EZB ist bedingt entschlossen

Dr. Johannes Mayr, Eyb & Wallwitz
Dr. Johannes Mayr / Bild: Eyb & Wallwitz
Auf ihrer heutigen Sitzung hat die EZB ihren Ausstiegsplan aus dem QE-Programm um rund drei Monate nach vorne verlagert. Sie will ihre Anleihekäufe im Sommer einstellen. Die Notenbank sieht die Folgen der Russland-Krise auf die Wirtschaft als begrenzt an und will die Inflationsrisiken einfangen, „koste es was es wolle“. Ob die Geldpolitik tatsächlich dieser starken verbalen Vorlage folgt, kann aber bezweifelt werden.
Auf ihrer heutigen Sitzung hat die EZB den Startschuss für einen schrittweisen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik gegeben. Hintergrund ist eine starke Anhebung der Inflationsprognose, während der Wachstumsausblick nur leicht abwärts revidiert wurde. Nach dem bereits beschlossenen Ende der COVID-Notfall-Anleihenkäufe (PEPP) im März, sollen die regulären Anleihekäufe (APP) ab April deutlich gedrosselt werden. Sollte sich der Inflationsausblick nicht kurzfristig entspannen, will die EZB die Käufe im dritten Quartal einstellen. Damit zieht sie ihren Ausstiegsplan im Vergleich zur Sitzung im Januar um etwa ein Quartal nach vorne. Das gilt auch mit Blick auf einen ersten Zinsschritt, der damit ab Sommer möglich scheint. Ziel ist es, das Mandat der Preisstabilität zu erfüllen, „koste es was es wolle“. So weit, so entschlossen.

Irgendwann statt kurz nach

Ob die Geldpolitik tatsächliche dieser verbalen Vorlage folgt, bleibt aber abzuwarten. Denn vor dem Hintergrund der Risiken des Russland-Kriegs auf Konjunktur und Finanzmarkt betont die EZB zugleich ihre hohe Flexibilität. So können Laufzeit und Volumen des APP-Programms kurzfristig angepasst und das PEPP-Programm kann reaktiviert werden. Auch gibt sich die EZB auf der Zinsseite grundsätzlich mehr Spielraum und will denn Leitzins nicht mehr „kurz nach“, sondern erst „irgendwann nach“ dem Ende der Anleihekäufe anheben, und dann nur schrittweise vorgehen. Ein Abzug von Liquidität steht im Euro-Raum auch weiterhin nicht zur Debatte. Die EZB will fällige Anleihen weiterhin bis Ende 2024 voll reinvestieren

Aussichten für Anleger

Der monetäre Aufwärtsdruck auf Renditen im Euro-Raum bleibt nach der heutigen Sitzung bestehen, die Zinswelle trifft Europa aber weniger stark als die USA. Denn die EZB wird in ihrem Straffungskurs nicht das Tempo der FED mitgehen. Das hat mit den wirtschaftlichen Risiken des Russland-Kriegs für Europa zu tun, aber nicht nur. Vielmehr spielt die Fragmentierung von wirtschaftlicher Entwicklung und Stabilität der Staatsfinanzen im Euro-Raum eine wichtige Rolle. Die EZB hofft auf eine stärkere Rolle der Fiskalpolitik, u.a. über eine Vergemeinschaftung von Ausgaben in den Bereichen Verteidigung und Energie. Angesichts des gestiegenen Stagflationsrisikos sollten Anleger mit Fokus Europa ihre Depots robuster ausrichten. Bonitätsstarke Anleihen bleiben vorerst aber wenig interessant.
Dr. Johannes Mayr ist Chefvolkswirt der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH, einer der größten in Deutschland für die Finanzportfolioverwaltung zugelassenen unabhängigen Verwaltern mit Sitz in München und Frankfurt.