Nur das Beste

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Dass es ein Wirtschafts- und speziell Anlagethema auf die Titelseite einer Tageszeitung schafft, ohne dass von Katastrophe, Skandal oder Betrug die Rede ist, kommt eher selten vor. Und es ging nicht einmal um das auch diese Woche die Medien beherrschende Dauerthema GameStop. In der Süddeutschen Zeitung lautete die Titelschlagzeile am Dienstag „Grünes Geld“! Einen Beitrag für den Klimaschutz leisten und gleichzeitig das Vermögen nachhaltig zu vermehren, liege voll im Trend, so die Zeitung. „Gewinn mit Sinn“ reimt die SZ für den ersten Teil dieser größer angelegten Serie im Innenteil. Wir sind gespannt auf die weiteren Folgen. Eher im Politik- als im Wirtschaftsteil war zu lesen, dass der ehemalige Chef der Europäischen Notenbank Mario Draghi nun in seinem Heimatland Italien eine „Regierung der Fachleute“ bilden soll. „Ein Draghi für alle Fälle“ heißt es dazu in Der Welt. Ein Fachmann für alle Fälle, Italien ist zumindest in dieser Hinsicht zu beneiden.

Gut, besser, am besten

Ohne die Steigerungsform von „gut“ kämen Finanzmagazine nur schwer durchs Jahr. So prangt auf dem Titel von Börse Online „Gewinnen mit den Besten“. Zu erkennen sind Oprah Winfrey, Elon Musk, Peter Thiel und Richard Branson, wenn man sie denn erkennt. Da wollte Focus Money auch nicht hintanstehen und setzte mit „Die besten, genialsten, heißesten TechAktien der Welt“ noch eins drauf und versprach „riesige Kurs-Chancen von bis zu 500 % in 3 Jahren“. Nun gut, wen wundert es da noch, dass auch die Februar/März-Ausgabe des ETF EXTRA MAGAZIN auf dem Titel „Die besten Sparpläne“ versprach? Wir empfehlen den Blattmachern einmal den Thesaurus, da gäbe es einige brauchbare Alternativen: ausgezeichnetsten, brillantesten, edelsten, glänzendsten, hervorragendsten, prächtigsten, unbezahlbarsten, unschätzbarsten, unvergleichlichsten, vortrefflichsten, vorzüglichsten…

Spiel ohne Ende

GameStop beschäftigte die Medien weiterhin. „Spiel mit dem Feuer“ titelte der SmartInvestor in seinem Wochenkommentar und befasste sich in seiner Printausgabe mit einer fundamentalen Bewertung des Unternehmens. „Beben an der Wallstreet“ nennt es Börse Online und für „Ein ernstzunehmendes Drama“ hält es Michael Maisch in seinem Kommentar im Handelsblatt, während es im Bericht dort heißt: „Kleinanleger machen sich Mut“. Denn trotz des zwischenzeitlichen Kurseinbruchs sei „der Kampf der Privatanleger gegen die Hedgefonds“ noch nicht verloren. Unser Autor Norbert Betz rät auf der Internetplattform 4investorsCool bleiben, wenn die Hotspots überkochen“.

Neue Aktienkultur

Bereits in der Donnerstags-Ausgabe widmete die Börsen-Zeitung „GameStop und die Ursachen – Neobroker im Fokus“ eine ganze Seite. Darunter ein ausführliches Interview mit Nico Baader, Vorstand der gleichnamigen Bank. Er äußerte sich auch zu den vielen „Neu-Aktionären“ in Deutschland: „Das Gros der Anleger verfolgt keinen kurzfristigen Zockeransatz“, so Baader, der darin „durchaus ein Aufblühen einer neuen Börsenkultur in Deutschland“ erkennt. Schön wäre es.

Monstranz für Schulden

Kommentator Martine Greive widmete sich im Handelsblatt der deutschen Haushaltspolitik und dem Aufgeben der Schuldenbremse, verbunden mit dem Ruf nach Steuererhöhungen. Unser Lieblingssatz daraus: „Jetzt trägt jede Partei einen eigenen Fiskal-Fetisch wie eine Monstranz vor sich her“. Wir fragen uns, wie so ein Fiskal-Fetisch wohl aussehen mag und wo man ihn erwerben kann. Wir ahnen: Im Finanzamt. Zahlen müssen ihn jedenfalls wir.

Absturz über der Gerüchteküche

Und dann stolperten wir noch über eine Überschrift in der Bilanz: „So leiden Büroklatsch und Gerüchteküche unter der Pandemie“. Zum einen konnten wir keinen leidenden Büroklatsch ausmachen, der traurig durch die Gänge schleicht, und fanden nur eine „Gerücheküche“ vor, insbesondere bei köchelndem Kaffee. Klatsch und Tratsch, so im Artikel, seien jedoch für die Firmenkultur bedeutsamer als angenommen. Ein makabres Beispiel dient als Beleg: Der Flurfunk bei Boeing warnte vor der neuen Maschine des Typ 737max, niemals würden Mitarbeiter ihre Familie in so einem Ding mitfliegen lassen – wenig später stürzte das erste Flugzeug ab. Hätten die Boeing-Chefs doch nur auf den Flurfunk gehört, so die Aussage des Artikels. Wir sehen es bildlich vor Augen: Chefs, die wichtige Meetings fluchtartig verlassen, weil sie in die Gerüchteküche müssen. Wir würden uns da lieber auf eine funktionierende Qualitätskontrolle verlassen wollen.

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

GameStop-A 9,443 -2,39%
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