Fed und EZB befinden sich auf unterschiedlichem Kurs

Dr. Klaus Schrüfer, Santander Asset Management
Dr. Klaus Schrüfer / Bild: Santander Asset Management
Obwohl die Infektionszahl mit Omikron weltweit noch nicht ihren Höhepunkt erreicht haben, scheinen sie diesen in einigen Industrieländern bereits überschritten zu haben - und gehen in den USA sowie im Vereinigten Königreich sogar schon zurück. In der Eurozone und den Schwellenländern nehmen die Infektionen jedoch weiter zu.
 
Parallel zur Ansteckungsgefahr ist die Mobilität der Bevölkerung weltweit bis Ende 2021 eingebrochen, insbesondere in den entwickelten Volkswirtschaften. Obwohl sich diese Zahl in der zweiten Januarhälfte zu erholen begann, sind die Menschen auch weiterhin wenig mobil. Wenn die Omikron-Wellen schnell abklingen, sollte sich die Mobilität in ähnlicher Weise normalisieren, aber die jüngste Entwicklung der Welle in einigen Industrieländern deutet darauf hin, dass die Auswirkungen etwas länger anhalten werden.
 
Das derzeitige Mobilitätsniveau impliziert für viele Industrieländer ein schwaches BIP-Wachstum im ersten Quartal 2022. Da wir jedoch davon ausgehen, dass diese Situation vorübergehend ist, glauben wir nicht, dass sie die mittelfristigen Aussichten oder den Fahrplan der Zentralbanken beeinflussen wird.

Fed beginnt mit rapiden Straffungszyklus

Was die Aussichten für die USA betrifft, so ist die Mobilität zwar nicht mehr ein so eindeutiger Bestimmungsfaktor für das BIP wie im Jahr 2020, aber der jüngste Rückgang bis Ende 2021 weist eindeutig auf eine Verschlechterung hin. Überraschenderweise übertrafen die Beschäftigtenzahlen jedoch die Erwartungen und waren im Januar relativ stark. Einige andere Indikatoren für das Vertrauen der Unternehmen, wie der ISM für den Dienstleistungssektor, der PMI sowie der Empire-Index sind im Januar deutlich zurückgegangen.
 
Trotz alledem klang die letzte FOMC-Sitzung sehr falkenhaft. Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass die Zeit zwischen dem Ende der Anleihenkäufe und dem Beginn der Verringerung der Bilanzsumme viel kürzer sein wird als im vorherigen Straffungszyklus (2015 - 2017). Es scheint so, als würde er nach einigen Monaten statt nach anderthalb Jahren beginnen.
 
Infolge dieser aggressiven Andeutungen reagierten die Märkte, so dass die Futures auf die Fed Funds Rates jetzt sogar etwas über dem Dots Plot der Fed lagen. Dies erklärt, warum trotz des Rückschlags bei der Mobilität und der damit verbundenen Abwärtsrisiken für das BIP-Wachstum im ersten Quartal 2022 die Renditen von Staatsanleihen und die Erwartungen hinsichtlich der Fed-Funds-Rates in letzter Zeit weiter gestiegen sind.

Globale Angebotsknappheit

Was ist der Grund dafür, dass die Fed so aggressiv handelt? Liegt es an der Inflation? Die Inflation ist nicht aufgrund schwacher Wirtschaft, sondern aufgrund von Angebotsbeschränkungen außerordentlich hoch. Das frühere Verhältnis von Wachstum zu Inflation rechtfertigt das derzeitige Inflationsniveau nicht. Um das aktuelle Inflationsniveau zu erreichen, müsste das BIP-Wachstum auf Jahresbasis deutlich über zweistelligen Raten liegen, was bei weitem nicht der Fall ist.
 
Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung gelangen wir, wenn wir die Produktionslücke und das Inflationsniveau betrachten. Die Produktionslücke deutet auf eine Inflation von über 2,5 Prozent im Jahresvergleich hin. Aber um das derzeitige Inflationsniveau zu rechtfertigen, müsste die Produktionslücke viel größer sein.
 
Wie lässt sich dann das sehr hohe Inflationsniveau erklären? Es liegt auf der Hand, dass die globale Angebotsknappheit dafür verantwortlich ist. Seit dem zweiten Quartal 2021 haben die Versorgungsengpässe die Kerngüterpreise in die Höhe getrieben. In der Zwischenzeit haben sich die Kernpreise für Dienstleistungen erholt, aber nur bis zum Trend vor der Pandemie.

Fed in der Straffungszone

Was die Gesamtinflation betrifft, so wird sie von der Entwicklung der Erdöl- und Erdgaspreise abhängen, aber wenn diese in Zukunft nicht weiter wesentlich ansteigen, würde ihr Einfluss auf die Inflation in den kommenden Monaten nachlassen.
 
Alles in allem sind wir der Meinung, dass die Fed nicht verstärkt versuchen wird, die Inflation zu senken (was angesichts der Angebotsbeschränkungen unmöglich ist), sondern vielmehr die Normalisierung der Geldpolitik einleiten wird, da die Zinssätze immer noch bei null Prozent liegen und die Produktions- und Beschäftigungslücke positiv ist.
 
Auch wenn es den Anschein haben könnte, dass die Fed ihren Straffungszyklus im Vergleich zu den vorangegangenen Zyklen sehr schnell durchführt, ist entscheidend, dass die Fed zu lange gewartet hat. Wir rechnen daher weiterhin mit vier Zinserhöhungen im Jahr 2022 um jeweils 0,25 Prozent mit einem Bias zu mehr Anhebungen. Die Fed wird das Vertrauen der Unternehmen und die finanziellen Bedingungen genau beobachten. Bislang befindet sie sich in der "Straffungszone".

Kein Kurswechsel der EZB

Was schließlich die Aussichten für die Eurozone betrifft, so bedeutet der Rückgang der Mobilität Ende 2021 ebenfalls ein Abwärtsrisiko für das BIP-Wachstum im ersten Quartal 2022. Wie in den USA gehen wir jedoch davon aus, dass diese Auswirkungen im Falle einer raschen Erholung der Mobilität nur vorübergehend sein werden. Derzeit ist der PMI für den Dienstleistungssektor im Januar im Einklang mit der Mobilität deutlich gesunken.
 
Was den Ausblick der EZB betrifft, so besteht der Hauptunterschied zur Fed darin, dass weder die Produktionslücken noch das Vertrauen der Unternehmen auf Zinserhöhungen der EZB im Jahr 2022 hindeuten. Daher wird die EZB unserer Ansicht nach zurückhaltender agieren. Zudem rechnete die europäische Zentralbank damit, dass die Inflation Ende 2021 ihren Höhepunkt erreicht haben würde. Doch die Januar-Inflationswerte waren überraschend hoch, insbesondere angesichts des Ausklingens der Basiseffekte der deutschen Mehrwertsteuer, die zu einem deutlicheren Rückgang der Kerninflation hätten führen müssen.
Dr. Klaus Schrüfer ist Chief Market Strategist bei Santander Asset Management Germany.