ESG – mit Transparenz und Authentizität bei Anlegern punkten

Matthias Hach, wallstreet:online AG
Matthias Hach, wallstreet:online AG
Ob Fridays for Future, E-Autos oder plastikfreie Verpackungen im Supermarkt – das Thema Nachhaltigkeit ist seit einiger Zeit aus dem Alltag und der medialen Berichterstattung nicht mehr wegzudenken. Am Finanzmarkt sieht die Lage ähnlich aus: Ein Großteil der börsennotierten Unternehmen richtet ihr unternehmerisches Handeln inzwischen nach den Kriterien Environment (Umwelt), Social (Soziales und Governance (Unternehmensführung), kurz ESG, aus. In der Fondsbranche schmückt sich (nahezu) jeder Fonds mittlerweile mit einem ESG-Ansatz.
 
Und auch institutionelle Investoren achten bei ihren Investitionsentscheidungen immer stärker auf die magischen drei Buchstaben. Eine aktuelle Nachhaltigkeitsstudie von Union Investment bestätigt diesen Trend. So berücksichtigen laut der Umfrage bereits 78 Prozent der Großanleger Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Anlagen – Tendenz: steigend. Leben wir also bereits in einer schönen neuen Welt, in der es nur noch ethisch-ökologisch korrekte Unternehmen und Investoren gibt? Eine verlockende Vorstellung, die aktuell aber wohl mehr Utopie als Realität ist.

Privatanleger oft abgehängt

Schließlich ist Nachhaltigkeit ein weitläufiger Begriff und lässt sich somit nur schwer verifizieren. Außerdem gibt es im ESG-Dickicht inzwischen so viele unterschiedliche Messpunkt und Verfahren – auf Neudeutsch KPIs –, die je nach Geschäftsmodell stark variieren, und wenig vergleichbar sind. Somit lauert an mehreren Ecken die Gefahr, dass viele Maßnahmen grüner dargestellt werden, als sie eigentlich sind: Das viel beschworene Greenwashing, welches selbst für erfahrene ESG-Investoren oftmals nur schwer zu identifizieren ist, lässt grüßen. Ein Aspekt, unter dem vor allem auch Privatanleger leiden – denn für diese Anlegergruppe ist das Thema zum Teil noch immer sehr mühsam zu durchschauen, wie eine nicht repräsentative Umfrage von wallstreet-online.de unter Deutschlands größter finanzaffinen Community zeigt. Rund 13 Prozent der Ende August 2021 befragten Privatanleger gaben an, dass sie sehr gerne in nachhaltige Unternehmen investieren würden, ihnen die Informationen auf der einen Seite aber oftmals zu komplex und die Gefahren des Greenwashing andererseits zu groß waren.

Überraschend eindeutig

Die Umfrage überrascht auch insgesamt in ihrer Deutlichkeit: Denn für rund 53 Prozent der Umfrageteilnehmer spielen ESG-Kriterien bei ihren Anlagen überhaupt keine Rolle. Ist das Thema möglicherweise doch nicht so wichtig für Anleger, die eigenständig agieren? Man kann es fast vermuten. Auf der anderen Seite beschäftigen sich immerhin mehr als 25 Prozent der Teilnehmer mit Nachhaltigkeitskriterien und beziehen diese – neben anderen Kennzahlen – in ihre Investmententscheidungen aktiv mit ein. Für knapp 9 Prozent der Befragten spielt ESG sogar eine absolut ausschlaggebende Rolle, wenn es um die Geldanlage geht. Insofern sind schon über ein Drittel von der Wichtigkeit von ESG-Kriterien überzeugt. Es ist zu erwarten, dass dieser Anteil weiterwächst.

Mehr Durchblick schaffen

Sicherlich würde die Zahl unter den Mitgliedern der Community noch größer ausfallen, wenn die Unternehmen verständlichere Informationen hinsichtlich ihrer ESG-Strategie bereitstellen würden. Börsennotierten Unternehmen sollten solche Strategien demnach klar und präzise formulieren sowie Informationen dazu leicht zugänglich machen. Zudem sollten sie aber vor allem eines sein: authentisch. Ob beispielsweise ein Waffenkonzern wirklich als nachhaltiges Unternehmen überzeugt, weil es seine interne Fahrzeugflotte auf E-Autos umgestellt hat, bleibt fraglich. Zudem darf man bei all dem Hype um das Thema eines nicht vergessen: Auch andere Kennzahlen spielen bei der Anlageentscheidung nach wie vor eine große Rolle und haben weiterhin ihre Daseinsberechtigung. Vielfalt in Kennzahlen ist eben auch wichtig. Wie so oft gilt auch hier beim Investieren: Die gesunde Mischung macht‘s!
Matthias Hach ist CEO der wallstreet:online AG und wallstreet:online capital AG, zu dem auch der Online-Broker „Smartbroker“ gehört. Das Unternehmen betreibt mehrere reichweitenstarke Börsenportale. Vor seinem Engagement bei wallstreet:online arbeitete Hach u. a. zuletzt als Bereichsvorstand Marketing, Digital Banking & Brokerage bei der Commerzbank AG und war vorher jahrelang Vorstandsmitglied und CMO der comdirect Bank AG.