Blinder Strauß oder schwarzer Schwan?

Von Norbert Betz
Norbert Betz / Bild: BBAG/Killius
Seit Beginn der Corona-Pandemie und vor allem seit dem verordneten Lockdown folgt schwarze Börsenwoche auf schwarze Börsenwoche, unterbrochen nur von wenigen wie hoffnungsvollen Aufwärtsbewegungen. Doch weitere düstere Börsenwochen dürften kommen, dazu muss man kein Prophet sein. Die Volatilität wird weiterhin hoch bleiben. Kein schwarzer Schwan, sondern ein ganzer Schwarm ist gelandet und wird von den Medien eifrig gefüttert. Das Coronavirus ist auf der ganzen Welt angekommen, die Fallzahlen steigen in vielen Ländern noch immer, die Einschränkungen für die persönliche Bewegungsfreiheit sind drastisch, die Wirtschaft steht zu großen Teilen quasi still, mit heute noch nicht abschätzbaren Folgen. Die ersten Lockerungen dürften kaum für einen Umschwung sorgen. Die Börsen stürzten ab wie kaum je zuvor. Kann sich noch jemand daran erinnern, dass vor wenigen Wochen noch ein Dax von 14.000 Punkte anvisiert worden war? Heute freuen wir uns, wenn der Dax die 10.000 Punkte-Linie hält, denn sicher ist das keinesfalls.

„If panic, panic first“

Die Verbreitung des Virus, die Pandemie, ist nicht nur eine Folge der Globalisierung, sie ist eine Folge des Menschen als soziales Wesen. Denn selbst im Mittelalter, als die Mehrzahl der Bevölkerung zu Lebzeiten niemals aus ihrem Nest herauskamen, verbreiteten sich Krankheiten weltweit. die Pest war eine globale Geißel. Damals wie heute war man auf Warenströme angewiesen, damals wie (leider immer noch) heute herrschte vielerorts Krieg, gab es Flüchtlingsströme und Migration. Nun schottet sich die Welt ab, die Grenzen werden geschlossen, die Menschen bleiben daheim, Homeoffice wird zur Normalität, Schulen und Schwimmbäder, Bars und Spielplätze bleiben geschlossen. Die Störung der wirtschaftlichen Interaktion trifft auf hochverschuldete Staaten und Unternehmen, ein fragiles Bankensystem und im Westen auf eine saturierte Gesellschaft. Der Patient Weltwirtschaft hat ernste, systemische Vorerkrankungen. Plötzlich ist das Problem nicht mehr der Anlagedruck in Zeiten von Niedrigzinsen, sondern die Zweitrundeneffekte des ökonomischen Lockdowns mit potentiellen Insolvenzen. Massenarbeitslosigkeit und Deglobalisierung müssen eingepreist werden. „If panic, panic first“.

Ein ordnungsgemäßer Börsenhandel findet statt

Trotz teilweise zweistelliger Verluste binnen eines Tages liefen die Systeme der Börsen einwandfrei. An der Börse München gibt es schon längst kein Parkett mehr, auf dem sich Makler Kurse zurufen und dabei kaum einen Sicherheitsabstand von 1,50 Meter einhalten könnten. Deshalb kann sie auch ohne Publikumsverkehr reibungslos arbeiten. Die Börse München hält auch in diesen Zeiten an ihren strengen Qualitätsmaßstäben bei der Orderausführung fest, das börsliche Regelwerk ist voll in Kraft. Die Market Maker und Spezialisten arbeiten mit ihren je eigenen Notfallplänen an ihren jeweiligen Standorten. So gewährt die Börse München für alle Anleger – egal ob Privatanleger oder institutioneller Kunde – faire und transparente Preise. Was auch immer geschieht können die Anleger so ordnungsgemäß handeln.

Ein Schwan ist kein Strauß

Was also tun? Den Kopf in den Sand stecken und nichts hören und nichts sehen? Dazu drei Lektionen von mir:
Lektion Nr. 1: Wir wurden spätestens jetzt wieder daran erinnert, dass Robustheit der Vermögensallokation die oberste Devise ist.
Lektion Nr. 2: Bleiben Sie flexibel und passen sie Ihre Anlagen an. Niemand wird die Tiefstkurse erwischen. Wer nicht auch schon bei fallenden Preisen erste homöopathische Käufe vornimmt, wird den Wiederaufstieg nur von der Seitenlinie beobachten können.

Lektion Nr.3: Wohlstand, Sicherheit und Freiheit müssen täglich neu erkämpft und erarbeitet werden. Die im Kern sozialistischen Orchideenthemen müssen wieder zurück in die Gesprächskreise derjenigen, die sich dafür berufen fühlen und dürfen nicht mehr mit der vergangenen Dominanz den politischen Diskurs und den Umbau der Gesellschaft bestimmen. Unterscheiden wir wieder zwischen Elementarem und Unwichtigem und handeln danach.

Dieser Artikel erschien zuerst im Nebenwerte-Journal und wurde für Südseiten aktualisiert
Norbert Betz, Leiter der Handelsüberwachung an der Börse München, setzt sich seit Jahren mit den Psychofallen an der Börse auseinander: als leidenschaftlicher Trader wie als distanzierter Marktbeobachter, als Referent und Autor. In seiner Serie zeigt er die Fallen auf, in die wir Anleger so gerne hineintappen, und gibt Tipps, wie sie vermieden werden können.
Nachzulesen auch in Norbert Betz, Ulrich Kirstein:»Börsenpsychologie simplified«, 2. Auflage 2015. Das Buch befasst sich auf knapp 200 Seiten mit der Psychologie der Märkte und zeigt Anlegern an vielen Beispielen aus Theorie und Praxis, wie sie STUSS erkennen und vermeiden sowie mit dem STAR-Konzept zum Erfolg kommen können.