Das makroökonomische Umfeld, das in den letzten 25 Jahren das Fundament der globalen Finanzmärkte gebildet hat, ist eindeutig im Wandel. Dies könnte tiefgreifende Auswirkungen auf die Art und Weise haben, wie Anleger über Anlagenpreise und Marktstrukturen nachdenken sollten. LWas bedeutet all das also für die Vermögensallokation? Fünf Eckpunkte einer Anlageeinschätzung.
Wir sind sogar der Meinung, dass diese Neuordnung der makroökonomischen Rahmenbedingungen – die man durchaus mit einem ,Regimewechsel‘ gleichstellen könnte – an vielen der seit langem vorherrschenden Investment-Annahmen rütteln – und diese womöglich sogar aufheben – könnte. Nirgendwo wird das so deutlich wie an der globalen Inflations- und Zinsfront. Die sogenannte Ära des ‚billigen Geldes‘ – ein Zeitraum von mehreren Jahrzehnten, der von historisch niedriger Inflation und einer ultralockeren Geldpolitik geprägt war – ist vorüber.

Neue Realität: strukturell höhere und volatilere Inflation

Die weltweit zu beobachtende strukturelle Inflation bildet die Grundlage für unsere These, dass sich ein ‚Regimewechsel‘ anbahnt. Genaugenommen vertreten wir diese Überzeugung schon seit mehr als einem Jahr – auch wenn der Markt und die Zentralbanken währenddessen meist davon ausgingen, dass sich die wieder erstarkte Inflation lediglich als ‚vorübergehend‘ erweisen würde. Unsere Research-Arbeit des Jahres 2021 war zu dem Schluss gekommen, dass die Inflation künftig mit hoher Wahrscheinlichkeit hartnäckig höher und deutlich volatiler ausfallen würde als erwartet. Einige, wenn auch nicht alle, der langjährigen Ursachen für eine niedrige und stabile Inflation sind inzwischen zu einem gewissen Grad in ihr Gegenteil umgekehrt worden. Insbesondere beobachten wir heute tektonische Verschiebungen in Richtung einer geringeren Globalisierung, einer stärkeren Regionalisierung und einer Reihe neuer politischer Ziele, wozu auch die Dekarbonisierung zählt, die eine aktivere Finanzpolitik erfordern. All diese Entwicklungen werden unserer Meinung nach eher zu einer höheren Inflation als zu einem stärkeren Trendwachstum führen. Allgemein formuliert dürfte das globale makroökonomische Umfeld von nun an eher an das Kapitalmarktumfeld vor dem Jahr 1995, und weniger an die Bedingungen danach, erinnern.

Neue Realität: straffere Geldpolitik, stärkere Zyklizität

Natürlich gab es in den letzten mehr als zwanzig Jahren einige Phasen, in denen die systemische Finanzmarktstabilität durch aufgestaute Marktungleichgewichte und Exzesse gefährdet wurde – vor allem im Zuge der globalen Finanzkrise des Jahres 2008. Diese Übergangsphasen waren jedoch in der Regel nur von kurzer Dauer, da die US-Notenbank Fed und andere Zentralbanken weltweit einfach ihre extrem lockere Geldpolitik weiter verstärkten, um den Schaden zu begrenzen. Dies hatte zur Folge, dass die Realzinsen immer weiter sanken und der Wirtschaftszyklus relativ schnell zu einem ‚gesunden Wachstum mit niedriger Inflation‘ zurückkehrte. Ein wichtiges Ergebnis unserer Analyse: In den letzten 25 Jahren befanden sich die meisten Volkswirtschaften der Welt im Durchschnitt 31 Monate in Folge in der Zyklusphase mit ‚Wachstum, aber wenig Inflation‘.

Unserer Meinung nach kann die Bedeutung dieser begrenzten Zyklizität für die Renditen von Vermögenswerten und die Marktstrukturen während der vergangenen mehr als zwei Jahrzehnte gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. So hat sie beispielsweise zur relativen Dominanz des Technologiesektors beigetragen, da eine schwächere zyklische Volatilität ein geringeres Risiko im Zusammenhang mit der Finanzierung wachstumsstarker Geschäftsmodelle mit hohem Liquiditätsbedarf bedeutete. Auch der kometenhafte Aufstieg passiver Anlagestrategien ist darauf zurückzuführen: Je mehr die Zentralbanken die Volatilität unterdrückten, desto mehr verminderten sie auch die Ertragsstreuung und Anlagechancen innerhalb von Anlageklassen bzw. zwischen verschiedenen Regionen. Dadurch wurde es für aktive Manager schwerer, eine Outperformance zu erzielen. Dieses Umfeld hat Anreize für eine Konzentration des Kapitals auf die Vermögenwerte mit der höchsten Wertentwicklung, insbesondere US-Anlagen, gesetzt, da die Marktführerschaft aufgrund der geringeren zyklischen Volatilität verlässlicher wurde.

Konsequenzen für die Asset-Allokation: fünf Kernpunkte unserer Einschätzungen

Was bedeutet all das also für die Vermögensallokation? Da sich der makroökonomische Strukturwandel noch in einem frühen Stadium befindet, ist eine präzise Antwort zum jetzigen Zeitpunkt unrealistisch. Zudem wird eine stärkere Zyklizität eine größere strategische Flexibilität bei der Asset-Allokation erfordern, was wiederum bedeutet, dass die Antwort in jeder Phase eines Zyklus eine andere sein kann. Mit Abstand betrachtet zeichnen sich aber fünf zentrale Eckpunkte unserer Anlageeinschätzungen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels ab:
  1. Ein höherer, volatilerer Diskontsatz wird sich auf die Bewertung von Vermögenswerten auswirken
  2. Innerhalb der Anlageklassen werden die Clusterbildung ab- und die Streuung zunehmen
  3. Es wird größere Unterschiede und eine stärkere „Entkopplung“ zwischen einzelnen Ländern geben
  4. Wir sollten uns nicht mehr auf die historisch negative Korrelation zwischen Anleihen und Aktien verlassen
  5. Der Wert von Flexibilität und Liquidität wird steigen

Fazit: Wir müssen auf grundlegende globale Umwälzungen gefasst sein

Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass derzeit weltweit ein grundlegender Wandel im Gange ist, der die makroökonomische Dynamik der letzten beiden Jahrzehnte erschüttern wird. Wir sind der Meinung, dass Anleger geeignete Maßnahmen ergreifen sollten, um ihre Portfolios entsprechend auszurichten.
Den ausführlichen Blogbeitrag inklusive einiger Grafiken von John Butler finden Sie auf der Webseite von Wellington (klick hier).t
John Butler ist Makrostratege bei Wellington Management