Wie sich Populismus, Wachstum und Inflation auf die Unternehmen auswirken

Jacques-Aurélien Marcireau, Edmond de Rothschild Asset Management
Jacques-Aurélien Marcireau /Bild: Edmond de Rothschild Asset Management
Liberale Demokratien haben die Bühne für eine echte Debatte geschaffen, aber sie haben noch immer kein Rezept gefunden, das es ermöglicht, den Themen die Zeit, Aufmerksamkeit und Stimme zu geben, die sie verdienen. Dies gilt insbesondere heute, wo digitale Promoter bereits massiven Einfluss ausüben.
  • In den letzten zehn Jahren nahmen die Ungleichheiten zu, eine Entwicklung, die die Zentralbanken verschärft haben
  • In den kommenden Jahren könnten einige Unternehmen Bedingungen für einen Boom erleben, während andere Unternehmen im selben Landoder Sektor je nach Positionierung, Preissetzungsmacht und Attraktivität Schwierigkeiten haben werden
  • Eine schrittweise Neuausrichtung würde mittelgroßen Unternehmen, insbesondere in Europa, neue Impulse geben
Deshalb haben wir uns entschieden, uns nicht auf die fiktive virtuelle Welt des Metaversums bzw. des Kryptokomplexes zu konzentrieren, sondern zwei Themen zu diskutieren, die für 2022 und die folgenden Jahre strukturelle Auswirkungen auf die Aktienmärkte haben werden. Wir wollen die Auswirkungen des Tandems aus Populismus und Wachstum auf Unternehmen und das derzeit schwierige Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht erörtern.

Zunehmendes Ungleichgewicht

Die jüngsten Konjunkturpakete konzentrierten sich auf die Verbraucher, aber in den letzten 10 Jahren haben sich die Ungleichheiten weltweit verschärft, wobei die Maßnahmen der Zentralbanken Menschen mit einer Vermögensgrundlage begünstigten. Diese neue Ungerechtigkeit verstärkt nur das Ungleichgewicht zwischen den „Nirgendwos“, den globalisierten Eliten, und den „Dagebliebenen“, die ihren Provinzen festsitzen. Der Aufstieg populistischer Bewegungen ist eine logische Folge. Alle Politiker, unabhängig von ihrer Partei, ihrem Land oder dem politischen System, in dem sie arbeiten, sind sich dieser Entwicklung vollkommen bewusst.

Infolgedessen ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Inflation aufgrund aggressiver, verbraucherorientierter Anreize, sei es aus ethischen Gründen, um Wähler zu gewinnen oder aus Gründen der sozialen Kontrolle, außer Kontrolle gerät, jetzt höher als die einer durch übermäßige Sparmaßnahmen verursachten Rezession. Wir müssen uns nur die Geschwindigkeit betrachten, mit der 20 europäische Länder Mechanismen eingeführt haben, um den steigenden Energiepreisen entgegenzuwirken. Sie alle sind eindeutig besorgt über die Gefahr, dass „Gelbwesten“-Bewegungen aufkommen.

Eine Kluft zwischen Unternehmen

Wenn Populismus der Bündnispartner von Wachstum und Inflation ist, müssen die Märkte die makroökonomischen Daten sowie die Gewinn- und Umsatzschätzungen für 2022 und darüber hinaus nach oben korrigieren.
 
Indessen nimmt hinter den makroökonomischen Schlagzeilen eine andere Realität Gestalt an. Es wird zu einer Kluft zwischen Unternehmen kommen, die höhere Arbeits-, Logistik- und Rohstoffpreise leicht an die Endverbraucher weitergeben können, und Unternehmen, die von sozialen Netzwerken an den Pranger gestellt werden, was die Regierungen zum Eingreifen zwingt. Ein gutes Beispiel wären die Stromnetzbetreiber. Es wird auch Unternehmen geben, die die talentiertesten Mitarbeiter für sich gewinnen und auch bei strukturell angespannten Arbeitsmärkten weiterhin selektiv vorgehen können.

Mit anderen Worten: Sollte die Inflation hoch bleiben, könnten in den kommenden Jahren einige Unternehmen Bedingungen für einen Boom erleben, während andere Unternehmen im selben Land oder Sektor je nach Positionierung, Preissetzungsmacht und Attraktivität Schwierigkeiten haben werden. Die Gewinne der erstgenannten Unternehmen würden stark steigen, während die anderen unter einem unrentablen Wachstum leiden würden oder sogar einen Wertverlust bei nachlassender Ertragskraft zu verzeichnen hätten.

Die neuen "Ostindischen Kompanien" sind mit großer Macht präsent

Die Giganten des Internetsektors und der neuen Technologien trotzen nicht nur der Schwerkraft der Börsen und betreiben echte Monopole. Dank ihrer technischen Schlagkraft und ihres Einflusses auf die Menschen spielen sie zudem eine nahezu beherrschende Rolle, die sie Regierungen bereitwillig anbieten und die ihnen zu einem vorteilhaften asymmetrischen Verhältnis zu den Machthabern verhilft.
 
Man muss nur bedenken, dass Google oder Apple die Installation von Frankreichs Anti-Covid-App einfach mit einem routinemäßigen Update des Betriebssystem-Update hätten erzwingen können. Es würde nur wenige Stunden dauern und es gäbe kein Widerspruchsrecht. Ironischerweise bestand die Reaktion von Facebook auf die zunehmende Kritik an seiner Fähigkeit, die öffentliche Debatte zu beeinflussen, darin, die Aufmerksamkeit auf das Metaversum zu lenken, auch wenn kein technologischer Durchbruch dies rechtfertigte. Zu beachten ist auch, dass Facebook vorübergehend Libra auf Eis gelegt hat, ein Projekt, das in einigen Ländern die staatliche Kontrolle über die geldpolitischen Angelegenheiten durch ein privates System ersetzen soll.
 
Wir alle dürften verlieren, wenn zu viel Macht in wenigen Händen konzentriert ist. An dieser Stelle interessiert Sie alle brennend, was das mit den Aktienmärkten zu tun hat. Ganz einfach, Technologiegiganten haben jetzt kolossale Gewichtungen in den Marktindizes. Allein fünf Aktien machen 30 Prozent des S&P 500 aus. Diese Unternehmen befinden sich jetzt zudem in einem Expansionswettlauf, der nur schwer aufzuhalten sein wird.
 
Wenn man sich nicht für den brachialen Ansatz Pekings gegenüber den Spitzenreitern unter den chinesischen Unternehmen entscheidet, hätte eine gewisse Neuausrichtung erhebliche Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Einen augenscheinlich unaufhaltsamen Trends zu stoppen, würde auch das Kräfteverhältnis zwischen aktivem und passivem Investieren verändern. Das würde mittelgroßen Unternehmen zudem ermöglichen, einer anderen Betrachtungsweise Gehör zu verschaffen und Innovationen und die Schaffung von Arbeitsplätzen, insbesondere in Europa, voranzutreiben. Trotz einiger Fortschritte in jüngster Zeit kämpft der Kontinent immer noch damit, weltweit führende digitale Unternehmen hervorzubringen.
 
Derzeit wird diese ausgewogene Botschaft sowohl an den Märkten als auch in sozialen Netzwerken übertönt. Hoffen wir, dass sich die Themen rund um die Technologiegiganten und das Trio aus Populismus, Wachstum und Inflation im Jahr 2022 allmählich wieder ausbalancieren.
Aurélien Marcireau ist Co-Head für Aktien und Portfoliomanager des EdR Fund Big Data
bei Edmond de Rothschild Asset Management

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