Deutsche Unternehmen: Stimmungseintrübung trotz guter aktueller Lage

Dr. Klaus Bauknecht, IKB Deutsche Industriebank AG
Dr. Klaus Bauknecht / Bild: IKB Deutsche Industriebank AG
Fazit: Das ifo Geschäftsklima hat sich im Juli leicht eingetrübt, hält sich aber auf hohem Niveau. Es bleibt eine Achterbahnfahrt: Corona-Inzidenzzahlen steigen und fallen, Lockdown-Maßnahmen werden gelockert und wieder verschärft. Da erweist sich die nach wie vor gute Unternehmenseinschätzung der Geschäftslage als einer der wenigen stabilen Hoffnungsträger für den Konjunkturausblick. Der Grund hierfür mag nicht nur in der guten Auftragslage und der Möglichkeit von Preiserhöhungen zu finden sein, sondern liegt auch in der Kurzarbeiterregelung, die dem ifo Geschäftsklima grundsätzlich Auftrieb gibt und negative Konsequenzen durch die Produktionsprobleme dämpft. Deshalb wird auch die aktuelle Lage von den Unternehmen um einiges besser beurteilt, als es die anhaltende Diskussion über Lieferengpässe vermuten lässt. Der Ausblick der Unternehmen vor allem in der Industrie wird allerdings zunehmend von der unübersichtlichen  Konjunktur- und Pandemielage überschattet. Die  IKB erwartet in Deutschland für das laufende Jahr ein BIP-Wachstum von 3,5 Prozent.

ifo-Geschäftsklima trübt sich leicht ein – doch aktuelle Lage wird besser bewertet

Das ifo Geschäftsklima hat sich im Juli eingetrübt. Der Index sank um 0,9 Punkte, bleibt damit nach wie vor auf einem hohen Niveau. Verantwortlich für den Rückgang war die schlechtere Einschätzung der Geschäftsperspektiven. Dieser Index sank klar um 2,5 Punkte auf 101,2 Zähler, blieb damit ebenfalls auf recht hohem Niveau. Etwas verbessert hat sich hingegen die Beurteilung der aktuellen Lage. Hier gab es ein Plus von 0,7 Zähler.

Gute aktuelle Stimmung in der Industrie trotz anhaltender Produktionsprobleme

Die Stimmung in der Wirtschaft bleibt – trotz aktueller leichter Eintrübung – außerordentlich gut. Dies haben auch die Einkaufsmanager-Indizes (PMI) der letztenWoche gezeigt. Ein Grund mögen die nach wie vor robuste Nachfrage bzw. die Lockerungsmaßnahmen vor allem im Dienstleistungsbereich sein. Für die Industrie bleibt die Einschätzung zur aktuellen Lage ebenfalls auf hohem Niveau, auch wenn der PMI für Juli erste leichte Rücksetzer verzeichnete, was sicherlich mehr an Zulieferengpässen als einer schwächeren Nachfrage lag. Verglichen mit den anhaltend bedrohlichen Nachrichten in den Medien zu Lieferengpässen und Produktionsproblemen fallen die Stimmungsindikatoren jedoch nach wie vor überraschend gut aus. Unternehmen scheinen davon auszugehen, dass sie ihre gut gefüllten Auftragsbücher später abarbeiten bzw. durch Preissteigerungen ihre Profitabilität stabil halten können. Dies gilt insbesondere für die Industrie. Dennoch ist eine zunehmende Verunsicherung über die Zukunft zu erkennen. Hier mögen sich zum Teil zunehmende Sorgen rund um den Einfluss der Delta-Corona-Variante widerspiegeln. Es kann aber auch eine Relativierung der vorangegangenen sehr positiven Erwartungen sein. Eine bedeutende Stimmungsverschlechterung sollte auf Grundlage der aktuellen Datenlage – aber auch der Kurzarbeiterregelung – jedoch nicht erwartet werden.

Kurzarbeitergeld – mit ein Grund für die positive Lageeinschätzung in der Industrie?

