Darum wird die Inflation zurückgehen

Gonzalo Pradas, Openbank
Gonzalo Pradas / Bild: Openbank
Die ansteigende Inflation ist derzeit eines der bestimmenden Themen an den Finanz- und Kapitalmärkten.Wir erwarten, dass der Inflationsdruck sich selbst entgegenwirkt und werfen einen Blick auf die derzeit steuernden Kräfte. Die Inflation dürfte sich abschwächen, aber auf einem höheren Niveau stabilisieren. Das Wachstum dürfte sich weiter positiv, aber insgesamt langsamer als in den letzten Monaten, entwickeln.
Es besteht kein Zweifel, dass die Inflation gegenüber dem derzeitigen Niveau zurückgehen wird. Gleichzeitig wird sie sich aber mittelfristig in einem Bereich einpendeln, der höher ist als in der Vergangenheit.
 
Ich möchte kurz erklären, wie wir in die besagte Situation geraten sind. Die Makroprognose ist unsicher und wird von zwei Kräften gesteuert. Die erste Kraft ist das Wirtschaftswachstum. Dieses liegt – auch wenn einige der oft wiederholten Schlagzeilen uns vom Gegenteil überzeugen wollen – über dem historischen Trend und wird es auch weiterhin bleiben. Natürlich nicht so stark, wie in der wirtschaftlichen Erholungsphase nach der COVID-19-Pandemie, aber es wird positiv und solide sein.
 
Gleichzeitig erweist sich die Angebotsseite als unflexibel: Das zeigt sich am deutlichsten im globalen
Einkaufsmanager-Index von IHS Markit. Nachdem dieser in der ersten Jahreshälfte 2020 den Rekord für die längsten Lieferfristen erreicht hatte, stieg er kurzfristig wieder an, nur um anschließend wieder auf ein bisher nicht gekanntes Niveau zurückzufallen.

Inflation als Nachfrageproblem

Es besteht kein Zweifel daran, dass dieses Kräftepaar einen Inflationsdruck erzeugt, den wir jetzt bereits erleben und der die derzeitige Inflation zu einem Nachfrageproblem macht: In erster Linie kann die Nachfrage nicht befriedigt werden.
 
Mit der Zeit werden wir sehen, wie dieser Inflationsdruck sich selbst entgegenwirkt, denn er wird die Nachfrage dämpfen und dadurch die Inflation verringern. Es ist offensichtlich, dass in Europa die Auswirkungen der Energiekrise, die wirklich schwerwiegend zu sein scheint, ausgeprägter sein werden als in den Vereinigten Staaten, wo die wirtschaftliche Entwicklung zu einer erheblichen Lohninflation geführt hat.
 
Die Lösung für den ersten Teil der Gleichung lautet daher, dass in der ersten Hälfte des nächsten Jahres mit einer niedrigeren Inflation zu rechnen ist als heute.

Mittel- und langfristig höhere Inflation

Was den zweiten Teil betrifft, so wäre es mittel- und langfristig gesehen unrealistisch zu glauben,
dass die Inflation in der gleichen Größenordnung wie in den letzten Jahren liegen wird (unter 2 Prozent in den USA). Dies liegt daran, dass die Normalisierung des Angebots einige Zeit in Anspruch nehmen kann und immer noch nicht in der Lage ist, eine zwar sinkende, aber weiterhin hohe Nachfrage zu befriedigen. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die monetären Bedingungen zwar angespannter, aber immer noch sehr günstig sind.

Die Aussichten bleiben ungewiss

Inmitten all dieser Kräfte erreichte der US-Aktienindex S&P 500 am 2. September 2021 einen neuen Höchststand, bevor er am 4. Oktober 2021 um -5,81 Prozent auf 4.279,97 Punkte fiel. Seitdem ist er stark gestiegen (+6,53 Prozent) und hat mit über 4.600 Punkten ein neues Allzeithoch erreicht.Bei den festverzinslichen Wertpapieren ergibt sich ein anderes Bild: Die Kurse für Staatsanleihen sind stark gefallen, aber eine Erholung ist nicht zu beobachten, zumindest noch nicht.
 
Die makroökonomischen Aussichten bleiben also ungewiss, die Märkte schwanken, aber das Rezept könnte wie folgt lauten: Die Inflation wird sich abschwächen, aber auf einem höheren Niveau stabilisieren. Das Wachstum wird sich weiter positiv entwickeln – wenngleich es langsamer voranschreiten wird als in den letzten Monaten – und die monetären Bedingungen werden zwar angespannter, aber dennoch expansiv sein. Vielleicht bestellen Sie vorsichtshalber jetzt schon einmal Ihre Weihnachtsgeschenke.
Gonzalo Pradas ist Head of Wealth Management & Chief Investment Officer bei der Openbank, die 100% digitale Bank der Santander-Gruppe,

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

UC S&P 500 5.252,97 N.A.
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