Wo bleibt die Corona-Insolvenzwelle?

Carsten Mumm, Privatbank DONNER & REUSCHEL
Carsten Mumm / Bild: Privatbank DONNER & REUSCHEL
Laut dem Statistischen Bundesamt wurden im August 1.029 Unternehmensinsolvenzen an deutschen Amtsgerichten beantragt. Das waren 2,1 Prozent weniger als im Vorjahr und der niedrigste Wert seit 1992. Im August 2019, also dem Vergleichsmonat vor der Corona-Pandemie, wurden sogar noch 1.626 Unternehmensinsolvenzen beantragt. Auch die Anzahl der Hinweise auf die künftige Entwicklung von Unternehmensinsolvenzen (Regelinsolvenzverfahren), sank im Vergleich zum Vorjahr um 15,1 und im Vergleich zu 2019 sogar um 39,2 Prozent. Damit setzt sich der seit Anfang 2010 bestehende Abwärtstrend fort und wurde bleibt trotz der seit Mai ausgelaufenen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ungebrochen. Die Insolvenzwelle als Auswirkung der Pandemie konnte offensichtlich durch die umfangreichen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen verhindert werden. Auch international sind ähnliche Trends erkennbar.

Zeitgewinn nutzen

Der Kreditversicherer Euler Hermes schätzt, dass in Westeuropa jede zweite, in den USA jede dritte Pleite verhindert werden konnte. Zweifellos konnte aber ein noch länger anhaltender wirtschaftlicher Einbruch, der millionenfache Verlust von Jobs sowie erhebliche negative Auswirkungen auf Banken und Kapitalmärkte durch ausfallende Fremdkapitalfinanzierungen und noch stärker kollabierende Aktienkurse vermieden werden. Diesen Zeitgewinn müssen Volkswirtschaften jetzt nutzen. Dazu gehört, staatliche Hilfeleistung nicht länger als notwendig aufrechtzuhalten, um marktwirtschaftliche Prozesse nicht länger als nötig auszuhebeln. Die Rückzahlung der staatlichen Kredite durch die Lufthansa ist in diesem Zusammenhang eine wegweisende Entscheidung. Unternehmen müssen sich ohnehin auf erhebliche Veränderungen einstellen und ihre Geschäftsmodelle zukunftssicher gestalten.

Insolvenzen werden wieder steigen

Klimawandel, Digitalisierung, Demografie und geopolitische Entwicklungen werden ihre Spuren in allen Branchen hinterlassen. Da nicht alle Unternehmen diesen Prozess erfolgreich gestalten können, wird die Anzahl der Insolvenzen in den kommenden Jahren wieder sukzessive steigen. Für Anleger wird es nun entscheidender denn je, die richtigen Unternehmen auszuwählen. Der Staat sollte die Transformation nicht durch direkte Subventionen, sehr wohl aber durch das Setzen klarer Zielgrößen, regulatorischer Leitplanken und Gesetzgebungen, eine schnellere und schlagkräftigere Verwaltung sowie durch begleitende Investitionen – wie Forschung, Bildung und Infrastruktur – unterstützen.
Carsten Mumm ist Chefvolkswirt der Privatbank DONNER & REUSCHEL. Er ist verantwortlich für die Erstellung der Konjunktur- und Kapitalmarktprognosen sowie der kapitalmarktrelevanten Publikationen. Zuvor verantwortete er die Vermögensverwaltung für private und institutionelle Kunden, das Management von Spezial- und Publikumsfonds sowie die hauseigenen Research-Tätigkeiten. Der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Volkswirt ist seit 1998 im Bereich Kapitalanlage beschäftigt. 2006 qualifizierte er sich zum Chartered Financial Analyst.

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