Thierry Larose / Bild: Vontobel
  • Die Proteste gegen den neuen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva gipfeln im Sturm auf Regierungsgebäude und dürften die Polarisierung weiter verschärfen
  • Das schnelle und konsequente Eingreifen der Ordnungskräfte sowie die einhellige Verurteilung der Übergriffe quer über das politische Spektrum hinweg sprechen für die Stärke der brasilianischen Demokratie und sind ein gutes Zeichen für Anleger
  • Vorerst ist aus Anlagesicht Vorsicht geboten, mögliche Volatilität bietet Investoren aber angesichts der hohen Risikoprämien auch Chancen
Brasilien erlebte gestern seine eigene Version des „Sturms auf das Kapitol“, als Tausende der radikalsten Anhänger des Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro den „Platz der drei Mächte“ in der Hauptstadt Brasilia stürmten. Die Randalierer und Plünderer drangen in die Gebäude des Präsidentenpalastes, des Kongresses und des Obersten Gerichtshofs ein, um gegen den neuen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva zu protestieren.
 
Die Behörden haben die Lage inzwischen unter Kontrolle, und die Demonstranten wurden in ihr Lager in der Nähe des Militärhauptquartiers in Brasilia zurückgedrängt. Viele der Demonstranten campieren dort bereits seit Anfang November und fordern ein Eingreifen des Militärs, um das Wahlergebnis zu kippen und Luiz Inácio Lula da Silva aus dem Präsidentenamt zu verdrängen.
Wir gehen davon aus, dass diese Ereignisse in Zukunft zu einer stärkeren politischen Polarisierung führen werden, die im schlimmsten Fall die Regierbarkeit des Landes beeinträchtigen könnte, wenn sich das soziale oder wirtschaftliche Klima erheblich verschlechtert. Dies könnte sich letztlich in einer strukturell höheren Risikoprämie für brasilianische Vermögenswerte niederschlagen.

Brasiliens Anleihen und Aktien bieten hohe Risikoprämien

Eine „zusätzliche Risikoprämie für Brasilien“ ist jedoch bereits vorhanden und im Vergleich zu Schwellenländer-Standards recht hoch, insbesondere bei Zinssätzen in lokaler Währung (mit sehr hohen Ex-ante-Realzinsen) und bei Aktien (in Form hoher Dividendenrenditen und niedriger Multiplikatoren). Im Gegensatz zu ähnlichen Ereignissen in den USA war die Verurteilung über das gesamte politische Spektrum hinweg einhellig, und kein politischer Führer der Opposition war bereit, sich auf die Seite der Plünderer zu stellen. Sogar Bolsonaro selbst ging nicht das Risiko ein, diese Aktion zu rechtfertigen, obwohl sie in seinem Namen geschah.

Volatilität bietet Investoren Chancen

Fazit: Zwar ist in den nächsten Tagen Vorsicht geboten, jede extreme Volatilität sollte aber auch als Chance betrachtet werden. Letztlich sollte die Stärke der brasilianischen Demokratie und die Fähigkeit, die die brasilianischen Institutionen gezeigt haben, ein angemessenes Maß an Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten, ein gutes und beruhigendes Zeichen für internationale Anleger sein.
Thierry Larose ist Portfoliomanager bei Vontobel Asset Management