Immer nur Corona

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG und Killius
Derzeit eine Presseschau zu veröffentlichen ist alles andere als eine erheiternde Aufgabe. Viele Nachrichten rund um Corona zeigen uns eines sehr deutlich: gute Menschen bleiben auch in der Krise gut oder zeigen sich von ihrer besten Seite. Und eben umgekehrt. Wer jetzt notwendige Dinge hortet und zu Wucherpreisen verkauft ist kein Turbokapitalist, sondern ein Schuft. Denn „Arme können nicht hamstern“ wie die Süddeutsche Zeitung am 2. April richtig schrieb. Man sollte diese "Geschäftemacher" auch nach Corona mit „Social Distance“ strafen. Doch zurück zur Nachrichtenlage, die sich nicht von Corona entkoppeln kann. So zeigt die Aprilausgabe von Capital ein weißes Titelbild mit einem Post-it „Wegen Corona: Kein Titelbild!!!“ Immerhin bleibt uns damit das an eine See-Mine aus dem Weltkrieg gemahnende Bild des Virus erspart. Der SmartInvestor betitelt sein Monatsmagazin gar mit „Kernschmelze“! Da zeigen sich Böse Online und Focus Money hoffnungsvoller:  „Wettlauf um den Impfstoff“ titelt die eine und  „Gab es je eine Krise, von der sich die Kurse nicht erholt haben“, fragt das andere Blatt eher rhetorisch.

Abstand halten bei Aktien nicht notwendig

Focus Money meldet aber auch Tröstliches für Anleger, z.B. unter der Überschrift „Substanz siegt“ nennt das Magazin Bestandshalter von Wohnimmobilien als interessante Investments auch in Krisenzeiten oder „In der Königsklasse“ listet Dividendenaristokraten auf, um Aktionäre einigermaßen bei Laune zu halten. Dass es einen Sonderteil zu den „finanzkräftigsten Lebens- und Krankenversicherern“ gibt, mag wohl mehr Zufall sein als redaktionelle Willensbildung. Börse Online rät hingegen auch bei Aktien „Abstand halten“, obwohl man sie doch so leicht online ordern kann, ganz ohne Ansteckungsgefahr. Und das Handelsblatt verheißt Fußgängern und Radfahrern in den Städten Entspannung: Außer TIER haben alle E-Scooter-Verleiher ihren Betrieb in Deutschland eingestellt und die dreistelligen Millionenbeträge, die Investoren bisher spendierten, verpuffen zusehends (Handelsblatt vom 1. April unter „Der Hype ist vorbei“)

Wo bleibt das Positive, ja wo?

Wie sich das Virus auf die Wirtschaft auswirkt, und auf die Berichterstattung, mag eine beliebige Seite aus der Börsen-Zeitung beweisen, nehmen wir den 31. März und lassen wir die Unternehmensnamen einmal weg: „… braucht einige hundert Millionen Euro“, „… scheut den Ausblick“, „…trüben sich die Perspektiven ein“, „…rechnet mit Gechäftseinbruch“, „… fährt Werke teilweise herunter“ und „…nimmt Prognose für 2020 zurück“. Nein, wir haben keine vergessen, vielleicht sieht es bei „kurz gemeldet“, der Spalte daneben, besser aus: „…plant virtuelle Aktionärsversammlung“ (nicht schön für den Veranstaltungsvermieter), „…verschiebt HV“, „…sind zahlungsunfähig“, „senkt Rating“ und, ganz unten versteckt, etwas Positives:  „Dax-Wert Linde plc hat Dividende nicht gekürzt“ (deshalb auch mit Firmennamen)!

Unsere Lieblingswaren

Welches die beliebtesten Dinge eines Landes sind oder waren, zeigt sich jetzt in gähnenden Regalen. In Russland, so heißt es, fehlt es am dort so geliebten Buchweizen, außerdem wird Alkohol gehortet. Mexikaner decken sich, will man einem beliebten viralen Video glauben, das sich über den Klopapier-Run der Deutschen lustig macht, glauben schenken, vor allem mit Tequila und Nachos ein. In Italien sind es Nudeln und in Deutschland neben den berühmten Papierrollen vor allem Hefe und eben auch Nudeln, und nicht etwa Kartoffeln oder Sauerkraut. Da beruhigt es doch, dass die Italiener trotzdem Deutschland weiterhin mit Pasta versorgen, dafür garantiert DB Schenker mit mehreren hundert Tonnen per Güterzug, weiß die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. April weiß.

Fehlermeldung

Ein Thema im Thema war die schon Ende vergangener Woche erfolgte Ankündigung des Global Players Adidas gewesen, im April für seine Shops in bester Innenstadtlage keine Miete mehr überweisen zu wollen, schließlich seien sie geschlossen. Das rief eine Welle des Protestes hervor, ein (eher weniger) bekannter Politiker zeigte sich mit vor Wut (und nicht wegen Sport) zerrissenem Adidas-Shirt, eine andere (die ehemalige Justizministerin) verwies darauf, nie wieder Turnschuhe mit den drei Streifen kaufen zu wollen. Alles in allem ein PR-Desaster des erfolgsverwöhnten Vorstandsvorsitzenden. Deshalb ruderte der Konzern zurück und versorgte die Medien gleich mit ganzseitigen Anzeigen: „Wir haben einen Fehler gemacht und viel Vertrauen verspielt“, so Adidas (Handelsblatt vom 2. April). Die Mieten werden gezahlt. Merke: Wahre Größe zeigt sich nicht beim Machen von Fehlern, sondern bei deren rascher Korrektur.