Die Zukunft von Bitcoin und Ethereum: Drei Szenarien

Adrian Fritz, 21Shares
Adrian Fritz / Bild: 21Shares
Eine weitere Woche des Krypto-Kursabfalls geht zu Ende und einmal mehr überschlagen sich die Ereignisse: Celsius, einer der größten Krypto-Geldgeber innerhalb der Branche, kündigte an, Auszahlungen an seine Kunden einzustellen – aufgrund der „extremen Marktbedingungen“. Das Unternehmen, das noch am 17. Mai mehr als 11,7 Milliarden Dollar seiner Kunden verwaltetet, hatte in mehrere riskante DeFi-Strategien investiert. Dabei handelt es sich bei dem Unternehmen um einen sogenannten CeFi (Centralized Finance)-Dienstleister, das Anlegern und Kreditnehmern lukrative Renditen bot, indem es riesige Kapitalsummen in riskantere Strategien wie beispielsweise das Terra Anchor-Protokoll oder zuvor Stakehound und Badgerdao investierte. Es wird geschätzt, dass Celsius bei den Hackerangriffen auf die beiden letztgenannten Protokolle einen Betrag von über 100 Millionen Dollar verloren hat. Allerdings gelang dem Unternehmen der rechtzeitige Ausstieg aus der Stablecoin UST, bevor es durch den Terra-Crash größeren Schaden verzeichnete.
 
Im Folgenden wollen wir mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen drei Zukunftsszenarien des Kryptomarktes skizzieren – mit einem Schwerpunkt auf die beiden größten Kryptoassets und verschieden Faktoren und Trigger, die eine mögliche Erholung der Branche mit sich ziehen könnten.

1) Der beste Fall: Der Markt hat seine Talsohle erreicht und erholt sich

Indikatoren einer entsprechenden Marktstimmung
 
Bitcoin
  • Der NUPL-Indikator zeigt einen Aufwärtstrend. Aktuell liegt der Indikator bei -0,01 im sogenannten Kapitulationsbereich – das könnte ein Anzeichen für eine Bodenbildung sein.
  • Der Bitcoin Reserve Risk hat das Level des Markttiefs von 2019 erreicht.
  • Die Produktionskosten eines Bitcoin liegen derzeit bei 30.000 US-Dollar. Miner werden damit veranlasst, ihre Bitcoin zu halten, statt sie zu verkaufen. Diese Reserven haben sich dieses Jahr um rund 19.000 BTC erhöht.

Ethereum

  •  Die Anzahl an auf Beacon Chain gestakten Ethereum hat 12,8 Millionen erreicht (das entspricht einem Wachstum von 182 Prozent seit Jahresbeginn), was die Zuversicht von Investoren über die  Zukunft von Ethereum zeigt. 

Mögliche Markttrigger
 
Bitcoin

  •  Dem Kryptomarkt kommt eine erhöhte regulatorische Sicherheit zu – nicht zuletzt durch die durch US-Senatorin Cynthia Lummins veranlasste „Crypto Bill“. Der Gesetzesentwurf ist schon heute ein Fundament für eine zukünftige, klare Krypto-Regulierung, die dazu beiträgt, dass Kryptos für Kleinanleger und institutionelle Investoren leichter zugänglich werden.
  • BlockFi – eine bedeutende, zentrale Lending-Plattform – gibt bekannt, dass die Anlagen ihrer Nutzer weiterhin sicher sind. Damit ist klar, dass die Liquiditätskrise von Celsius nicht repräsentativ für andere Plattformen ist, die mit der gleichen Situation konfrontiert sind.
    Ethereum
  • Der “Merge” – der vollständige Übergang von Ethereum zu einem Proof-of-Stake-Asset – macht Ethereum nachhaltiger und effizienter und zieht somit mehr institutionelle Investoren an.
  • Das weiter anhaltende Interesse von Institutionen aus der Finanzbranche: Andreessen Horowitz (a16z) eröffnet einen 4,5 Milliarden Dollar schweren Krypto-Fonds und die Kryptowährungsbörse Huboi investiert eine weitere Milliarde in die Branche.
  • Das große Interesse an NFTs bleibt auch im Krypto-Crash erhalten. Der NFT-Markt verzeichnete zuletzt ein Anstieg des Handelsvolumens um 54 Prozent. Bored Ape Yacht Club, einer der wichtigsten NFT-Projekte auf Basis von Ethereum, erreicht am 13. Juni 5,8 Millionen Dollar an Handelsvolumen.

