Ein Symbol (Nord-)Amerikas: Das Empire State Building / Foto: Homburg
Denkt man in Deutschland an Amerika, dann denkt man vor allem an die USA. Das liegt einerseits daran, dass die Begriffe in der deutschen Sprache synonym verwendet werden. Allerdings liegt es auch an der Omnipräsenz US-amerikanischer Einflüsse. Das gilt natürlich für den kulturellen Bereich, aber vor allem für die Wirtschaft. Und oft genug verschwimmen diese beiden Gebiet. »Unser« Weihnachtsmann wurde von Coca Cola erfunden – und McDonald’s war Hauptsponsor bei der Fußball-Europameisterschaft. Doch genug davon. Denn Amerika ist natürlich viel mehr. Es ist ein Kontinent, respektive zwei Kontinente, auf deren Gebiet sich verschiedenste Sprachen, Klimazonen und Ethnien vermischen. So divers die amerikanischen Kulturen sind, so unterschiedlich stehen die Staaten wirtschaftlich da. Von rohstoffreichen, sozialistisch geprägten Ländern bis hin zu knallhart kapitalistischen Industrienationen ist das gesamte Spektrum abgedeckt.
 
Die Studie Amerika - Wohlstand, Aufstieg und verpasste Chancen der Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung (GfK) sowie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung vergleicht sowohl nord- und zentralamerikanische als auch südamerikanische Staaten. Im Mittelpunkt stehen ökonomische beziehungsweise sozioökonomische Faktoren. Manche Erkenntnisse der Untersuchung wirken zunächst wenig überraschend – andere hingegen hätte man so wohl nicht erwartet. Die folgenden beiden Abschnitte machen Sie bei der nächsten Diskussion auf jeden Fall zu einem Amerika-Experten.

Politik: Stabilität ist anders

Die USA gelten als eines der Mutterländer der Demokratie. Zusammen mit Kanada kann Nordamerika als Beispiel für gute Regierungsführung gelten. Auf dem mittleren und südlichen Teil des Kontinents sieht das jedoch ganz anders aus. Nach Militärputschen, Diktaturen und autoritären Regimen begann erst nach und nach ein Demokratisierungsprozess. Die letzten Jahrzehnte waren, trotz einiger Dämpfer, die längste demokratische Phase in diesen Regionen. Noch bis in die 1990er Jahre war es dort zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen. Das ist heute größtenteils Geschichte, auch wenn die Qualität der Regierungsführung sich in den einzelnen Staaten erheblich unterscheidet.

Nur Costa Rica, Chile und Uruguay verfügen über gefestigte demokratische Systeme. Sie stehen »westlichen« Ländern in nichts nach. Solche wirklich stabile Demokratien bilden allerdings die Ausnahme. Rechte, die in Europa meist als selbstverständlich hingenommen werden, wie Presse- oder Meinungsfreiheit, sucht man in vielen Staaten Südamerikas vergeblich. Bürgerrechte? Gewaltenteilung? Fehlanzeige. Stattdessen sind Korruption und Willkür vielerorts immer noch an der Tagesordnung, Reformversuche versinken im Bürokratiesumpf.

 
Dies gilt für wirtschaftlich schwache Länder wie Guatemala oder Honduras, allerdings landet auch das wirtschaftlich stärkere Brasilien im unteren Bereich des Politik-Vergleichs. Sozialistische Staaten, wie Venezuela, schotten sich wirtschaftlich ab – das verschreckt Investoren. Vor allem Venezuela, Bolivien und Argentinien schneiden im Politik-Rating schlecht ab, wenn man ihren Stand mit den anderen untersuchten Themen, wie der Wirtschaft, vergleicht. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung Lateinamerikas wächst. Proteste, die zu gewaltsamen Ausschreitungen und Krawallen mutieren, sind keine Seltenheit. Zuletzt kam es in diesen Ländern immer wieder zu großangelegten, häufig eskalierenden Demonstrationen. Für die kommende Zeit zeichnen sich Regierungswechsel ab. Solche Regierungswechsel laufen heutzutage immerhin meist demokratisch ab, nicht durch Militärputsche oder manipulierte Wahlen. Das zeigt, dass zumindest das Konzept »Demokratie« in Südamerika viel stärker verwurzelt ist, als noch vor einigen Jahren.

Wirtschaft: Ungleichheit in verschiedenen Dimensionen

Im Bereich der Wirtschaft treten die gravierenden Unterschiede zwischen den amerikanischen Ländern besonders hervor. Das BIP pro Kopf in den USA und Kanada ist 60- bis 65-mal so hoch wie im ärmsten Staat, Haiti. Die Kluft zwischen Nord und Süd ist deutlich: Selbst in dem einkommensstärksten Land Lateinamerikas, Urugay, beträgt das BIP pro Kopf nur ein Drittel des Wertes der nordamerikanischen Industrienationen. Auf der anderen Seite entfalten viele schwächere Staaten ein enormes Wachstumspotential. So konnte sich Panama als Güter- und Finanzdrehkreuz etablieren und erreicht im Vergleich der ökonomischen Globalisierung den höchsten Wert. Im Gegensatz dazu betreiben viele südamerikanischen Länder, wie Venezuela oder Brasilien, eine protektionistische Politik. Durch Zölle und strikte Einfuhrbestimmungen soll die heimische Produktion sich unabhängig vom Weltmarkt entwickeln.

Mit Rohstoffen die Gunst der Wähler erkauft

Allerdings ist die Wirtschaft Lateinamerikas, mit Ausnahme von Panama und Mexiko, nach wie vor stark von Rohstoffen abhängig. Die Weiterverarbeitung der Rohstoffe folgt dann jedoch in anderen Regionen – die Technisierung bleibt auf der Strecke. Durch Rohstoffexporte greift auch der Staat, über Steuern, seinen Teil der Gewinne ab. So konnten sich linke Regierungen in den 2000er Jahren die Gunst des Volkes sichern, indem sie ihre Einnahmen in Sozialprogramme investierten. Die Gefahren für die Umwelt, die beim Rohstoffabbau entstehen, werden dabei meist außer Acht gelassen.
 
Der Verfall der Rohstoffpreise in den letzten Jahren stürzte Lateinamerika in eine Krise. Als Folge sinken die Wachstumsaussichten rapide, während gleichzeitig die Inflationsraten steigen und die Währungen an Wert verlieren. Die Regierungen diskutieren die Anhebung des Leitzinses, um der Inflation entgegenzuwirken. Allerdings würde das die Nachfrage auf den Binnenmärkten weiter verringern und außerdem eine noch stärkere soziale Ungleichheit bedeuten. Schon heute nimmt der Gini-Koeffizient, der die Einkommensverteilung in einer Bevölkerung misst, in lateinamerikanischen Ländern die höchsten Werte weltweit an. Zumindest hierbei ähnelt man den USA – auch dort herrscht eine große Ungleichheit der Einkommensverteilung.

 

Wer mehr zum Thema Amerika erfahren möchte, findet weitere Informationen und Ansprechpartner auf der Website des Berlin-Instituts. Die Studie selbst ist allerdings Mitgliedern der GfK vorbehalten.

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