Die Grenzen der Vernunft

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Noch immer spielt das Coronavirus eine wichtige Rolle in den Schlagzeilen, seine sprunghafte Verbreitung und seine mögliche Auswirkung auf die Weltkonjunktur und auf die Börsen. Dazu nur ein paar Schlagzeilen: „Coronavirus trifft Wirtschaft ins Mark“ (Börsen-Zeitung vom 5.02.), „Zwangsferien bedrohen Handel“ (Handelsblatt vom 05.02.) und die Augsburger Allgemeine gewährte Holger Engelmann, dem CEO von Webasto, ein großes Interview. „Eine besondere Situation“ ist es überschrieben, schließlich bleibt die Unternehmenszentrale in Stockdorf, nachdem sich mehrere Mitarbeiter mit dem Virus infiziert haben, bis auf weiteres geschlossen. Wobei sich aber zumindest die Börse schon wieder gelangweilt zeigt, denn der Dax strebt bereits wieder neuen Höchstwerten zu.

Die Grenzen der Vernunft

Aus unserem Herzen sprach der Kommentar von Werner Rüppel in der Börsen-Zeitung (6.02.) mit der Überschrift „Angriff auf den Privatanleger“. Inhalt war nicht (nur) die Aktiensteuer, sondern vor allem das heimlich gegen Jahresende 2019 durchgewunkene „Gesetz über grenzüberschreitende Steuergestaltungen“. Darunter verbirgt sich, dass Anleger künftig Totalverluste bei Aktien nur noch bis zu einer Höhe von 10.000 Euro mit ihren Gewinnen und bei Termingeschäften grundsätzlich nur 10.000 Euro Verluste mit Gewinnen verrechnen können. Und das auch noch im Nachgang per Einkommensteuererklärung. Das führt zu einer asymmetrischen Besteuerung, so Rüppel, die wahrscheinlich vom Verfassungsgericht wieder gekippt werden wird – aber das kann Jahre dauern. Für uns als Börse stellt diese Regelung tatsächlich eine die Grenzen der Vernunft überschreitende Tatsache dar, insofern passt die Bezeichnung des Gesetzes vielleicht doch.

Tesla auf der Überholspur

Ein weiteres Thema: Die fulminante Marktkapitalisierung von Tesla, das inzwischen an der Börse so viel wert ist wie BMW und VW zusammen, wie Florian Gehm in seinem Kommentar in der Welt (Mittwoch) trocken feststellte – oder wie Daimler und VW zusammen, wie die FAZ (Mittwoch) konstatierte. „Das Märchen vom ‚Tesla-Killer‘“ hatte Gehm seinen Kommentar überschrieben. Die deutschen Autobauer hätte inzwischen ihre Hybris eingeholt, dachten sie doch, dass sie mit all ihrem Know-how auch in der Elektromobilität voranfahren würden. Weit gefehlt, derzeit sehen sie von Tesla nur die Rücklichter. Süffisante Überschrift in der Süddeutschen Zeitung zur Tesla-Aktie mit Blick auf den deutschen Konkurrenten: „sie läuft und läuft und läuft…“ Wobei erste Stockungen dann gegen Ende der Woche doch auftraten, man könnte also „stottern inbegriffen“ hinzufügen.

Das Dividendenfest

Wo bleibt das Positive? Da hätten wir die schöne Überschrift aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Dienstag „Das Dividendenfest möge beginnen“. Möge es! Kerstin Popon führt darin alle knapp 100 Unternehmen aus dem FAZ-Index samt ihrer Dividendenzahlungen 2019 und Prognose für 2020 auf – sortiert nach dem Zeitpunkt ihrer Hauptversammlung. Auch wenn 2020 geschätzt 5 Prozent weniger ausgeschüttet werden dürften als die 47,4 Mrd. Euro im Vorjahr, kommt da ein ganz schönes Sümmchen zusammen – und das in unserer Nullzinsphase.

Wohin mit der Zukunft?

Während die aktuelle Börse-Online titelt „Die Zukunft ist da!“ und „zehn Aktien zum Abheben“ präsentiert, verlegt sich Focus Money trocken auf „Die besten ETF-Strategien 2020“ auf der Titelseite. Wir geben zu, über erstere Überschrift länger nachgedacht zu haben, denn wenn die Zukunft bereits „da“ ist, wohin ist dann die Gegenwart gekommen? Aber wie sich aus dem Lesen des Artikels erschließt, geht es um die Trends, die das neue Jahrzehnt bestimmen werden. Welche gemeint sind? Sie reichen von Cyberkriminalität bis zu E-Sport und Künstliche Intelligenz, zum Beispiel.

Die Bürokratie lebt

„Es herrscht eine große Apathie“ warf Familienunternehmer Jürgen Heraeus der Bundesregierung im Interview mit dem Handelsblatt (5.02.) vor. Böse Zungen könnten behaupten, dass Thüringen sie jetzt wahrscheinlich wachgerüttelt hat, aber Haereus ging es um die Wirtschaftspolitik. Schön formuliert: „Nichts geht voran – außer der Bürokratie“. Wobei uns dazu der Satz des legendären Komikers Karl Farkas einfällt: „Zum Abbau der Bürokratie fehlen uns leider die nötigen Beamten“.
In die Reihe der amüsanten Überschriften gehört zweifellos die vom Handelsblatt-Titel vom 5. Februar: „Alphabet wird transparenter“. Unsere erste Reaktion: Das wird die Legastheniker unter uns freuen. Es ging aber dann doch um die Google-Mutter Alphabet und deren CFO, der ab sofort auch separate Umsätze für die Sparten Youtube und das Cloud-Geschäft präsentiert.

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