BaFin veröffentlicht verschärfte Bußgeldleitlinien für Unternehmen

Jörg Baumgartner, CMS Hasche Sigle
Jörg Baumgartner / Bild: CMS Hasche Sigle
Mitte Februar veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihre überarbeiteten Leitlinien (WpHG-Bußgeldleitlinien II). Verstoßen Unternehmen gegen das Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG), kann die deutsche Finanzaufsicht dies jetzt deutlich härter bestrafen.

Die verschärften Sanktionsmöglichkeiten beruhen auf geänderten europäischen Regelungen. Grundlage ist zum einen die im November 2015 in deutsches Recht umgesetzten Änderungsrichtlinie zur Transparenzrichtlinie. Diese sieht höhere Strafen bei Verstößen gegen die Beteiligungs- und Berichtspublizität vor. Zum anderen sehen die im Juli 2016 in Kraft getretene Marktmissbrauchsverordnung (MAR) sowie die Marktmissbrauchsrichtlinie (CRIM-MAD) die EU-weit schärferen Regelungen gegen Marktmanipulation und Insiderhandel vor.

Milliardenbußgelder sind theoretisch möglich

Drastisch höhere Sanktionen drohen bei Verstößen gegen das neue Marktmissbrauchsrecht. Das betrifft unter anderem Fälle unterlassener oder fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen. Hier Es drohen sehr hohe und sogar umsatzbezogene Geldbußen (zum Beispiel bis zu 15 Prozent des Konzernumatzes bei Insiderhandel).

Verstöße bei der Finanzberichterstattung oder fehlerhafte Stimmrechtsmitteilungen kann die BaFin mit Bußgeldern von bis zu zehn Millionen Euro oder auch bis zu fünf Prozent des Jahresumsatzes des gesamten Konzerns sanktionieren. Bei einem Unternehmen mit 50 Milliarden Euro Umsatz, bedeutet das theoretisch ein maximales Bußgeld von bis zu 2,5 Milliarden Euro. Bisher lag die Höchstgrenze bei 200.000 Euro.

Die Exekutivdirektorin der BaFin, Elisabeth Roegele, kündigte an, dass die BaFin gerade umsatzstarke Konzerne mit einer hohen Marktkapitalisierung bei schwerwiegenden Verstößen künftig deutlich höher bestrafen werde.

Spürbare Sanktionen durch umsatzbezogene Geldbußen

Der europäische Gesetzgeber habe mit der Einführung umsatzbezogener Geldbußen auch für größere Unternehmen in besonders schwerwiegenden Fällen eine spürbarere Sanktionierung ermöglichen wollen. Man sei sich allerdings bei der BaFin wegen der weiten umsatzbezogenen Bußgeldrahmen auch der eigenen Verantwortung bewusst. Besonders bei weniger schweren Verstößen werde die BaFin mit Augenmaß vorgehen, so Roegele weiter. Hier werde die Aufsicht im Einzelfall Geldbußen festsetzen, die weit unterhalb der gesetzlich festgelegten Obergrenze liegen.

Leitlinien zur Gleichbehandlung

Die neuen Bußgeldleitlinien der BaFin legen nun Einzelheiten fest, wie die verschärften Sanktionsmöglichkeiten eingesetzt und die Bußgelder tatsächlich bemessen werden. Die Leitlinien dienen dabei auch dem Prinzip der Gleichbehandlung. Im Wesentlichen gleiche Ordnungswidrigkeiten sollen so auch vergleichbar behandelt und geahndet werden.

Die Leitlinien konkretisieren die abstrakt und offen formulierten Regelungen aus dem WpHG und weisen, je nach Schweregrad und Marktkapitalisierung des betroffenen Unternehmens, bezifferte Grundbeträge aus.

Zweistufige Bemessung

Bei der Bemessung der Bußgelder geht die BaFin in zwei Stufen vor:

Anhand der einschlägigen Vorschriften im WpHG wird auf der ersten Stufe zunächst der anwendbare Bußgeldrahmen wie folgt ermittelt:

  • Entweder nach bezifferten Höchstbeträgen (zum Beispiel bis zu 10 Millionen Euro bei unterlassenen Stimmrechtsmitteilungen), oder
  • nach umsatzbezogenen Höchstbeträgen (zum Beispiel 2 Prozent des letzten Gesamtumsatzes bei Verstößen gegen die Ad-hoc-Pflicht) oder
  • nach mehrerlösbezogenen Höchstbeträgen (zum Beispiel das Dreifache des aus dem Verstoß gezogenen Vorteils bei Verstößen gegen die Ad-hoc-Pflicht).

