Die Krise meistern

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Wenn sogar die Münchner Abendzeitung mit „Anleger-Tipps für die Krise“ auf dem Titelblatt aufmacht, dann wird auch dem Letzten deutlich vor Augen geführt, dass wir uns in einem Bärenmarkt befinden. Auch wenn „gegen die Krise“ vielleicht die sinnvollere Variante gewesen wäre, die Krise braucht wahrscheinlich keine Tipps. Tatsächlich rutschte nicht nur der DAX deutlich unter die 13.000er Marke – „Dax nähert sich Jahrestief“, so die Börsen-Zeitung, auch die Sorge um eine Rezession keimte auf. „Angst vor Weltrezession“ schrieb das Handelsblatt mit Bezug auf den G7-Gipfel in Elmau, das andere große Thema der Woche. Die Unterstützung für die Ukraine brachte das Handelsblatt auf den Punkt: „Mehr Geld, mehr Sanktionen“.

Binde-Strich

Die beiden Finanzmagazine unserer Dauerbeobachtung reagierten auf die Woche einigermaßen konträr: Während Focus Money schwarz-weiß auf Panikrot mit zerbröckelndem Euro titelte: „Die Angst um unser Geld“, konterte Börse online mit „Jetzt kaufen!“. Grafisch verdeutlicht wurde dies durch Wörter im Hintergrund, die auf die derzeitige Situation aufmerksam machen sollten, wie Inflation, Angst, Krieg, Ukraine, Crash, Abschwung. Doch alle Begriffe waren mit einem großen roten Kreuz durchgestrichen. Focus Money setzte auf die Kraft des Bindestrichs, denn wir lesen noch einigermaßen erschreckt über „Horror-Inflation“, „Euro-Krise“ und „Krypto-Crash“, mit dem uns dann wieder beruhigenden Hinweis „und wie Sie sich dagegen wehren“.

Aktienkultur

Wir sind gerne bereit, positive Entscheidungen rund um den Börsenhandel an dieser Stelle prominent zu feiern – viel zu tun haben wir da in der Regel jedoch nicht. Jetzt haben die FDP-Minister beschlossen, einen „breit angelegten Vorstoß zur Förderung der Aktienkultur in Deutschland“ zu leisten, wie es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter der Überschrift „FDP-Minister wollen die Aktie beflügeln“ heißt. Schade, dass nicht die Kurse beflügelt werden. Vor allem auch die Mitarbeiteraktie haben die Minister im Sinn, die Freibeträge sollen sich deutlich erhöhen. Für alle anderen Aktienanleger sollen jedoch auch die Freibeträge für Gewinne aus Wertpapieren erhöht werden, wenn auch noch nicht sicher ist, in welche Höhe sie sich schrauben sollen – in diesen Zeiten dürfte das dem Fiskus eher weniger Steuergeld kosten. Bebildert war der Artikel hübsch mit blühenden Bäumen im Frühling vor der Frankfurter Börse (PS: auch wir hier in München hätten das zu bieten gehabt, zumindest einen blühenden Baum!). Was uns bei näherem Hinsehen irritierte: Auf dem bekannten Bären vor der Börse saß ein kleines Mädchen – ein Zeichen für die Bärenmärkte, der Stier ist doch wesentlich imposanter und das Bild hätte uns von Ferne an Europa erinnert?

Himmel I

Für eine neue Erkenntnis sorgte das Handelsblatt bei uns: „Nur die Falken kommen in den Notenbanker-Himmel“. Wie so ein Himmel mit ausschließlich Notenbankern aussieht, wollen wir nicht näher analysieren, dass der Münchner im Himmel fehlt, ist ja allseits bekannt. Dass aber ausschließlich Tauben in der Hölle gegrillt werden sollen, verwundert uns denn doch. (Auch wenn gegrillte Wildtauben ein Leckerbissen sein sollen!). Übrigens, laut Autor der Zeilen, Pimco-Chefökonom Joachim Fels im Interview, verdienen sich die Falken den Himmel mit hohen Zinsen. Erdenbürger, die schlicht in den wahrscheinlich wesentlich überfüllteren Börsenhimmel wollen, dürften darüber weniger begeistert sein.

Himmel II

Es ist schon erstaunlich: Während der Pandemie litten Schiene und Luftfahrt unter fehlenden Kundinnen und Kunden – und jetzt leiden sie unter zu vielen Kundinnen und Kunden. Man kann es sich nicht ausdenken, was gerade auf Flughäfen und Bahnhöfen passiert - oder eben nicht. Das Handelsblatt widmete diesem neuen Reisefeeling gleich zwei Seiten für Leserkommentare unter der eingängigen Überschrift: „Nur Fliegen ist blöder“. „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, sang einst Reinhard May – jetzt umso mehr, weil nur wenige überhaupt in diese Gefilde vorrücken, die meisten bleiben in der Warteschlange am Boden stecken. Interessant: in der gleichen Ausgabe berichtet der Japan-Korrespondent: „Warum die Züge in Japan pünktlich“ sind und es „kein Chaos an Flughäfen“ gibt. Warum? „Japans Firmen denken Effizienz vom Kunden aus“. Bei uns scheinen sie eher zu stören: Wenn sie ausbleiben, ist es schlecht, und wenn sie kommen, ist es noch schlechter.