Neue Kurven fürs Parkett

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Freund
Gab es etwa eine Woche ohne Wirecard? Nein, „Prüfer am Pranger“ hieß es in schöner Alliteration im Handelsblatt (Donnerstag). Steht nun eine ganze Branche infrage und droht eine härtere Regulierung, fragte sich das Blatt im „Thema des Tages“, das uns wohl noch viele Tage begleiten wird. Und „Geldwäscheverdacht im Skandalfall Wirecard“ schob die Börsen-Zeitung heute nach. Das kommt nun noch zum Verdacht auf Marktmanipulation, der Bilanzfälschung, des Betrugs und der Veruntreuung hinzu, so das Blatt. Wenn schon, denn schon, dachten sich wohl die Verantwortlichen von Wirecard.

Ein Heft voll Optimismus

Die beiden Wochenmagazine Focus Money und Börse Online gehen die Kapitalanlage dieses Mal von zwei ganz unterschiedlichen Enden an: Focus Money setzt auf Siegeraktien, Börse-Online warnt vor Inflation! Focus Money tröstet auf der Titelseite Anleger, die noch nicht dabei sind, mit „Einstieg verpasst? Egal!" und nennt dafür für Aktien Kursziele zwischen 30 und 100 Prozent. Ein Heft voller Optimismus könnte man sagen. Während Börse Online an die Inflation in den 1920er Jahren erinnert, in der derzeitigen Situation aber auch Chancen für Anleger wittert.

Neue Kurven fürs Parkett

„Neue Kurven fürs Parkett“ titelte die Süddeutsche Zeitung (Dienstag) und machte uns neugierig: Wird der Dax künftig in Kurvenform angezeigt statt im gewohnten Zickzack? Nein, es handelt sich um Daten, die Anlegern zeitnah darüber Auskunft geben sollen, ob die Wirtschaft wieder anfährt oder nicht. Vom Lkw-Verkehr über die Frequenz von Einkaufsstraßen bis zum Googlen nach Arbeitslosigkeit - alles soll Auskunft über Verhalten und Stimmung und damit Anleger einen Hinweis für rasches Handeln geben. Der Fantasie für solche "Echtzeit-Daten" sind im Prinzip keine Grenzen gesetzt - und manchmal mag auch der Blick aus dem Fenster genügen, wenn es nicht gerade aus einem Elfenbeinturm erfolgt.

Aktien statt Sportwetten

„Die Stunde der Zocker“ überschrieb das Handelsblatt einen zweiseitigen Artikel über das Verhalten von US-Kleinanlegern: Sie investieren mit hohem Risiko aus lauter Langeweile, da es keine Sportwetten und auch sonst wenig Abwechslung zu Coronazeiten gibt. Dazu nutzen sie „Neobroker“, die kaum Gebühren verlangen, aber schöne Namen wie „Robin Hood“ tragen. Ein Trend, den es auch in Deutschland gibt, oder, wie die SZ schreibt: „etwas gedämpft schwappt die Welle auch nach Deutschland über“. Gedämpft vor allem, weil hier nicht mehr Geld verloren werden kann, als eingesetzt wird. Trotz Wirecard scheint der Aktienboom ungebrochen, wenn selbst die Abendzeitung München auf der Titelseite mit der fett gedruckten Zeile lockt: „Aktien mit Potenzial“ (Freitag).

Nepoten und Vettern

Wir geben zu, dass uns seltene Wörter in Überschriften nicht gleichgültig lassen. „Alibaba schasst Manager wegen Nepotismus und Bestechlichkeit“ aus der Börsen-Zeitung (Montag) wartete gleich mit zwei eher seltenen Wortgebilden auf: Wann lasen wir zum letzten Mal über „schassen“ und wann über „Nepotismus“? Ersteres ist ja eigentlich Umgangssprache, auch wenn es aus dem Französischen stammt (chasser). Über Nepotismus lesen wir sonst eher in Geschichtswerken etwa über Päpste aus der Zeit der Renaissance und des Barock. Aber ob die Übersetzung mit „Vetternwirtschaft“ vertrauter wäre?

Im neuen Kleid

Ein neues Gesicht hat das Handelsblatt bekommen. So ein Relaunch ist ja immer etwas undankbar, ist doch kein anderes Wesen ein größeres Gewohnheitstier als der Zeitungsleser – auch wir zählen zu dieser zoologisch noch wenig erforschten Gattung. Und das mäkelt gerne, wenn es eine Änderung im Gewohnten gibt. Was uns sofort aufgefallen ist? Wir haben das Datum nicht mehr gefunden. Es steht klein und grau rechts oben, und darüber prangt der Stempel mit unserer Anschrift. Wir verstehen den Wink mit dem Zaunpfahl und werden das Blatt nun über mehrere Tage auf dem Schreibtisch lassen. Nun gut, dafür gibt es jetzt sehr übersichtlich auf dem Titel die „Märkte“ weltweit vom Dax über Dow Jonges bis zu Gold und Öl. Außerdem die Dax-Gewinner und -Verlierer des Tages.

Baustein zum Reichtum

Hilfe, mein Sohn ist Großinvestor! Erfahren habe ich das aber erst durch einen interessanten (und verspätet wahrgenommenen) Artikel in der Juni-Ausgabe des Magazins AnlegerPlus: „Die Alternativen zum Kapitalmarkt“ war er überschrieben und führte als ein lohnendes Investment – 13 Prozent Rendite per anno – Lego-Sets an. Eine Forschungsgruppe hatte 2.322 (!) Lego-Sets und ihre Renditen untersucht. Wenn Sie also im Kinderzimmer auch keinen Boden mehr sehen, seien Sie vergewissert, Ihre Sprösslinge legen keine Steine, sondern sammeln Kapital an.