Joaquin Sorolla - Ein Meister des Lichts

Von Ulrich Kirstein
Sorolla: Das Nähen des Segels, 1896. Bild: Venise, Galleria Internazionale d'Arte Moderna di Ca' Pesaro
Wie konnte ein Maler Ende des 19. Jahrhunderts für so viel Aufmerksamkeit bei Kritikern wie Käufern sorgen, um Erfolg, auch wirtschaftlichen Erfolg, zu erzielen? Am besten stellt er auf einem der maßgeblichen Salons aus und ergattert eine der dort ausgegebenen Medaillen. Diese bringen nicht nur viel Ehre und einen gewissen Materialwert in Gold oder Silber, sondern so gelang auch der Weg in die Feuilletons der wichtigen Zeitungen und vielleicht gelang auch noch der Ankauf durch ein renommiertes Museum. Doch um hier als unbekannter Maler mit seinem Bild unter den in mehreren Reihen übereinander hängenden, hunderten Gemälden überhaupt wahrgenommen zu werden, musste man sich etwas einfallen lassen. Große Formate und oder auffällige Sujets plus eine Prise Modernität – aber nicht zu viel, sonst überzeugte man die Jury nicht - waren beispielsweise Türöffner zum Erfolg.
 
Virtuos spielte diese Klaviatur zum Beispiel der Münchner Maler Franz von Stuck zu Beginn seiner Karriere: »Die Sünde« von 1893 erfüllte den Tatbestand eines ausgefallenen und erotisch aufgeladenen Sujets und »Der Krieg« von 1894 war schon durch das Format kaum zu übersehen. Hinzu kam das Motiv eines über nackte Leichen reitenden, jungen und gleichfalls hüllenlosen Reiters. Beide Werke machten den Stuck (1863-1928) nachhaltig bekannt, anerkannt und (erfolg)reich.

Sorolla auf dem Weg zu internationale Berühmtheit

Ein Zeitgenosse von Stuck war der spanische Maler Joaquín Sorolla (1863-1923), dem die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München jetzt eine große Einzelausstellung gewidmet hat. Sorolla wollte unbedingt auf dem zwar konservativsten, aber  auch traditionsreichsten Pariser Salon, der Société des Artistes française, ausstellen und für Furore sorgen. 1894 zeigte er dort das großformatige Bild »Die Rückkehr vom Fischfang« und erhielt dafür nicht nur eine prestigeträchtige Medaille, das Bild wurde vom französischen Staat für das (damalige) Museum für zeitgenössische Kunst Musée des Luxembourg angekauft.
 
In der Nachfolge reüssierte Sorolla weltweit, von seinem Heimatland Spanien, über Frankreich, England bis in die USA. Auch in Deutschland war er immer wieder auf Ausstellungen vertreten, zum Beispiel in München im Glaspalast. Der von der Malerei des  Impressionismus begeisterte Berliner Museumsdirektor Hugo von Tschudi kaufte Bilder von Sorolla für die Berliner Nationalgalerie an. 1906 schließlich präsentierte Sorolla in der Galerie George Petit in Paris eine reiche Auswahl seiner Werke – 500 davon wurden für insgesamt 200.000 Francs verkauft – ein großartiger, auch finanzieller Erfolg für den nun endgültig weltweit arrivierten Maler.

Die Rückkehr vom Fischfang

Joaquín Sorolla, 1894

Publikumsmagnet im Prado

Noch 2009 war eine Ausstellung von Werken des spanischen Künstlers im Madrider Prado ein Publikumsmagnet sondergleichen – mit den höchsten Besucherzahlen, die der Prado je verzeichnete. Doch in Deutschland ist Sorolla noch immer selbst Fachkreisen kein Begriff. Das ist eigentlich die beste Voraussetzung, um Kunstwerke anzusehen und zu genießen: es gibt keine Beeinflussung von außen. Aber warum kennt einen in Spanien bis heute so bekannten Maler in Deutschland niemand?
 
