Humanisten mit Sinn

Ulrich Kirstein mit der Presseschau vor Karfreitag
Wenn Sie eine Ausgabe beispielsweise der Süddeutschen Zeitung zur Hand nehmen, verspreche ich Ihnen, das ist eine echte Karwoche, also maximal freudlos. Beim Blättern werden Sie auf kaum eine Seite stoßen, auf der es nicht um Corona, Pandemie oder Quarantäne geht, egal ob neue CDs vorgestellt werden (ideal gegen Einsamkeit) oder ob es ums Kennenlernen in neuen Beziehungen geht (schwierig das mit der Zweisamkeit). Im Wirtschaftsteil geht es um Maskenproduktion, Stilllegungen, Schrumpfen und, und, und. Da kommt es schon einer Wohltat gleich, wenn – wir sind in der Mittwochs-Ausgabe – die neue Wirtschaftsweise Veronika Grimm eine Veränderung des Wirtschaftssystems mit positiven Effekten Richtung Nachhaltigkeit erkennt.

Focus-Money verspricht mit „Das sagt Sinn“ einen tieferen Sinn in der Krise und schreibt die Hauptargumente von „Deutschlands berühmtestem Ökonomen“  direkt auf den Titel: „Rezession oder Weltwirtschaftskrise? Irrweg der Notenbanken! Schockwellen! Vernichtung von Vermögen und Geldwerten? Inflation oder sogar Hyperinflation? Hände weg von Corona-Bonds!“ Die Verteilung von Ausrufungs- und Fragezeichen erschließt sich nicht automatisch. Im Heft hält dann aber die Redaktion „wegen, trotz und nach Corona-Gewinner“ bereit und somit Chancen für Anleger an der Börse.

Aus Heimarbeit wird Homeworking

Börse Online verspricht „8 Aktien gegen die Angst“! So viele Unternehmen hat die Redaktion ausfindig gemacht, die auch dieser Krise trotzen sollen und vielleicht sogar „gestärkt“ daraus hervorgehen werden. So hat sich Börse Online diejenigen Unternehmen näher angesehen, die uns allen das Homeworking erleichtern sollen – Privatschulen sind nicht darunter. Dafür hat das Magazin auch wieder den altmodischen Begriff der Heimarbeit hervorgeholt – da hatte man früher Bauernfamilien aus dem Erzgebirge vor Augen, die im Winter Weihnachtspyramiden bauten.

Es leert sich

Zurück zum allumfassenden Corona-Thema. Die Handelsblatt-Grafik von Mittwoch zeigte auf, wie Corona den Alltag beherrscht: Es fahren weniger Autos als sonst, es wird mehr im Internet gesurft und die Zahl der Wohnungseinbrüche ging zurück. Ehrlicherweise dachten wir uns das schon ganz ohne Graphik, die wenigen Autos sind gut im Straßenbild erkennbar (dafür sind die Parkplätze immer voll) und wer bricht schon ein, wenn er sicher sein kann, dass die Hausbesitzer gerade im Homeoffice sind und den Ganoven gleich mit einem ihrer vielen Video-Konferenzkanäle aufnehmen?

Die Ergebnisse der Humanisten sind nicht immer Erkenntnisse

Gestolpert bin ich dann noch über die Schlagzeile der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 8. April. Statt „Wir würfen uns nicht in Sicherheit wiegen“, einem Zitat von Gesundheitsminister Jens Spahn, las ich „Wir dürfen uns mit Sicherheit nicht wiegen“ in Anspielung an die Zunahme meiner Pfunde angesichts Homeoffice und mangelnder Bewegung. Und zum Schluss noch mein persönliches Highlight an Überschriften, entnommen dem ehrwürdigen Feuilleton der FAZ: „Die Fürze eines Humanisten“! Es ging darin natürlich um niemand anderen als den französischen Komiker Louis de Funés, dem die Pariser Cinémathèque eine Ausstellung gewidmet hätte (wenn nicht Corona dazwischen gekommen wäre) und dessen Filme im französischen Fernsehen derzeit unsere Nachbarn vor Depressionen aufgrund der Ausgangssperre schützen sollen.
Deshalb mein Rat: Nehmen Sie über die Osterfeiertage, die wir alle zuhause und ohne Homework verbringen müssen, statt Zeitungen und Magazine ein gutes und spannendes Buch zur Hand. Wir haben unsere Bücher im Buchhandel bestellt und im Gemüseladen abgeholt, so sind die Zeiten. Bleiben Sie gesund!