Hochspannung im Depot

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Die Meldungen der Wochen waren unter anderem: „Bundesbankpräsident Weidmann gibt auf“, konstatiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung, „Mit Weidmann geht das letzte Korrektiv“ Die Welt und die Tagesschau nannte es: „Der Mahner tritt ab“. Weiß er mehr, fragen wir uns. Und schon werden Namen möglicher Nachfolgerinnen und Nachfolger gehandelt. Auf dem EU-Gipfel wurde über die hohen und munter weiter steigenden Energiepreise beraten: „Heiße Debatte über Energie und Rechtsstaat“, Süddeutsche Zeitung. Den Teilnehmern wurde als ohne Heizen warm, aber nach vier Stunden Diskussion zog Charles Michel den Stecker – die Batterien der Teilnehmer waren wohl leer. Und die Parteien führen mit großer Mannschaft in vielen Arbeitsgruppen ihre Koalitionsverhandlungen. Bei so viel Quantität muss ja Qualität herauskommen, so offensichtlich die Annahme.

Spannung

Börse Online machte diese Woche ganz in Gelb auf, was jedoch nichts mit möglichen Präferenzen innerhalb der Ampelkoalition zu tun hatte, sondern auf das Warnzeichen „Achtung Hochspannung“ hinwies. Die Energiepreise waren jedoch auch nicht Thema, sondern die aktuelle Berichtssaison: „Tage der Wahrheit: Viele Unternehmen legen Zahlen fürs dritte Quartal vor. Gewinner und Verlierer“ präzisiert das Blatt. Focus Money zeigt einen Wald voll grüner Pfeile und bietet uns die „ultimative Liste der Inflationsgewinner“ an, nämlich „33 Aktien, die steigen, wenn die Preise steigen“. Zugegebenermaßen machte uns das neugierig, wobei es im Heft dann 33 Branchen waren, die mit Inflation besonders gut fertig werden. „Mega-Gewinne ohne Ende“ verspricht hingegen die Novemberausgabe von EURO. „7 Megatrends, 50 starke Investments, bis zu 30.000 Prozent Gewinn“ verspricht es weiterhin. Und auch die Münchner Abendzeitung dürfen wir einmal mehr in die Finanzmagazine einreihen, ihr Aufmacher zum Wochenende „Mit Aktien garantiert Geld verdienen“.

Aktienkultur

Unbedingt erwähnt werden sollte ein großer Artikel auf Seite 3 der Börsen-Zeitung vom Donnerstag, verfasst von Michael Flämig. Es geht über die Bayerische Börse unter der Überschrift: „Diese Entwicklung fördert Aktienkultur grundsätzlich“. Wie auch immer, über jegliche Form der Verbesserung der Aktienkultur in diesem Lande freuen wir uns grundsätzlich, aus Eigeninteresse (wir geben es zu), aber auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und ihres Wohlstandes, der auf dem Sparbuch nicht mehr zu halten, geschweige zu erzielen ist.

Papst

Nach den seltsamen Kapriolen bei – nicht in – der Bild-Zeitung, die wir hier nicht kommentieren wollen, erinnerte uns eine Überschrift aus der Börsen-Zeitung (!) an eine legendäre Headline in der Bild-Zeitung (!): „Wir sind Papst“ stand im April 2005 in der Bild, als Joseph Ratzinger zum Papst Benedikt XVI. gewählt worden war und 80 Millionen Deutsche damit plötzlich Papst, aber nicht unfehlbar wurden. Die Börsen-Zeitung geht es dezidiert vorsichtiger an, denn dort lautet die Headline: „Ich bin nicht der Papst“ – was bei 99,9 Prozent der Menschheit tatsächlich zutreffen dürfte.

Maggi

Die Abendzeitung München erinnert an ein wichtiges Jubiläum: Die Maggi-Würze wird 175 Jahre alt. Unter der etwas neckischen Überschrift „Der maggische Tropfen“ ist u.a. zu lesen, dass der Erfinder Julius Maggi auch den Brühwürfel kreierte und Maggi bereits seit 1947 zu Nestlé gehört. Heute werden von der Würze 240.000 Flaschen täglich produziert und in 21 Länder verschickt. Der durchschnittliche Deutsche „verzehrt“ fast 1 Liter jährlich und im Saarland soll eine Fleischwurst mit vier Maggi-Flaschen als Adventskranz fungieren – nun, wenigstens kann man damit keinen Wohnungsbrand auslösen und das Entsorgen sollte auch keine Probleme bereiten. Ob aber damit die richtige Stimmung aufkommt?

Mensch-Maschine

Wir zitieren hier gewöhnlich nicht aus Pressemitteilungen, sondern aus dem, was daraus gemacht wurde. Einerseits. Andererseits lernen wir Unternehmen kennen mit Produkten, von denen wir bisher nicht die geringste Ahnung hatten und über die wir auch sonst nichts lesen. Und weil das vielleicht nicht nur uns so geht, hier die Mitteilung, dass es einen Spezialisten für „Schraubautomaten“ gibt. Wir wussten nicht, dass es Schraubautomaten gibt, würden uns einen solchen nach dem nächsten Ikea-Kauf aber sehr gerne ausleihen. Wir haben aus der Meldung gelernt, dass sich die Besucher der Messe Motec insbesondere für „Schrauber speziell für die Leichtbautechnik“ interessiert haben – es gibt also, siehe oben, doch sehr viel mehr Menschen als gedacht, die mit Schraubautomaten auf Du und Du sind – Mensch-Roboter-Kollaboration nennt dies die PM.