It’s Always Darkest Before the Dawn

Thomas Metzger, Bankhaus Bauer AG
Thomas Metzger / Bild: Bankhaus Bauer AG
Für die globalen Finanzmärkte entsprach das Umfeld aus hoher politischer Unsicherheit, stark steigenden Zinsen und einer konjunkturellen Schwächephase im vergangenen Jahr gewissermaßen dem Worst-Case-Szenario. An den Börsen waren deutliche Kursverluste die Folge. Auffällig war indes die deutliche Divergenz zwischen europäischen und amerikanischen Aktien im vierten Quartal. Während sich Euro Stoxx und DAX deutlich von ihren Tiefständen Ende September erholen konnten, blieb die Entwicklung der amerikanischen Pendants imletzten Viertel des Jahres deutlich dahinter zurück. Im Endergebnis stehen für alle westlichen Indizes in 2022 zweistellige Rückgänge zu Buche, wobei die der europäischen noch moderat ausfielen. 2023 dürfte kein leichtes, aber ein besseres Jahr für Investoren werden.

Doch mehr wirtschaftliche Dynamik als befürchtet?

Im Hinblick auf die Entwicklung der Weltwirtschaft sind wir sind nicht so pessimistisch wie der Konsens der Marktteilnehmer bzw. Analysten, welche überwiegend für Europa und Deutschland mit einer Rezession rechnen. Es gab zuletzt einige ermutigende Signale von verschiedenen makroökonomischen Indikatoren und auch die Versorgungssicherheit mit Energie sieht nicht so düster aus wie befürchtet. Natürlich drücken nach wie vor die hohen Preissteigerungen, verunsicherte Verbraucher, steigende Zinsen und geopolitische Risiken auf die wirtschaftliche Dynamik. Allerdings haben viele Unternehmen bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass sie auch mit schwierigen Rahmenbedingungen flexibel umgehen und Lösungen finden können. Insofern kalkulieren wir lediglich mit einem leichten Minus für Deutschland sowie einem leichten Plus für Europa und die USA, was das BIP-Wachstum 2023 angeht. Die Weltwirtschaft insgesamt wird schwächer wachsen als letztes Jahr. Die Gewinne der Unternehmen dürften unseres Erachtens weltweit leicht zulegen.

Am dunkelsten ist die Nacht vor der Dämmerung

Für die Entwicklung der Aktienmärkte in den nächsten 12 Monaten sind wir dementsprechend vorsichtig optimistisch. Ein großer Teil des Zinserhöhungspfads, vor allem in den USA, scheint hinter uns zuliegen. Die Vertreter der US-Fed sehen für Ende 2023 derzeit einen Leitzins von ca. 5,1 Prozent, was einem Anstieg von knapp einem Prozentpunkt gegenüber dem aktuellen Niveau entspricht. Dabei ist davon auszugehen, dass der Zielsatz bereits etwa zum Ende des ersten Quartals, spätestens im Laufe des zweiten Quartals, erreicht wird. Durch das hohe Tempo der US-Fed im vergangenen Jahr und nicht zuletzt aufgrund des Basiseffekts, dürfte der Druck von Seiten der Inflation auf die Notenbank abnehmen. Mit anderen Worten: Der geldpolitische Gegenwind sollte sukzessive abflauen. Zwar besteht gleichzeitig das Risiko einer Rezession in den USA, jedoch stehen die Chancen gut, dass diese nicht allzu ausgeprägt sein wird. Sollte die Notenbank die Finanzmärkte nicht über die bereits kommunizierten, zu erwartenden Schritte hinaus, negativ überraschen und das sogenannte „soft landing“, also eine Abschwächung aber kein Absturz der Wirtschaft, Realität werden, dürften Schwächephasen des Marktes im ersten Quartal eher Kaufgelegenheiten darstellen. Gerade für die zweite Jahreshälfte sind wir optimistisch und erwarten Kursanstiege, sobald der Zinserhöhungspfad abgeschlossen und der konjunkturelle Tiefpunkt erreicht ist. Da die Aktienmärkte der wirtschaftlichen Entwicklung vorauslaufen, sollte sich das Bild an den Finanzmärkten schon aufhellen, bevor sich auch konjunkturell wieder ein konstruktiveres Umfeld zeigt. Als größtes Risiko für unser Szenario erachten wir die Möglichkeit einer zu restriktiven Geldpolitik durch die Notenbanken. Da die Auswirkungen der Zentralbankmaßnahmen auf Inflation und Wirtschaft erst verzögert zu beobachten sein werden, besteht die Gefahr einer zu energischen Strategie der Währungshüter.

Defensive Haltung der Investoren dürfte Kursrückgänge begrenzen

Gefährlich wird es an der Börse oft, wenn die Marktteilnehmer plötzlich mit einem Belastungsfaktor konfrontiert werden, dessen Auswirkungen zunächst schwierig einzuschätzen sind. Nun sind die hohen Energiepreise, restriktiv agierende Notenbanken und der Krieg in der Ukraine keine grundsätzlich neuen Themen, sondern mittlerweile bekannt und in einer eher defensiven Haltung vieler Investoren verarbeitet. Insofern rechnen wir dieses Jahr nicht mit den teilweise deutlichen Kursrückgängen, die wir 2022 am Aktienmarkt gesehen haben. Die hohe Volatilität dürfte uns allerdings erhalten bleiben. Im Hinblick auf die genannten Themen hat sich zwar ein gewisser Gewöhnungseffekt eingestellt, hier ist aber immer noch genügend negatives aber auch positives Überraschungspotenzial vorhanden, um die Notierungen ordentlich zu bewegen. Helfen könnte, dass die Erwartungshaltung an die Notenbanken bei den Marktteilnehmern auf einem realistischen Niveau verankert sind. Mitte 2022 war dies anders. Die restriktive Haltung insbesondere der Fed wurde unterschätzt, was auch den Aktienmarkt belastete.
Thomas Metzger (44) ist seit 15 Jahren Leiter Vermögensverwaltung beim Stuttgarter Bankhaus Bauer. Bereits zuvor war er im Portfolio Management, Wertpapierhandel und Aktien-Research sowie für mehrere Banken in den USA tätig. Zusätzlich doziert er an mehreren Hochschulen zu den Themengebieten Portfolio Management und derivative Finanzinstrumente. Bei einem breiten Publikum hat sich Metzger durch seine zahlreichen TV-Interviews, Fachbeiträge etc. einen
Namen als Investmentspezialist gemacht.

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

UC DAX 17.752,20 -0,10%
close

Populäre Aktien