Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Die Woche hatte einiges zu bieten, nur kein Sommerloch, in das man träumend hätte stolpern können. Das Nachhängen über die Wahlen in Thüringen und Sachsen, die Horrormeldungen von Volkswagen, die Enttäuschung über weniger hohe Gewinnsteigerungen als erwartet bei Nvidia – das ist allerdings Jammern auf sehr hohem Niveau - füllten die Tage. Und nicht zuletzt gilt der September auch noch als schlechter Börsenmonat und schien das sofort unter Beweis stellen zu wollen. Dazu gibt’s selbstverständlich auch die passenden Schlagzeilen: „Desaster für die Ampel-Koalition in Berlin“, Börsen-Zeitung und „Topökonomen und Verbände warnen vor wirtschaftlichen Konsequenzen“, manager magazin. „Endspiel um VW“, Handelsblatt oder „Orkan über Wolfsburg“, Börsen-Zeitung. „Nvidia Aktie erleidet Rückschlag, trotz hervorragender Quartalszahlen. Ist der Hype nun passé“, Münchner Merkur und „Feind der Aktien? Der September ist besser als sein Ruf“, Handelsblatt.

Perfekt, stark und günstig

Ein wenig ähneln sich die Titelbilder von Focus Money und Börse Online schon, zumindest auf den ersten Blick. Und den zweiten. Jedes Mal steht ein Bulle aufrecht und frontal im Bild, einmal trägt er eine Weltkugel unter dem linken Arm, einmal liegt sie vor ihm wie die Glaskugel einer Wahrsagerin. Mit Anzug und Krawatte präsentiert für Focus Money der Börsen-Bulle „das perfekte Welt-Depot“, im antiken Herkulesgewand für Börse Online „die stärksten Aktien der Welt…die auch noch günstig sind“. Davon hebt sich Der Aktionär deutlich ab, denn er zeigt uns das – rostende – Innere eines Chips, verbunden mit der Frage: „KI – alles aus? Die Börse zweifelt plötzlich an KI und Nvidia – so sollten Anleger jetzt handeln“. Wie, verraten wir wie immer aber nicht.

Sünde

Kann denn Liebe Sünde sein, fragte, sang Zarah Leander unverwechselbar in dem 1938 gedrehten Film „Der Blaufuchs“. Bekanntlich fängt das Lied an mit den Zeilen: Jeder kleine Spießer macht / das Leben mir zur Qual, / denn er spricht nur immer von Moral. Nun mögen nicht nur kleine Spießer in ESG-konforme Produkte investieren, aber wie immer gibt es auch Gegentendenzen und so fragt die Börsen-Zeitung in Anspielung an Zarah Leander: „Kann Rendite Sünde sein?“ Es geht um „Sin Stocks“, Sündenaktien aus den Bereichen fossile Energien, Alkohol, Tabak oder Rüstung, die „moralisch fragwürdig“ seien. Allerdings ändern sich unsere moralischen Einstellungen mit den Zeitläuften: Rüstungsaktien haben einen Lauf und Cannabis erfährt nach der teilweisen Legalisierung eine andere Form der Wertschätzung. Der Romantiker Friedrich Schlegel wusste es seinerzeit schon besser: „Wo Politik ist oder Oekonomie, da ist keine Moral“. Bruno Balz, der Texter des genannten Schlagers (und vieler weiterer) wurde im Übrigen wegen seiner bekennenden Homosexualität während des Dritten Reiches mehrmals ins Gefängnis und beinahe ins KZ gesteckt.

Arbeit

Menschen zu fragen, ob sie mehr oder weniger arbeiten wollen, ist in etwa so, als ob man Schüler fragen wollte, ob sie mehr oder weniger Hausaufgaben haben möchten. Die Antwort fällt einigermaßen verlässlich aus: „Deutsche Arbeitnehmer wollen weniger arbeiten – selbst bei Lohneinbußen“, schreibt die WirtschaftsWoche. Bei den Schülern wären wohl eher Noteneinbußen zu beklagen. Mehr als die Hälfte der Arbeitenden würde gerne weniger arbeiten und ein Drittel würde das sogar mit Einbußen erkaufen. Mehr, also länger zu arbeiten, lehnt mehr als die Hälfte ab. Dem widerspricht Deutsche-Bank-Chef Christian Sewig im Handelsblatt: „Wir alle müssen wieder mehr arbeiten“, womit er auch länger arbeiten meint. Wenn wir wieder einmal vor einer geschlossenen Bankfiliale stehen, werden wir Zeit haben, darüber nachzudenken. Und im Andenken an Bruno Balz summen wir dabei abwechselnd: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“ und trotzig „Davon geht die Welt nicht unter“.