2) Der zweitbeste Fall: der Markt liegt kurz vor der Talsohle

Indikatoren einer entsprechenden Marktstimmung
 
Bitcoin
  •  Der NUPL-Indikator liegt zwar bei -0,01, jedoch kann dies auch ein Hinweis darauf sein, dass der „Kapitulationsbereich“ noch nicht erreicht ist. Im Markttief von 2020 sank der Indikator auf bis zu -0,14 – somit könnte auch der aktuelle Markt noch weiter nachgeben.
  • Der Bitcoin Reserve Risk liegt sehr nah beim Wert, den er 2020 hatte (0,0011 im Vergleich zu 0,01112). 

Ethereum

  • Die täglichen Ethereum-Transaktionen liegen auf einem ähnlichen Niveau wie beim Markttief vom Mai 2021.

Mögliche Markttrigger
 
Bitcoin

  • Der Krypto-Dienstleister Nexo hat angeboten, die Vermögenswerte seines Konkurrenten Celsius zu kaufen. Sollte Celsius dieses Angebot akzeptieren, könnten die Assets der Nutzer von Celsius vor dem Verlust bewahrt werden.
  • Die Zinsraten steigen weiter. Aktuell wird erwartet, dass die US-Zentralbank Fed ihre Zinsraten um weitere 75 Basispunkte erhöht. Dies könnte dazu führen, dass weiteres Kapital vom Kryptomarkt abwandert und in risikoärmere Anlageklassen überführt wird.

Ethereum

  • Es ist möglich, dass der „Merge“ verschoben wird: Ethereum-Entwickler haben angekündigt, die „Difficulty Bomb“ – eine Maßnahme, die Miner zwingen soll, ihre Mining-Rigs zur Umstellung auf Proof of Stake abzuschalten – zu verschieben. Es ist weiterhin ein Abverkauf von ETH und Staked Ethereum (stETH) zu beobachten, da das genaue Datum des Merge unklar bleibt.

3) Der schlechteste Fall: weitere Absenkungen

Indikatoren einer entsprechenden Marktstimmung
 
Bitcoin
  • Der NUPL-Indikator liegt aktuell ein Prozent unter dem Kapitulationsbereich. Während des Markttiefs von 2020 sank er jedoch auf bis zu 14 Prozent darunter. Aufgrund der bestehenden Unsicherheiten auf Makroebene, die die Branche aktuell prägen, könnte er sogar noch unter den Wert von 2020 fallen.
  • 2020 wurden Kryptoassets bis zu 15 Prozent unter ihrem realisierten Preis gehandelt – aktuell wird der Bitcoin „nur“ 3 Prozent darunter gehandelt.

Ethereum

  • Der NUPL-Indikator liegt 23 Prozent unter dem Kapitulationsbereich. Im Markttief von 2020 sank er aber sogar auf bis zu 91 Prozent darunter.
  • 2020 wurde Ethereum bis zu 48 Prozent unter seinem realisierten Preis gehandelt – aktuell wird er „nur“ 32 Prozent darunter gehandelt.

Mögliche Markttrigger
 
Bitcoin

  • Als Nebenwirkung der Zahlungsunfähigkeit von Celsius könnte ein enormer Verkaufsdruck und Abverkauf Wrapped Bitcoin (wBTC) eintreten
  • Auch die Geschäftspartner von Celsius – darunter die Neobank Nuri – würden von einer Pleite des Unternehmens betroffen sein. Darüber hinaus können die Bitcoin-Bestände der Celsius-Kunden möglicherweise nicht gerettet werden.
  • Das Kryptoasset Tether ist eng mit Celsius verbunden. Der Entwickler Tether Limited hat in das Unternehmen investiert und Verleih-Dienstleistungen in Zusammenhang mit Celsius angeboten.
  • USDD, ein Stablecoin der Tron Foundation, verlor seine Bindung zum US-Dollar, was zu Abverkäufen von bis zu 14.000 Bitcoin führen könnte.