Nicht nur Preissteigerungen dämpfen die negativen Konsequenzen der Produktionsausfälle auf die Ertragslage. Die Kurzarbeiterregelung stützt durch Subventionierung der Lohnkosten ebenfalls die Gewinne der Unternehmen. Denn empirisch zeigt sich, dass eine Zunahme der Kurzarbeiteranträge einer positiven Veränderung des ifo Geschäftsklimas und damit der Stimmungslage der Unternehmen zeitlich voraus geht. Nehmen die Anträge zur Kurzarbeit zu, hat dies in den Folgemonaten einen positiven Einfluss auf den ifo Index und damit auf die Stimmung der Unternehmen. Es ist also nicht eine Stimmungseintrübung, die zu mehr Kurzarbeit führt. Es ist vielmehr die Möglichkeit und Nutzung der Kurzarbeiterregelung, die zu einer Stimmungsaufhellung bei den Unternehmen führt. Ohne Frage geht bei einer konjunkturellen Eintrübung eine anfängliche Zunahme der Kurzarbeit mit einem Rückgang des ifo-Geschäftsklimas und damit einer Stimmungseintrübung einher. Im weiteren Verlauf verbessert sich jedoch infolge der Entlastung durch die Kurzarbeiterregelung selbst bei gleicher Konjunkturlage die Stimmung. Dies erklärt auch die auf den ersten Blick doch eher verwunderliche Entwicklung, dass sich aktuell die Stimmung auf einem hohen Niveau hält, obwohl die Produktion gedrosselt wird. Dies gilt für die gesamte Industrie und speziell für die Automobilindustrie. So hat sich der  ifo-Index für die Automobilindustrie im Gegensatz zum Geschäftsklima der Gesamtwirtschaft deutlich verbessert. Hier hat sich der Stimmungswert um fast 3 Zähler erhöht. Trotz anhaltender Produktionsprobleme sind die Automobilunternehmen in bester Stimmung.
Die Stimmungsaufhellung infolge einer zunehmenden Nutzung der Kurzarbeiterregel ist gerechtfertigt. So zeigen empirische Schätzungen, dass das Ausfallrisiko mit steigender Nutzung der Kurzarbeit sinkt. Gemäß empirischen Schätzungen reduziert ein Anstieg der Anzahl der Kurzarbeiter um eine Million die Insolvenzquote für Unternehmen um über 0,1 Prozentpunkte. Die Ausweitung der Kurzarbeit von quasi null im Jahr 2019 auf durchschnittlich fast 3 Mio. Beschäftigte im Jahr 2020 hat also eine Erhöhung der Ausfallrate von Unternehmen um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte verhindert. Ist das viel oder wenig? Der jährliche Durchschnitt der Ausfallraten lag zwischen 2001 und 2020 bei 0,9 Prozent pro Jahr. Im Jahr 2019 lag die Ausfallrate bei 0,6 Prozent. Ein Anstieg von 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte entspricht also fast einer Verdopplung der Ausfallrate. Auch bezogen auf den langjährigen Durchschnitt ist es eine bedeutende Größe. Kein Zweifel: Die Kurzarbeiterregelung reduziert insbesondere in Krisen wie in den Jahren 2009 und 2020 den Anstieg der Unternehmensausfälle deutlich. Auch die aktuelle Nutzung vor allem in der Automobilindustrie dämpft das Ausfallrisiko und hält die Stimmung auf hohem Niveau.

Einschätzung: ifo Geschäftsklima bestätigt Konjunkturaufhellung für das zweite Halbjahr2021

Der ifo-Index ist im zweiten Quartal deutlich gestiegen. Auf Grundlage von empirischen Analysen signalisiert dies im dritten Quartal 2021 eine Wachstumsbeschleunigung. Denn der ifo Index ist mit einem Quartal Vorlauf ein guter Indikator für das vierteljährliche BIP-Wachstum. So bestätigt das ifo Geschäftsklima der letzten Monate die allgemeine Erwartung, dass sich die Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte deutlich beleben dürfte. Diese Einschätzung sollte trotz steigender Inzidenzquoten Bestand haben. So haben die Lockdown-Maßnahmen zunehmend weniger Einfluss auf die Wirtschaft, nicht zuletzt, weil ein synchroner globaler Lockdown wie im zweiten Quartal 2020 nicht mehr zu erwarten ist. Und auch die ifo-Werte für Juli bestätigen dieses Bild, denn das Niveau des Index bleibt relativ hoch. Überraschend ist dennoch, dass sich die Einschätzung der aktuellen Lage weiter verbessert hat und sich die Geschäftsperspektiven eingetrübt haben. Auf Grundlage der aktuellen Angebotsprobleme hätte man es umgekehrt erwarten können. Doch hier zeigt sich, dass die aktuelle Lage, unterstützt von Preisanpassungen und Kostenreduzierung, um einiges weniger kritisch gesehen wird als die Zukunft; zunehmende Unsicherheit der Industrieunternehmen belasten den Geschäftsausblick. Die IKB erwartet ein BIP-Wachstum von rund 3,5 Prozent im Jahr 2021.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank und schreibt dort auch im eigenen IKB-Blog. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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