Die Rezession wird überschätzt

Natasha Ebtehadj, Columbia Threadneedle
Natasha Ebtehad / Bild: Columbia Threadneedle
2022 war das Jahr des Bewertungs-Resets, in dem viele Volkswirtschaften die Phase des nahezu "freien Geldes" während der COVID-19-Pandemie hinter sich gelassen haben und die Zinssätze nach den zuletzt historischen Tiefstwerten sprunghaft angestiegen sind. Größtenteils konnten die Erträge dem Druck der höheren Kapitalkosten, der steigenden Inflation sowie der unsicheren Nachfrage jedoch standhalten. Das ist zum Teil auch auf außergewöhnliche Preismacht zurückzuführen; die "alles ist teurer"-Einstellung wurde zur Norm.

Keine Wiederholung des Preisschocks

Für das Jahr 2023 erwarten wir keine Wiederholung des Preisschocks, der die Aktienmärkte im Jahr 2022 belastet hat. Dieses Jahr wird es vielmehr darum gehen, welche Unternehmen die höheren Kosten – seien es Zinskosten oder Lohnkosten - verkraften können und welche darunter leiden werden – insbesondere dann, wenn sie mit einer weltweit nachlassenden Nachfrage konfrontiert werden.

Allerdings sind die Märkte natürlich auf die Zukunft gerichtet. Die bevorstehende Rezession ist wohl eine der am meisten überschätzten in der Geschichte. Einige Unternehmen haben ihre Gewinnerwartungen stark zurückgeschraubt, blicken aber bereits auf eine mögliche wirtschaftliche Erholung noch in diesem Jahr.

Gründe für Optimismus

Es gibt durchaus Gründe, optimistisch zu sein: China öffnet seine Wirtschaft viel schneller als erwartet, die Arbeitsplätze bleiben größtenteils erhalten, die Lohninflation geht zurück und die Energiekosten sinken. Der Dämpfer für das globale Wachstum könnte sich als nicht so dramatisch erweisen, wie im letzten Jahr noch viele befürchtet haben.

Die tatsächliche Marktentwicklung bleibt jedoch der Willkür der politischen Entscheidungsträger überlassen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Entwicklung der Inflation, die sich schwieriger gestalten könnte als gedacht.

Ein Blick auf Aktien

Nach dem Neustart im Jahr 2022 bieten wieder mehr Aktien Bewertungsmöglichkeiten. Wir haben uns darauf konzentriert, diejenigen zu finden, deren Erträge wahrscheinlich stabil bleiben oder die das Schlimmste des erwarteten Abschwungs bereits eingepreist haben. Zu letzteren gehören die Halbleiterhersteller, die nach wie vor einer unserer bevorzugten Sektoren sind. Aktien entwickeln sich in der Regel frühzeitig in Erwartung einer wirtschaftlichen Erholung. Und wir sind der Meinung, dass die schlechten Nachrichten hier bereits eingepreist sind. Und die strukturellen Faktoren, die die langfristige Nachfrage stützen, sind noch nicht verschwunden.
Natasha Ebtehadj, Portfolio Manager, Global Equities bei Columbia Threadneedle