Für die Bestimmung des Bußgeldrahmens kommt dabei immer der jeweils höchste der oben genannten Beträge zur Anwendung.

Bei der anschließenden, konkreten Festsetzung (zweite Stufe) der Geldbuße geht die BaFin dann in drei Schritten vor:

  • zunächst wird der Grundbetrag anhand der Tatumstände ermittelt,
  • in einem zweiten Schritt erfolgt eine Anpassung des ermittelten Betrags mittels täterbezogener Zumessungskriterien und
  • zuletzt werden auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen berücksichtigt

Mildernde Umstände

Bei der Bemessung der Geldbuße hat die BaFin außerdem die Möglichkeit, den wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen, den der Betroffene aus der Tat erlangt hat. Wenn Milderungsgründe oder erschwerende Umstände vorliegen, kann der ermittelte Grundbetrag auch unter- oder überschritten werden.

Mildernd kann zum Beispiel sein:

  • fahrlässiges oder leichtfertiges Handeln,
  • das Ablegen eines Geständnisses,
  • Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung,
  • Versprechen oder Maßnahmen der Besserung, oder
  • eine lange Verfahrensdauer.

Strafschärfend wäre eine Wiederholungstat oder die gesteigerte Uneinsichtigkeit des Betroffenen.

Einstufung der Tatumstände

Im zweiten Teil der Leitlinien konkretisiert die BaFin, wie die betragsmäßigen Bußgelder festgesetzt werden. Unternehmen werden entsprechend ihrer Marktkapitalisierung kategorisiert und die Tatumstände von „leicht“ über „mittel“ bis „außerordentlich schwer“ eingestuft. Die für die Bemessung des Bußgelds maßgeblichen Grundbeträge ergeben sich dann für die jeweiligen Verstöße aus tabellarischen Übersichten.

Veröffentlichung von Bußen

Neben Bußgeldern kommen nach den neuen europarechtlichen Vorgaben auch noch andere Sanktionen in Betracht. Verstöße gegen das neue Marktmissbrauchsrecht (zum Beispiel bei unterlassenen Ad-hoc-Mitteilungen) können über die dargestellten Bußgelder hinaus präventiv zur Abschreckung durch sogenanntes Naming and Shaming geahndet werden. Hier werden verhängte Verwaltungssanktionen, wie zum Beispiel Bußgeldentscheidungen, grundsätzlich schon vor Rechtskraft unter Nennung des Verstoßes und unter voller namentlicher Benennung des Betroffenen für mindestens fünf Jahre auf der Internetseite der BaFin veröffentlicht.

Compliance-Management ist wichtig

Die Konkretisierungen durch die BaFin-Leitlinien machen die Ahndung von Verstößen besser vorhersehbar. Unternehmen, die von den neuen Regelungen betroffen sind, sollten - um es erst gar nicht zur Verhängung von Strafen kommen zu lassen - geeignete Compliance-Strukturen implementieren und diese überwachen. Ratsam ist es vor allem, auf die Erfordernisse im Unternehmen angepasste Prozess- und Ablaufbeschreibungen zu erarbeiten sowie Mitarbeiter und Führungskräfte zu schulen.
Jörg Baumgartner ist Rechtsanwalt bei CMS in Frankfurt am Main und im Geschäftsbereich Kapitalmarktrecht tätig. Er hat sich spezialisiert auf die kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtliche Beratung von in- und ausländischen Emittenten, börsennotierten Unternehmen sowie emissionsbegleitenden Banken bei Kapitalmarkttransaktionen (Equity und Debt Capital Markets). Sein Fokus liegt dabei auf der Strukturierung und Begleitung von Börsengängen, Kapitalerhöhungen und Zweitplatzierungen ebenso wie von Aktiendividenden, Anleihen und strukturierten Kapitalmarktprodukten. Zudem berät er zu Themen der kapitalmarktrechtlichen Compliance, wie zum Beispiel bei der Einhaltung kapitalmarktrechtlicher Folgepflichten (Ad-hoc- und Beteiligungspublizität, Insiderrecht).

Jörg Baumgartner studierte Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg. Nach dem erste Staatsexamen arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer internationalen Großkanzlei und war während des Referendariats mehrere Monate in einer Kanzlei in Washington D.C. tätig. Jörg Baumgartner kam im Jahr 2010 zu CMS. 2015/2016 absolvierte er ein Secondment bei einer Schweizer Großbank.