Weder Rezession noch ihre Vermeidung Ziel der Notenbanken

Christian Nemeth, Zürcher Kantonalbank Österreich AG
Christian Nemeth / Bild: Zürcher Kantonalbank Österreich AG
Die starke Inflation und Konjunktursorgen, in Europa zusätzlich befeuert durch die Energiekrise, strapazieren die Nerven der Marktteilnehmer. Einmal mehr wird von den Notenbanken erwartet, dass sie handeln. Deutlich steigende Leitzinsen sind die logische Folge. Die dementsprechende Ankündigung der US-Notenbank enttäuscht die Sehnsucht der Aktienanleger nach einem raschen Ende der restriktiven Geldpolitik. Ein kurzfristiger Schmerz ist langfristigen wirtschaftlichen Beschwerden vorzuziehen, so das Motto. Die Notenbanken sind nicht dazu da, es allen recht zu machen – sie kehren vielmehr zu ihren traditionellen Rollen zurück.
Jerome Powell hat wie erwartet beim Meeting in Jackson Hole Ende August zum weiteren Kurs der Fed Stellung bezogen. Man müsse sich darauf einstellen, dass es eher zu einer längeren Zinsanhebungsphase kommen werde. Denn die Inflation bildet sich im Moment nicht zurück, selbst in den von der Energiekrise nicht so sehr betroffenen USA. Wir rechnen für Ende 2022 weiterhin mit einem Leitzinsniveau von 4 Prozent und erwarten beim Zinsentscheid der Fed am 21. September eine Erhöhung um 75 Basispunkte.

Akupunktur besser als langfristiger Schmerz

Powell zufolge sei es vielleicht besser, kurzfristig einen gewissen Schmerz zu erzeugen, als die Inflation aus dem Ruder laufen zu lassen. Das würde nicht nur die Finanzmärkte, sondern auch die Realwirtschaft stark schwächen. Dann würde den Unternehmen die Kalkulationsbasis fehlen, was zu großen Verwerfungen im Wirtschaftsleben und auch unangenehmen Effekten im Bereich der Verteilung führt. Wenn Preissteigerungen erwartet werden, könnten etwa Güter bewusst zurückgehalten werden. Verzerrungen wie diese will niemand und daher ist es wohl besser, für gewisse Zeit in den sauren Apfel zu beißen. Die Fed versucht derzeit, mehr auf das sogenannte „Frontloading“ zu setzen. Das bedeutet, durch schnelleres Handeln in Form von kurzfristig stärkeren Anhebungen rascher einen Effekt zu erzielen als in weiterer Folge ein Niveau in Kauf zu nehmen, das für die Wirtschaft nicht verträglich ist. In Europa ist die Situation komplizierter, weil die Region viel heterogener ist.
 
Wir haben etwa in Frankreich eine Inflationsrate von „nur“ etwas mehr als sechs Prozent, in den baltischen Staaten hingegen liegt sie bei bis zu 25 Prozent. Dieses Problem haben die USA nicht, die Unterschiede zwischen West- und Ostküste sind geringer. Was noch dazu kommt ist, dass wir in Europa mit der Gasabhängigkeit ganz anders betroffen sind, unser Wirtschaftswachstum generell nicht so stark ist und wir auch Schulden-Sorgenkinder wie Italien haben. All das führt zu einer Gemengelage, in der die europäische Zentralbank nicht nur auf die Wirtschaftsdaten schauen kann. Gerade am aktuellen Rand hat die EZB aber in dieser schwierigen Frage Haltung bewiesen. Mit der Entscheidung den Leitzinssatz um 0,75 Prozent zu erhöhen unterstreicht sie die Wichtigkeit der Stabilität des Euros. In den letzten Jahren wurde immer wieder über eine zu lasche Haltung und Anlehnung an die Politik debattiert. Auch wenn der Inflationstrend damit noch nicht unmittelbar gebrochen wird, ist der erfolgte große Zinsschritt als markantes Zeichen zu werten.

Fokus der Notenbanken wieder mehr auf Preisstabilität

Es ist wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass das primäre Mandat der Notenbanken nicht die Wirtschaftspolitik – hier sind Regierungen zuständig – sondern Preisstabilität ist. Die Notenbank hat kein Interesse daran, eine Rezession heraufzubeschwören. Aber auch wenn diese der Preis wäre, müsste sie sich auf alle Fälle auf ihr ursprüngliches Mandat rückbesinnen. Wir rechnen in unseren aktuellen Prognosen, dass die europäische Wirtschaft Ende des Jahres in eine zumindest kurzfristige Rezessionsphase fallen wird.
Hauptauftrag der Notenbanken ist derzeit ganz klar die Sicherung der Geldwertstabilität. Notenbanken haben zwar keine direkte Handhabe auf Preise. Sie können nur über Zinsen die Angebots- und Nachfrageseite beeinflussen. Indem sie die generellen Finanzbedingungen am Markt verschärfen und die Zinsen anheben, wird in Folgewirkung weniger Nachfrage erzeugt und dadurch kommt es wieder zu einem besseren Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage. Damit sollten die Preissteigerungen zumindest nicht weiter voranschreiten und sich dann mittelfristig wieder zurückbilden.

