Rückenwind für chinesische Anleihen

Pritpal Lotay und Ian Chong, Nikko AM
Pritpal Lotay und  Ian Chong / Bild: Nikko AM
Chinas Rentenmarkt ist größer als die Märkte von Deutschland und Frankreich zusammen. Der chinesische Anleihemarkt gliedert sich in die Bereiche Onshore-Yuan, Offshore-US-Dollar und Offshore-Yuan (Dim-Sum-Anleihen). Ausländische Investoren engagieren sich in erster Linie an den vertrauteren Offshore-Märkten, die traditionell leichter zugänglich waren. Der Offshore-Markt macht jedoch nur einen kleinen Teil des gesamten chinesischen Anleihemarktes aus. Der Onshore-Markt bietet eine Fülle ungenutzter Möglichkeiten für ausländische Investoren, von Staatspapieren bis hin zu Unternehmensanleihen. Aktuelle Chancen für Anleger ergeben sich aus den fünf folgenden Gründen.

Fünf Gründe für Anleger

1. Chinas Onshore-Markt öffnet sich
Der Onshore-Anleihemarkt hat sich für internationale Anleger geöffnet; Beschränkungen wurden aufgehoben. Heute können sich ausländische Investoren einfach für ein Zugangsprogramm registrieren lassen. Hinzu kamen Marktreformen wie eine erweiterte Handelsabwicklung, mehr Flexibilität im Devisenhandel und verlängerte Handelszeiten.
 
China-Anleihen sind inzwischen in drei großen globalen Anleihenindizes (Bloomberg Global Aggregate Index, JP Morgan GBI-EM Index und FTSE World Government Bond Index) mit Gewichtungen zwischen 5 und 10 Prozent enthalten. Die Aufnahme in letzteren ist besonders bedeutsam, gilt er doch als Index für Anleihen aus Industrieländern, für den strenge Aufnahmekriterien gelten, z. B. Liquiditätsanforderungen und eine Mindestbonität (A- von S&P und A3 von Moody's). Die Aufnahme in den Index verleiht Chinas Markt mehr Glaubwürdigkeit bei globalen Anleiheinvestoren.
 
Vermögensverwalter können damit eine Vielzahl von Lösungen anbieten, die Anlegern einen einfachen Zugang zu diesem Markt ermöglichen. Ausländische Anleger haben ihr Engagement in chinesischen Onshore-Anleihen, insbesondere in Staatsanleihen, bereits deutlich erhöht. Auch bei Onshore-Unternehmensanleihen und von Onshore-Zinsderivaten hat der Markt großes Entwicklungspotenzial.
 
2. Mit China-Bonds Risiken streuen
China-Anleihen korrelieren nur wenig (unter 0,25) mit anderen wichtigen Anleihemärkten – ein Vorteil für die Portfoliodiversifizierung. Die niedrige Korrelation spiegelt die Reaktionen der Anlageklasse auf die Zyklen der chinesischen Binnenwirtschaft und Politik wider, nicht die der globalen Märkte. China hat eine große Binnenwirtschaft, deren Zyklen nicht immer mit denen der übrigen Welt übereinstimmen.
 
Beispiel März 2020: Da führte die Ausbreitung von Corona weltweit zu einer erhöhten Marktvolatilität und zu schwierigen Liquiditätsbedingungen, von denen nicht einmal der US-Markt verschont blieb. Vergleichsweise ruhig blieb der chinesische Onshore-Rentenmarkt. Dies lag an der geringen Beteiligung ausländischer Anleger, so dass heimische Investoren die Verkaufsströme leicht auffangen konnten.
 
Die Korrelations- und Diversifizierungsvorteile können mit zunehmender Beteiligung ausländischer Anleger schwächer werden, dürften aber auf absehbare Zeit erhalten bleiben. Es wird einige Zeit dauern, bis ausländische Anleger eine nennenswerte Präsenz aufgebaut haben. Derzeit besitzen sie weniger als 10 Prozent der Onshore-Staatsanleihen und nicht einmal 5 Prozent des gesamten Onshore-Anleihemarktes.
 
3. Niedrigere Schwankungen, risikobereinigte Renditen
Chinesische Onshore-Anleihen weisen in der Regel eine geringere Volatilität auf als Anleihen anderer Länder. Dazu hat die chinesische Zentralbank mit einem deutlich verbesserten Liquiditätsmanagement beigetragen. Seit 2018 gab es nur wenige Liquiditätsengpässe auf dem Onshore-Anleihemarkt, und sie erreichten nicht das Ausmaß von früher. Im Vergleich zu anderen wichtigen festverzinslichen Anlageklassen hat der Markt in der Vergangenheit wettbewerbsfähige risikoadjustierte Renditen geboten.
 
4. Renminbi weltweit immer beliebter
Die Anerkennung des Renminbi als wichtige globale Währung nimmt zu. In den vergangenen zehn Jahren hat sich Chinas Währung internationalisiert und wird weltweit immer häufiger verwendet. China kann mit über 100 Ländern den Handel in Renminbi abwickeln. Darüber hinaus wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 42 Prozent der grenzüberschreitenden Zahlungen Chinas in Renminbi abgewickelt. In mehr als 70 Ländern wird der Renminbi als Reservewährung gehalten, mit steigender Tendenz.
 
5. Unterperformance des Renminbi bietet Chancen
Der Renminbi hat nach dem Kurswechsel der Fed im laufenden Jahr gegenüber dem starken US-Dollar deutlich an Wert verloren. Er bleibt aber attraktiv: Chinas Zahlungsbilanz ist nach wie vor positiv, das Land erzielt hohe Handelsüberschüsse. Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist China ein wichtiger Handelspartner für die wichtigsten Länder. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die Nachfrage nach der Währung in absehbarer Zukunft einbrechen wird.  
 
Chinas Notenbank kann verschiedene geldpolitische Instrumente einzusetzen, darunter auch Notfall-Liquiditätsregelungen, um die Wirtschaft zu beleben und den Renminbi zu stimulieren. In den letzten Jahren haben Zentralbanken in Südostasien ihre Vereinbarungen mit der PBOC erneuert, was die Verwendung des Dollars im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr reduziert und ihre Abhängigkeit vom Dollar verringert. Da die US-Zinserhöhungen allmählich nachlassen dürften und China seine lockere Geldpolitik fortsetzt, sollte sich das Abwertungsrisiko verringern.

Fazit: Positiver Ausblick

Unser langfristiger Ausblick für chinesische Anleihen ist positiv. Der zweitgrößte Anleihenmarkt der Welt hat noch viel Raum für Wachstum und reichlich Rückenwind. Der Markt korreliert kaum mit anderen Anlageklassen und weist eine historisch niedrige Volatilität auf, profitiert von der fortschreitenden Internationalisierung des Renminbi und von der Aufnahme in weltweit anerkannte Indizes. Kurz: Chinas Anleihenmarkt bietet eine hochwertige Anlagemöglichkeit. Die derzeitige Schwäche des Renminbi bietet Anlegern mit langfristigem Zeithorizont zusätzlich Chancen.
Pritpal Lotay ist ETF-Spezialist und Ian Chong Senior Portfolio Manager von Nikko Asset Management,