Gesund investieren

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Kilius
 
Der DAX erlebte ein neues Allzeithoch und kletterte über die 16.000er Hürde – und das an einem Freitag, den 13.! Was beherrschte noch die Schlagzeilen in dieser heißen und insgesamt an den Börsen eher ruhigen Ferienwoche? Die „höchste Inflationsrate seit 30 Jahren“ (Abendzeitung) oder „Inflation trifft auf den Alltag" (Die Welt) war genauso Thema wie der Bahnstreik mitten in der Urlaubshauptsaison: „Stillstand“ schrieb die Süddeutsche Zeitung dazu und ebenfalls in Anlehnung an das berühmte Gedicht von Georg Herwegh „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“ hieß es im Münchner Merkur: „Die Räder stehen still". Mancher Bahnreisende dürfte sich, zu Pandemiezeiten eng gedrängt auf dem Bahnsteig stehend, gefragt haben, wann es endlich selbstfahrende Züge gibt.

Experten

Gut, besser am besten heißt es einmal mehr in den wöchentlichen Finanzmagazinen. Mit „Gut leben. Besser verdienen“, lockt Börse Online und lobt damit keinesfalls einen epikureischen Lebensstil, sondern konstatiert im Gegenteil: „Gesunder Lifestyle liegt im Trend. Acht Aktien, die davon profitieren“. Wir haben ins Heft gelinst und fanden unter der Headline „Reich und schön“ Aktien aus den Bereichen Ernährung, Sport, Körperpflege und Gesundheitswesen. Ein wenig konterkariert fanden wir diesen löblichen Ansatz im Folgeartikel, der sich mit der Beliebtheit von gut motorisierten Sportbooten befasst. Auf dem Titel von Focus Money prangen 100 Euro-Scheine zu „Die besten Empfehlungen der besten Experten der Welt“. Kurz überlegten wir, ob die besten Experten möglicherweise einmal die schlechtesten Empfehlungen und umgekehrt, die schlechtesten Experten die besten geben könnten, aber sei’s drum. Immerhin erzielten diese Experten laut Focus Money eine „Trefferquote von 95 Prozent“ und „Kurs-Chancen von bis zu 400 Prozent“! Sollten Sie neugierig geworden sein, Tipps lieferten beispielsweise John Pitzer, Kimberly Green-Berger, Nicole Deblase oder Keay Nakae, erfahrene Analysten internationaler Banken. Die WirtschaftsWoche hingegen zeigt einen Bullen mit Heiligenschein und Weizenstängel im Mund - letzter erinnert an die neueren Lucky Luke-Ausgaben, in denen der Cowboy statt an der obligatorischen Zigarette an einem Grashalm kaut. „Die 20 besten Aktien fürs grüne Gewissen“ verspricht das Heft dazu, dafür könnte dann ja Lucky Luke den "Vorreiter" mimen.

Aktien

Während unser Finanzminister Aktien für die Rente propagierte, machte die tz München auf der Titelseite groß mit „Aktien-Tipps für Rentner“ auf. „Angst vor Inflation? So legen Sie Ihr Geld an der Börse an“ stand darunter, was uns neugierig machte, obwohl die Rente noch auf sich warten lässt. „Für Aktien ist man nie zu alt“ heißt es dann im Artikel, warum auch. Allerdings halten laut Deutschem Aktieninstitut 86 Prozent der Senioren über  60 keine Aktien im Depot. Aktien-Experte Max Geißler nennt sechs Gründe, warum auch Ältere in Aktien investieren sollten, darunter „Mit dem Sparbuch macht man Verlust“ und „Auch Rentner haben einen langen Anlagehorizont“. Dem haben wir – ausnahmsweise – nichts hinzuzufügen.

Hirn

Wenn es eine Zeitung gibt, die für höchste Seriosität steht, dann eine mit drei Buchstaben: Die NZZ, die Neue Zürcher Zeitung, die im Übrigen so neu nicht ist, denn immerhin wurde das Blatt bereits im Jahr 1780 von dem Idyllen-Dichter Salomon Geßner gegründet. Hier stießen wir mitten in einer wichtigen Beschäftigung am Schreibtisch auf die Überschrift „Tagträumen im Büro ist wichtig“! Das weckte uns abrupt und wir lasen weiter: „Weshalb unser Gehirn in der modernen Arbeitswelt an Grenzen stößt“. Unser Gehirn, wir Männer wissen das, ist nicht auf Multi-Tasking ausgerichtet und vor lauter vielfältigen Aufgaben fühlen sich Menschen gestresst, wenn sie einmal nichts tun müssen, zitiert die Autorin Natalie Gratwohl den Neurobiologen Bernd Hufnagl. Dieser berät Firmen „in hirngerechter Arbeitsweise“. Wichtige Erkenntnis: Das Gehirn braucht ineffiziente Phasen, um sich mit dem nötigen Abstand länger auf eine Sache konzentrieren zu können. Wir erinnern uns dabei an das alte Sprichwort: "Büroschlaf ist der gesündeste"!

Falten

Also, was wir uns auch mit zunehmendem Alter weniger wünschen sind Falten. Leider stellen sie sich ohne zu fragen von selbst ein. So wurden wir bei der Überschrift in Die Welt stutzig: „Falten für die Masse“! Das klingt immerhin besser als „eine Masse Falten“ beim Blick in den Spiegel, aber weil wir uns auf den Finanzen-Teil der Zeitung konzentrierten, ging es dann doch nicht um den vergeblichen Einsatz von Anti-Aging-Produkten, sondern um das neueste klapp- und biegbare Smartphone von Samsung. Günstiger und robuster sei es auf „dem Durchbruch“, so die Zeitung, wobei wir diesen besser nicht wörtlich nehmen wollen.