Klassische Champions

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Was für eine Horrorwoche: „Furcht vor der Fed (Handelsblatt) und „Dax-Ausverkauf geht weiter (auch das Handelsblatt), anhaltende Inflationssorgen – „So teuer wird der Alltag“ (Süddeutsche Zeitung), immer neue Höchstinzidenzen bei der Pandemie und die Ukraine-Krise, die wir mit 5.000 Helmen beherzt zu lösen suchen. „Willkommen in der Bundesclownsrepublik Deutschland“ schrieb Die Welt dazu, denn egal ob „Ukrainekrise, Energiewende oder Corona“ habe die Ampel „aus uns einen Witz gemacht“. Nur das Lachen fällt uns schwer, eher stimmen wir mit Kurt Kister überein, der seinen Newsletter der Süddeutschen Zeitung mit „Tage, die keiner braucht“, überschrieb. Er bezog sich damit jedoch auf den Valentins-Tag am 14. Februar. Den brauchen zumindest Pralinen-, Unterwäsche- und Blumenhändler, und, kein Witz, wehe Sie vergessen ihn!

Champignons oder Champions

Vielleicht wegen der bräunlich-cremetonigen Grundfarbe hatten wir bei Focus Money schlampig auf dem Titel „Champignons aus Deutschland“ gelesen, dabei geht es nicht um einen neuen Exportschlager, sondern selbstverständlich um unsere Champions und um eine „Neue Gründerzeit“, die das Magazin ausruft. Hoffentlich geht es dabei nicht wie bei der „alten“ Gründerzeit zu, die endete bekanntlich abrupt mit dem Börsenkrach von 1873. Börse Online gibt sich ebenfalls geschichtsbewusst und läutet die „Stunde der Klassiker“ ein. Wir ahnten schon, dass weder Goethe noch Schiller eine Rolle spielen, aber dass es gleich um „Kriegsängste, Zinserhöhungen, Tech-Debakel“ geht, hatte uns dann doch verwundert, die Klassik hatten wir irgendwie langweiliger in Erinnerung, was am Deutschlehrer gelegen haben könnte. Zum Trost gegen den Frust verspricht Focus Money „niedrig bewertete Aktien mit hoher Dividende“. Vielleicht wäre die Epoche vor der Klassik, der Sturm und Drang, die bessere Bezeichnung gewesen, bei den derzeitigen Kursrückgängen dürfte so manchem Anleger der berühmteste Ausspruch aus Goethes Götz von Berlichingen über die Lippen gekommen sein – und das Stück ist Sturm und Drang und nicht Klassik! Werden wir profan: Die Februar-Ausgabe des EURO verspricht einfach nur die „besten Fonds“. Das Editorial behandelt – bildlich gezeigt – den Stabwechsel vom bisherigen Herausgeber Frank-B. Werner zum neuen Chefredakteur Markus Hinterberger vom neuen Eigentümer, der Börsenmedien AG, der Stab ist dabei eine zusammengerollte Euro-Ausgabe.

Auf Arbeit in Arbeit

Mit „Das Comeback des Jahres“ kündigte das Handelsblatt an, dass Andrea Nahles, einstige SPD-Chefin, an die Spitze der Bundesagentur für Arbeit rückt. Die Idee ist ja nun einmal bestechend: Statt in die Arbeitslosigkeit zu fallen, einfach Chefin der Arbeitslosen werden. Immerhin, als frühere Arbeitsministerin ist sie irgendwie vom Fach, wie auch die Süddeutsche Zeitung herausstreicht und könne eine Behörde führen. Spötter könnten hinzufügen, dass sie als zwischenzeitliche Präsidentin der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation inzwischen auch das Stempeln gelernt haben dürfte. Wir wünschen ihr viel Erfolg und wenig Arbeitslose!

Held oder Hüne

Während Frau Nahles bald wieder einer Arbeit nachgeht, verblüfften uns Artikel, an welchen Orten manche Menschen ihrer Arbeit nachgehen beziehungsweise nachgegangen sind. Nicht im inzwischen allseits akzeptierten Homeoffice bei Kaffee und Selters, sondern öfter mal im Puff bei Champagner und Häppchen, so wird es zumindest einem erfolgreichen Schweizer Banker vorgeworfen, neben anderen dubiosen Geschäften. 700.000 Schweizer Franken Spesen muss man auch erst einmal auftürmen. „Der gefallene Hüne“ titelt die Süddeutsche Zeitung und wir überlegen kurz, wann wir das letzte Mal von „Hüne“ Gebrauch gemacht haben, ein Begriff, der laut Grimms Wörterbuch sich von „Hunne“ herleitet und seit dem 13. Jahrhundert - da waren die Hunneneinfälle längst Geschichte - als Äquivalent zu „Riese“ dient.

Gehen oder Gleiten

Für manche Erkenntnis braucht man offensichtlich eine Studie, deren Ergebnisse auch durch kurzes Nachdenken hätten (weitaus günstiger) erzielt werden können. „Reine Großstadt-Plage oder Teil der Verkehrswende?“ überschrieb die Abendzeitung einen Artikel über die in den Städten so beliebten wie störenden E-Scooter. Die Mehrzahl der Studien komme zu dem Ergebnis, dass diese E-Scooter nicht die Autofahrt, sondern den Fußweg ersetzen (während sie die verbliebenen Fußgänger drangsalieren). Die Klimabilanz sei hingegen eher dürftig, Material, Herstellung, das abendliche Einsammeln mittels eher älterer Dieselfahrzeuge und die kurze Lebensdauer gehen eine unheilige Allianz ein, selbst ein dieselbetriebener Bus sei umweltschonender. Die Vermieter setzen hingegen auf längere Haltbarkeit und austauschbare Batterien. Doch Gehen bleibt eindeutig die CO2-freundlichere und ungefährlichere Alternative