Norbert Betz / Bild: BBAG, Kilius
Stellen Sie sich vor, Sie lesen eine Empfehlung über eine Aktie A, die lautet, dass diese im nächsten Jahr um 25 Prozent steigen wird. Und über Aktie B sind sich die meisten Experten einig, dass sie bis zu 10 Prozent zulegen kann. Sie dürfen nur einmal raten, welche Aktie die meisten Anleger klar bevorzugen: Aktie A. Leider gehört aber zum großen Anlegereinmaleins, dass potenzielle Rendite und mögliches Risiko eine unheilige Allianz eingehen. Das heißt, Aktie A, die offensichtlich von vielen Analysten und Journalisten bevorzugt wird, ist ein typischer Modewert, der gerade alle Blicke auf sich zieht. Ein typischer Aufsteiger, ein Hotstock. Gerne auch aus einer Branche, die gerade besonders angesagt ist. Aktie B dürfte hingegen ein klassisches Dickschiff, ein behäbiger multinationaler Konzern aus einer wenig zyklischen Branche, sein, ziemlich unsexy, dafür aber verlässlich.
 
Kehrt sich nun der allgemeine Börsentrend nach unten, haben die Bären das Sagen – und die jüngste Vergangenheit hat uns leider nur zu deutlich gezeigt, dass das immer wieder passiert – dann gehen die Abschläge des Hotstocks wesentlich über die des klassisch-langweiligen Wertes hinaus. Denn multinationale Dickschiffe mit Marktführerschaft, weltweit bekannten Marken und hoher Kapitalausstattung überstehen Krisen in der Regel sehr viel besser als Newcomer. Durch jahrelange Dividendenzahlungen haben sie auch ihre Anleger eng an sich gebunden – die Kurse reagieren also nur träge.

Von den verpassten Gelegenheiten

Aber das ist nicht alles. Solche Einschätzungen über Aktien speisen sich ganz überwiegend aus der Vergangenheit. Man beobachtet einen Wert und gewöhnt sich an ein Kursniveau. Fällt dann die Aktie, wirken die historischen Preise wie Anker in unserem Hinterkopf. Ist der Kursverfall groß genug, greifen wir ins fallende Messer, mit der Erwartung, dass sich der Wert wieder in Richtung des alten Niveaus erholen wird. Wir verlassen uns dabei aber auf reine Preissignale und werten die tieferen Preise im Sinne eines Räumungsverkaufes als Schnäppchenpreise. Auf Regen folgt Sonne, das ist unser praktischer Erfahrungsschatz. In der Realwirtschaft gehört Scheitern, selbst von stolzen Traditionsunternehmen, aber zum Programm. Oder haben Sie noch einen Kassettenrekorder in Benutzung oder telefonieren Sie etwa mit einem Gerät von Nokia?

Auf der anderen Seite trauen wir uns bei Aktien, die sich im Aufwärtstrend befinden, nicht zu investieren, weil wir die tieferen Preise von vor einem Monat oder vor einem Jahr noch als Anker wahrnehmen. Die Gefahr, dass wir derjenige sind, welcher zum absoluten Höhepunkt einsteigt, lähmt uns. Wir warten lieber auf Rücksetzer. Und so hat jede Anlegergeneration ihre Vervielfacher-Aktie, welche sie immer erwerben wollte, aber nie zum Zug kam, wie zum Beispiel McDonalds, SAP, Kali+Salz, Apple...

Norbert Betz, Leiter der Handelsüberwachung an der Börse München, setzt sich seit Jahren mit den Psychofallen an der Börse auseinander: als leidenschaftlicher Trader wie als distanzierter Marktbeobachter, als Referent und Autor. In seiner Serie zeigt er die Fallen auf, in die wir Anleger so gerne hineintappen, und gibt Tipps, wie sie vermieden werden können.
Nachzulesen auch in Norbert Betz, Ulrich Kirstein:»Börsenpsychologie simplified«, 2. Auflage 2015
Das Buch befasst sich auf knapp 200 Seiten mit der Psychologie der Märkte und zeigt Anlegern an vielen Beispielen aus Theorie und Praxis, wie sie STUSS erkennen und vermeiden sowie mit dem STAR-Konzept zum Erfolg kommen können.

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

McDonald's Rg 250,95 -0,18%
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Apple 162,38 -1,37%
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Nokia Sp ADR 3,16 0,00%
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SAP 170,84 -0,34%
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