Die Gewinnentwicklung ist das große fundamentale Fragezeichen in 2021

Till Budelmann, Privatbank Bergos AG
Till Budelmann / Bild: Privatbank Bergos AG
Der Corona-Krise zum Trotz sind die Aktienmärkte seit dem kurzfristigen Einbruch im Frühjahr 2020 zurück im Höhenflug. Damit dieser anhält, müssen die Unternehmen 2021 nun Gewinne liefern. Und das sollten sie auch schaffen. Wir rechnen global und insbesondere in den USA mit einer starken Erholung, sowohl gesamtwirtschaftlich als auch auf Unternehmensebene.
Auch wenn die Covid-Lage derzeit bei vielen die persönliche Stimmung trübt, so bleiben die globalen wirtschaftlichen Aussichten für 2021 vielversprechend. Die Perspektiven für die einzelnen Regionen unterscheiden sich jedoch. Die Lage in den USA ist wieder einmal deutlich vorteilhafter als in Europa. In manchen europäischen Volkswirtschaften dürften die Corona-Maßnahmen für einen dunklen Winter sorgen. Für das Gesamtjahr 2021 rechnet Bergos in der Eurozone mit einem Plus beim Wirtschaftswachstum von 4 Prozent, vor Kurzem lag die Prognose noch bei 4,5 Prozent. Allerdings weichen die Zahlen in den einzelnen europäischen Ländern stark voneinander ab. Die Schweiz und Schweden dürften ihren ohnehin nicht so starken Einbruch 2020 in diesem Jahr nahezu wieder ausgleichen können. Deutschland wird dies nach unseren Prognosen mit einem Minus von 5,5 Prozent im vergangenen Jahr und einem Plus von 3,5 Prozent 2021 nicht schaffen. In der gesamten Eurozone werde die Wirtschaftsleistung noch deutlicher unter dem Vorkrisenniveau bleiben.

US-Wirtschaft kann Corona-Wachstumsdelle bis Jahresmitte ausgleichen

Ganz anders in den USA. Nach einem Schrumpfen der Wirtschaft um 3,5 Prozent im Jahr 2020, das nach Bergos-Schätzungen nur halb so hoch ausfiel wie in der Eurozone, liegt die Prognose für 2021 bei einem Wachstum von 6 Prozent. Schon etwa zur Jahresmitte sollten die USA die Corona-Delle in der Wirtschaftsleistung kompensiert haben. Wir sind hier zwar optimistischer gestimmt als der Marktkonsens, haben aber auch gute Gründe dafür: Das vom neuen US-Präsidenten Joe Biden angekündigte massive Corona-Hilfspaket wird der Wirtschaft Schwung verleihen. Zudem haben die Bürger einen Teil der Hilfszahlungen aus dem vergangenen Jahr gespart, die jetzt verspätet in den Konsum fließen. Nicht nur das Ausmaß der staatlichen Hilfsmaßnahmen bringt die USA in Vorteil gegenüber Europa, auch schwächere Lockdown-Maßnahmen und eine höhere Impfgeschwindigkeit kommen der Wirtschaft zugute. Zudem sind die USA – wie auch Asien – stark in den strukturellen Gewinnersektoren aufgestellt, deren Wachstum sich in der Krise sogar nochmals beschleunigt hat. Hier sind vor allem Technologie und Kommunikation zu nennen. Bei allem Optimismus darf jedoch nicht vergessen werden, dass unseren Prognosen derzeit ein hoher Unsicherheitsfaktor anhaftet: die Corona-Entwicklung und insbesondere die daraus resultierenden konjunkturbremsenden Maßnahmen.

Solides Fundament für Aktienmärkte

Für die Aktienmärkte bildet die insgesamt gute makroökonomische Perspektive ein solides Fundament. Entscheidend ist aber auch die mikroökonomische Entwicklung auf Unternehmensebene. Der Aktienmarkt in seiner Funktion als Diskontierungsmaschine ist bereits vorausgeprescht. In den USA etwa hat er den Covid-19-Einbruch schon längst ausgeglichen und die Kurse liegen deutlich über Vorkrisenniveau. Der massive Rückgang der Unternehmensgewinne hat den Anstieg nicht gestört. Noch liegen nicht alle Zahlen für das vierte Quartal vor, aber in den USA sind die Gewinne 2020 voraussichtlich um knapp 15 Prozent eingebrochen, in der Eurozone dürften es sogar fast 40 Prozent sein. Die entscheidende Frage ist jetzt: Werden die Unternehmen 2021 erwartungsgemäß liefern?

Aktuelle Berichtssaison stimmt zuversichtlich

Die aktuelle Berichtssaison für das vierte Quartal werten wir als verheißungsvoll. Viele Unternehmen übertreffen die Gewinnerwartungen, und zwar deutlich: Auffällig sind weit überdurchschnittlich hohe Werte beim Surprise-Faktor, der anzeigt um wie viel Prozent die Unternehmen im Schnitt die Erwartungen bei Gewinnen und Umsätzen über- oder untertreffen. Während die Gewinnentwicklung im vierten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum für die Unternehmen des US-Aktienindex S&P 500 im Schnitt schon leicht positiv ausfallen wird, rechnen wir ab dem ersten Quartal dieses Jahres bereits wieder mit signifikanten Zuwächsen im Vorjahresvergleich. Die Markterwartungen für das Gewinnwachstum 2021 liegen derzeit für US-Aktien bei 24 Prozent und in Europa bei 30 bis 35 Prozent. Auch hier deutet sich an: Die USA werden wohl den Corona-Einbruch dieses Jahr überkompensieren können, Europa erreicht das Vorkrisen-Gewinnniveau bis Ende 2021 nicht.

US-amerikanische und Emerging Markets-Aktien im Vorteil

Für die Bewegung an den Aktienmärkten zählt jedoch nicht nur, dass die Gewinne wieder steigen, sondern dass sie stark genug steigen, um die am Markt eingepreisten Erwartungen zu erfüllen. Die Gewinnentwicklung ist das große fundamentale Fragezeichen für die Aktienmärkte 2021. Ein zu geringer Anstieg dürfte für Gegenwind an den Aktienmärkten sorgen. Wenn wir mit unseren Annahmen falsch liegen und die Unternehmensgewinne in den USA nicht den Rückgang von 2020 ausgleichen, dürften die Aktienkurse am Jahresende tiefer stehen als aktuell. Dies entspricht jedoch nicht dem Szenario, das wir erwarten. Vielmehr rechnen wir für 2021 mit steigenden Aktienmärkten, wenn auch unter ordentlichen Schwankungen. US-Aktien dürften weiterhin besser laufen als europäische. Und die Emerging Markets sehen wir ausgesprochen positiv, besonders die asiatischen. Diesbezüglich findet man in unseren global ausgerichteten Mandaten Positionen in chinesischen, südkoreanischen und taiwanesischen Aktien.
Till Budelmann ist Chief Investment Officer bei der Schweizer Privatbank Bergos AG. Als Kapitalmarktstratege kommentiert Till Budelmann regelmässig die Geschehnisse an den internationalen Kapitalmärkten und betrachtet diese im Kontext wirtschaftlicher und politischer Trends. Seit dem Jahr 2004 verantwortet Budelmann diverse Anlagestrategien und sitzt im Investmentkomitee des Hauses, seit 2013 ist er Managing Director.

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UC S&P 500 5.250,33 N.A.
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