Nikolas Kreuz / Bild: INVIOS GmbH
Der deutsche Leitindex DAX wird größer: Statt derzeit 30 Werte, werden ab September 40 Unternehmen enthalten sein. Der MDAX schrumpft im Gegenzug von 60 auf 50 Mitglieder. Doch die deutsche Börse
vergrößert den DAX nicht nur, sie verschärft auch die Aufnahmeregeln
und zieht damit Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal. Was Anleger bei
der Erweiterung des DAX beachten sollten.
Seit der Einführung des DAX 1988 hat sich das
wichtigste deutsche Börsenbarometer deutlich mehr als verzehnfacht. Wer
vor mehr als dreißig Jahren eingestiegen und seither investiert
geblieben ist, konnte bis Ende 2020 eine jährliche Rendite von knapp 7,6
Prozent erzielen. Selbst Skandale und die Hybris einzelner CEOs konnten
dem DAX in der Vergangenheit wenig schaden, wenn man sich das jüngst
erzielte Allzeithoch vergegenwärtigt. Daher sollte auch jetzt nicht
abgewartet werden, bis die Neuankömmlinge im DAX eingetroffen sind.
Erfahrungsgemäß steigen die Kurse der vermuteten Aufsteiger bereits vor
der DAX-Aufnahme, weil Institutionelle und Semi-Institutionelle sich
schon vorher eindecken. Gut zu sehen ist das an der Kursentwicklung
beispielsweise von
Symrise,
Zalando,
Airbus und der
Porsche SE.
Doch das Gebot der Stunde ist: antizyklisch vor der Herde auf den Trend
setzen, die Welle reiten und die Aktien bei abnehmendem Momentum
abstoßen, sofern kein langfristiges Investitionsinteresse besteht.
Neuro-Finance im Blick behalten
Ist der Trend hingegen einmal gestartet,
unterliegen viele Marktteilnehmer dem Anchoring- und Dispositionseffekt,
der den Aufnahmekandidaten erst allmählich kurstechnisch erwachen
lässt. Fängt die Anlegerherde auf dem rationalen Anpassungspfad erst
einmal an zu traben, befeuern Endowment- und Overconfidence-Effekte,
Herding und Performance Chasing den Trend, es kommt zu deutlichen
Überreaktionen und das Kurskorrekturpotenzial nimmt wieder zu.
Spätestens an diesem Punkt sollte der Neocortex aktiviert und
antizyklisch Positionsreduktion vorgenommen werden.
Auch in
Bezug auf selektive Wahrnehmung ist es wichtig, die Auswirkungen der
Neuro-Finance im Blick zu behalten: Wenn man die in der Kursentwicklung
unterstellten Reinvestitionen der Dividenden im DAX ausblendet, wie es
bei den meisten Marktindizes gilt, dann liegt der DAX bereinigt auf dem
Niveau von März 2000 und damit auf dem Niveau von vor 21 Jahren. Rechnet
man hingegen die Dividenden mit ein, kommt man auf eine Performance von
90 Prozent seit dem März-Hoch vor dem Platzen der Dotcom-Blase.
Erweiterung nur ein Anfang
Grundsätzlich sehen wir die Aufnahme der zehn
unterschiedlichen Kandidaten in den DAX positiv: Die Beletage der
deutschen Aktienindizes wird dadurch sportlicher. Während die aktuellen
30 DAX-Konzerne mit rund 1,4 Billionen Euro für etwa 65 Prozent der
Marktkapitalisierung des deutschen Aktienmarkts stehen, könnte der
Börsenwert der dann 40 DAX-Mitglieder auf rund 1,7 Billionen Euro
beziehungsweise knapp 80 Prozent der Marktkapitalisierung des deutschen
Aktienmarkts ansteigen. Gleichzeitig nähert man sich durch die Aufnahme
und das neue Regelwerk an internationale Standards an, die
Diversifikation steigt, wirkt risikomindernd und wird insgesamt zu einer
stärkeren Stabilität des Index führen. Trotz der Erweiterung wird der
DAX jedoch im internationalen Vergleich weiterhin zu den eher kleineren
Indizes gehören.
Den MDAX hingegen werden die zehn Aufsteiger
schwächen: Es wurde über kein Ausgleichsinstrument nachgedacht, sodass
sich der MDAX um diese Werte verkleinern wird. Viele Marktakteure haben
ihre Bewertungsmodelle aufgrund selektiver Wahrnehmung noch gar nicht
angepasst.
Mit einem Blick in die Zukunft werden zyklische
Sektoren wie Industrie, Grundstoffe und zyklischer Konsum ein höheres
Gewicht erhalten, gleichzeitig dürfte die Bedeutung von Finanz- und
IT-Werten abnehmen. Und vergleicht man den DAX mit international
renommierten Indizes mit 100, 225, 2.000 und mehr Werten, dürfte die
Erweiterung des DAX nur der Anfang sein. Auch passive Investments mit
der erfolgreichen ETF-Industrie werden zukünftig sicherlich weitere
Diversifikationstendenzen erzwingen.
Nikolas Kreuz ist seit über 35 Jahren am Kapitalmarkt tätig. Der Diplom-Kaufmann und Geschäftsführer der
INVIOS GmbH war davon 20 Jahre in der Leitung von Vermögensverwaltungen aktiv: bei der Deutschen Bank, der UBS und der DZ Privatbank in der Schweiz, Luxemburg und Deutschland sowie als Chief Investment Officer für zwei Landesbanken. Nikolas Kreuz führte über 100 Portfoliomanager und verwaltete Vermögenswerte im dreistelligen Milliardenbereich. Die von ihm betreuten Fonds wurden mehrfach ausgezeichnet. Seine langjährige Investmenterfahrung fließt als Know-how in den INVIOS Vermögensbildungsfonds ein, der laut Morningstar zu den besten Fonds weltweit gehört, ausgezeichnet mit fünf Sternen von Fuchs Kapital und Asset Standard sowie einem Top-5-Ranking bei Citywire.