Inflationsbekämpfung Teil der Notenbank-DNA

Dieses prinzipielle Muster der Notenbankpolitik ist vielleicht ein wenig in Vergessenheit geraten, weil wir in den letzten 10, 20 oder 30 Jahren eher von Deflationsängsten gesprochen haben. Das war die Phase, wo die Notenbanken mit unkonventionellen Maßnahmen wie Quantitative Easing oder Kurvenkontrolle wie in Japan gearbeitet haben. Jetzt kommt eher wieder das traditionelle Instrumentarium zum Einsatz und das ist vielleicht für einige ein wenig überraschend. Auch wenn man in die letzte Hochinflationsphase in den Siebzigerjahren zurückgehen muss, handelt es sich jedoch prinzipiell um die einfachere Übung, da die Mechanismen seit vielen Jahrzehnten erprobt sind und die Notenbanken eine lange Erfahrung bei dieser Aufgabe haben.
Christian Nemeth ist Chief Investment Officer und Vorstandsmitglied der Zürcher Kantonalbank Österreich AG. Vor seinem Engagement bei der Zürcher Kantonalbank Österreich AG war Christian Nemeth unter anderem als Chief Investment Officer bei der Deutsche Bank Österreich und der Bank Sal. Oppenheim (Österreich) tätig. Weitere Stationen der Karriere des studierten Betriebswirts waren die Creditanstalt, Capital Invest und Oppenheim Asset Management.
Rechtliche Hinweise
Dies ist eine Marketingmitteilung, welche nicht unter Einhaltung der Rechtsvorschriften zur Förderung der Unabhängigkeit von Finanz-analysen erstellt wurde und sie unterliegt auch keinem Verbot des Handels im Anschluss an die Verbreitung von Finanzanalysen. Die hierin geäußerten Meinungen geben unsere aktuelle Einschätzung wieder, die sich auch ohne vorherige Bekanntmachung ändern kann. Alle in dieser Marketingmitteilung enthaltenen Angaben und Informationen wurden von der Zürcher Kantonalbank Österreich AG oder Dritten sorgfältig recherchiert und geprüft. Für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität können jedoch weder die Zürcher Kantonalbank Österreich AG noch diese dritten Lieferanten die Gewähr übernehmen. Wir weisen darauf hin, dass jegliche in diesem Papier enthaltenen Empfehlungen allgemeiner Natur sind. Alle Angaben dienen ausschließlich Ihrer Information und stellen keine Anlageberatung oder sonstige Empfehlung oder Anregungen zu Anlagestrategien in Bezug auf ein oder mehrere Finanzinstrumente oder Emittenten von Finanzinstrumenten dar. Sie sind nicht als Angebot zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapieres oder zum Abschluss eines Vertrages über Wertpapier-(neben)dienstleistungen oder als Aufforderung zur Abgabe eines solchen Angebotes zu verstehen. Die hierin enthaltenen Informationen können eine auf den individuellen Anleger abgestellte, anleger- und anlagegerechte Beratung nicht ersetzen. Wir warnen ausdrücklich vor einer Umsetzung ohne weitergehende detaillierte Beratung und Analyse Ihrer spezifischen Vermögens- und Anlagesituation. Ohne diese Analyse können jegliche in dieser Broschüre enthaltenen Empfehlungen zu einem unerwünschten Anlageergebnis bis hin zum Totalverlust führen. Angaben von Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung. Die künftige Wertentwicklung kann völlig konträr verlaufen und zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass Veranlagungen in Wertpapieren mit einer Reihe von Risiken verbunden sein können. Zu diesen zählen beispielsweise das Währungsrisiko, das Transferrisiko, das Länderrisiko, das Liquiditätsrisiko, das Bonitätsrisiko, das Zinsrisiko und das Kursrisiko. Je nach Art des Investments können diese zu Verlusten bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Vermögens führen. Diese Marketingmitteilung darf ohne die vorherige Zustimmung der Zürcher Kantonalbank Österreich AG weder elektronisch noch gedruckt vervielfältigt noch sonst in einer anderen Form verwendet werden. Zuständige Behörde: Finanzmarktaufsicht, Otto-Wagner-Platz 5, 1090 Wien. Dieses Papier und die darin enthaltenen Informationen dürfen nicht an Personen, die möglicherweise US-Personen nach der Definition der Regulation S des US Securities Act von 1933 sind, verteilt und/oder weiterverteilt werden. Definitionsgemäß umfasst „US Person“ jede natürliche US-Person oder juristische Person, jedes Unternehmen, jede Firma, Kollektivgesellschaft oder sonstige Gesellschaft, die nach amerikanischem Recht gegründet wurde. Im Weiteren gelten die Kategorien der Regulation S.
Zusätzliche Informationen gemäß Mediengesetz:
Herausgeber, Medieninhaber und Herstellungs- und Verlagsort: Zürcher Kantonalbank Österreich AG, Getreidegasse 10, 5020 Salzburg.
Sitz der Gesellschaft: Salzburg.
Vorstand: Hermann Wonnebauer (Vorsitzender), Christian Nemeth, Michael Walterspiel.
Vorsitzende des Aufsichtsrates: Florence Schnydrig Moser.
Weitere Mitglieder des Aufsichtsrates: Adrian Kohler (Stellvertreter des Vorsitzenden), Dr. Stephan Hutter, Matthias Stöckli, Stephanie Horner (Arbeitnehmervertreterin), Karim Ratheiser (Arbeitnehmervertreter)
Direkte Gesellschafterin: Zürcher Kantonalbank (100 %), selbständige Anstalt des Kantons Zürich.