Das liegt zum einen daran, dass es keine Bilder von ihm mehr in deutschen Museen gibt – die Berliner Werke wurden schon bald wieder verkauft, um einen van Gogh zu erstehen – und sicherlich auch an der Tatsache, dass er Moderne mit Tradition verband. Solche Künstler fallen gerne durchs Raster kunsthistorischer Gesamtschauen, lassen sie sich doch nur schwer in eine – idealisierte – Entwicklungslinie der modernen Kunst einreihen und in eine Schublade mit eindeutigem Etikett versenken.
 
So widmete sich Sorolla in seinem Frühwerk noch dezidiert einem auch sozialkritischen Realismus und war Malern wie Gustave Courbet oder Adolph von Menzel verpflichtet, dessen berühmtes »Eisenwalzwerk« er auf einer Ausstellung gesehen und bewundert hatte. Doch bald entdeckte der in València geborene Künstler das Meer für seine Kunst. So malt immer wieder Badende, meist Kinder, schwimmend, plantschend, am Strand spielend, um ein Boot kreisend. Das Wechselspiel von nackter, nicht selten sonnenverbrannter Haut, schäumender Brandung, praller Sonne und Strand bannte er zu immer wieder neuen Kompositionen.
 
Um das Licht einfangen zu können, den Augenblick zu halten, schuf er eine Fülle an Skizzen, die in ihrer Leichtigkeit oft vielleicht mehr überzeugen als die ausgeführten Gemälde. Sorolla war ein Schnellmaler, nicht zu vergleichen mit einem Max Liebermann, auch wenn manche Bilder durchaus an diesen erinnern. Eher beeindruckten seine sonnendurchfluteten, ja fluoreszierenden Bilder den viel älteren Claude Monet.

Anrührend bis heute

In der mit dunkelvioletten Wänden in verschiedenen Farbschattierungen schön gestalteten Ausstellung werden 120 Werke des spanischen Meisters gezeigt. Der Betrachter erhält damit einen repräsentativen Querschnitt durch die Werke des spanischen Ausnahmekünstlers: von den frühen, sozialkritischen Themen bis zu den Meeres- und Strandszenen. Als Scharnier zwischen beiden mag »Das traurige Vermächtnis« dienen, das kranke und behinderte Kinder unter der Obhut eines Mönchs am Meer zeigt – ein bis heute unmittelbar anrührendes Gemälde, entstanden nach einer wirklichen Begebenheit am Strande von València.
 
Beeindruckend aber sind auch die vielen Porträts, die Sorolla außerdem noch gemalt hat und die mit leichtem Strich das Gegenüber meist in dessen Umgebung ganz unmittelbar zeigen. Auch seine Familie, seine Frau Clotilde und seine drei Kinder, malte Sorolla wieder und wieder. Clotilde im Kindbett mit dem dritten Kind, noch bleich und erschöpft sich dem Säugling zuwendend, wird vielen Betrachtern so schnell nicht mehr aus dem Sinn gehen.

Das traurige Vermächtnis

Joaquín Sorolla, 1899
Die Auswahl der Bilder und Skizzen haben die beiden Kuratorinnen María López Fernández und Blanca Pons-Sorolla mit großem Respekt vor dem Werk und der Persönlichkeit des Malers getroffen. Ihnen ist damit eine sehenswerte Ausstellung eines bei uns ganz und gar unbekannten Malers gelungen. Zu Ausstellung gibt es einen reich bebilderten, vielleicht etwas hymnisch geschriebenen Katalog, sowie ein umfangreiches Begleitprogramm.
 
Zum Beispiel werden unter dem Titel After Work – Spanische Abende in der Kunsthalle jeden dritten Mittwoch im Monat Öffnungszeiten bis 22:00 Uhr angeboten. Im Museums-Café kann man den Abend so sogar noch eine halbe Stunde später und mit spanischer Background-Musik ausklingen lassen.
Joaquín Sorolla, Spaniens Meister des Lichts, 4. März – 3. Juli 2016, täglich 10:00 bis 20:00 Uhr
Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, Theatinerstraße 8 in den Fünf Höfen, 80333 München
Begleitprogramm
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