Ethereum

  • Eine weitere Folge einer Zahlungsunfähigkeit von Celsius könnte ein Verkauffsdruck von Staked Ethereum (stETH) und ein damit einhergehender Verlust der Korrelation von stETH und ETH sein.[
  • Bei der Zusammenführung des Ropsten Testnet-Merge wurde ein kleiner Fehler gefunden. Die Zusammenführung wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Exploits unter den DeFi-Protokollen werden auch Ethereums TVL und das Vertrauen der Nutzer beeinträchtigen. 3 der 5 größten DeFi-Hacks fanden im Jahr 2022 statt.

Einschätzung: Nahe am Boden - Überleben gesichert

Unsere Einschätzung lautet, dass sich sowohl Bitcoin als auch Ethereum nahe ihres Bodens befinden. Obwohl die Preise beider Assets im Vergleich zu ihren Allzeithochs um 67 und 75 Prozent gefallen sind, ist ihr Überleben gesichert – und das aufgrund ihrer technologischen Fundamente und zunehmenden Anwendungsfälle.
 
Ein Blick auf die Kennzahlen verrät mehr: Der NUPL-Wert für Bitcoin und Ethereum zeigt, dass wir uns dem Tiefpunkt nähern, wenn wir das aktuelle NUPL mit dem während des Tiefpunkts im Jahr 2020 aufgetretenen vergleichen. Wir gehen davon aus, dass das NUPL höher liegen wird als in den vorangegangenen Zyklen, da die Tiefststände der vorangegangenen Bodenbildungszyklen höher waren.
Eine weitere Kennzahl, die unsere Ansicht stützt, ist der realisierte Preis von Bitcoin und Ethereum. Bitcoin wird aktuell 3 Prozent unter seinem realisierten Preis gehandelt. Im Vergleich zu früheren Tiefstständen in den Jahren 2019 und 2020 erreichte der Markt seinen Tiefpunkt, als Bitcoin 15 Prozent und 30 Prozent unter seinem realisierten Preis gehandelt wurde. Andererseits wird Ethereum 32 Prozent unter seinem realisierten Preis gehandelt.
 
Während der Markttiefs in den Jahren 2018 und 2020 wurde Ethereum zu 48 Prozent und 67 Prozent unter dem realisierten Preis gehandelt. Angesichts eines Aufwärtstrends des tatsächlichen/realisierten Preises glauben wir, dass Bitcoin und Ethereum tiefer fallen könnten, aber im Vergleich zu früheren Zyklen nicht dasselbe Maß an Abweichung vom realisierten Preis aufweisen werden.

Stetiges Krypto-Wachstum aufgrund zunehmender Nutzung in der Finanzwirtschaft

Und nicht nur das: Trotz der Turbulenzen auf dem Markt verzeichnen die Fundamentaldaten von Bitcoin und Ethereum weiterhin ein stetiges Wachstum. Die Zahl der aktiven Bitcoin-Adressen ist im letzten Jahr um 26 Prozent gestiegen, und zwei Länder haben den Vermögenswert als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt. Was Ethereum als Smart-Contract-Plattform betrifft, verzeichnete das Netzwerk im Januar 2022 4.000 monatlich aktive Open-Source-Entwickler. Die steigende Zahl der Entwickler spiegelt sich auch in der stetig wachsenden Zahl der täglichen Smart Contracts wider: Mit Stand vom 14. Juni wurden mehr als 3.300 Anwendungen auf der Grundlage von Ethereum entwickelt. Der DeFi-Sektor ist eine der wichtigsten Innovationen im Krypto-Bereich. Ethereum hat mehr als 50 Milliarden Dollar TVL (total value locked), und auch etablierte Unternehmen nutzen mittlerweile regelmäßig DeFi-Instrumente: Ein Beispiel ist das Tradingunternehmen Jane Street, das Clearpool nutzt, um sich 25 Millionen Dollar in USDC zu leihen. Der Autohersteller Tesla nutzt MakerDao, um sich 7,8 Millionen Dollar für Immobilienfinanzierungen zu leihen.
Adrian Fritz erstellt als Research Associate datengestützte Analysen der Kryptoasset-Industrie für 21Shares. Er absolvierte ein Masterstudium an der Hult International Business School in San Franciso und begann seine Karriere als Finanzanalyst. Danach war er als Broker und im Investmentbanking tätig. Vor seinem Einstieg bei 21Shares war er unter anderem bei Signature Management Consulting in Barcelona und bei Analyst bei Cellnex Telecom in Zürich tätig.

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