Inflationshöhepunkt dürfte bald erreicht sein

Darren Williams, AllianceBernstein (AB)
Darren Williams / Bild: AllianceBernstein (AB)
Die Erholung der Weltwirtschaft nimmt zwar weiter Fahrt auf, geht aber weiterhin mit global steigenden Inflationsraten einher. Wir haben unsere Prognosen angehoben und erwarten, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr um 6,1 Prozent und im Jahr 2022 um 4,3 Prozent wachsen wird. Beide Prognosen liegen deutlich über dem Vorkrisentrend von rund 3 Prozent. Die weltweite Produktion hat zwar wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht, liegt aber immer noch 3 Prozent unter dem Wert, der ohne die COVID-19-Krise erreicht worden wäre. Diese Lücke sollte sich im Laufe des kommenden Jahres verkleinern, aber wir bezweifeln, dass das Wachstum stark genug sein wird, um sie ganz zu schließen.

USA boomt, Euroraum profitiert vom Impfprogramm

Der erwartete Wachstumsboom ist da: Mit dem Rückgang von COVID-19 wird die US-Wirtschaft im Jahr 2021 wahrscheinlich die höchste jährliche Wachstumsrate seit fast 40 Jahren verzeichnen. Dies wird das Bruttoinlandsprodukt wieder auf den Vorkrisentrend und darüber hinaus bringen, da die aufgestaute Nachfrage und die starke Finanzlage der Haushalte den Konsum ankurbeln. Während die Nachfrage steigt, steht die Angebotsseite der Wirtschaft jedoch unter Druck. Engpässe in den globalen Lieferketten und Arbeitskräftemangel treiben die Preise in die Höhe und werden dies auch über den Sommer hinweg tun. Wir denken jedoch, dass der Preisdruck nur vorübergehend ist.
 
Nach einigen schwierigen Monaten verbessern sich die Aussichten für den Euroraum, da die Impfprogramme allmählich eine kritische Masse erreichen. Wir haben unsere Wachstumserwartungen deshalb für dieses und nächstes Jahr auf 4,5 Prozent angehoben. Wir schätzen, dass die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal etwa 4 Prozent unter dem Vorkrisenniveau lag, sich diese Lücke bis zum Jahresende aber geschlossen haben wird.

Inflationshöhepunkt steht bevor

Die mit COVID-19 einhergehenden Nachfrage- und Angebotsverzerrungen lassen die Inflation steigen. Wir haben deshalb unsere Inflationsprognosen für 2021 nach oben korrigiert und gehen davon aus, dass die Geldentwertung in den entwickelten Volkswirtschaften in diesem Jahr 2,4 Prozent erreichen wird, bevor sie sich 2022 auf 1,9 Prozent abschwächt. Der zugrundeliegende Inflationsdruck ist zwar gedämpft, in einigen Staaten ist jedoch Vorsicht geboten. Die Inflation hat insbesondere in den Schwellenländern überraschend stark angezogen. Steigende Lebensmittel- und Ölpreise sowie anhaltende pandemiebedingte Preisverzerrungen – teilweise aufgrund von Versorgungsengpässen – könnten zu einem teuflischen Inflationszyklus führen

Fed und EZB werden Anleihekäufe reduzieren

Eine anhaltend hohe Inflation würde den geldpolitischen Ausblick trüben und einen großen Schatten auf die Finanzmärkte werfen. Aus heutiger Sicht dürfte der geldpolitische Stimulus in den kommenden Jahren aber nur sehr langsam zurückgeführt werden. Das heißt nicht, dass die Zentralbanken einen einheitlichen geldpolitischen Kurs einschlagen werden. Viele Notenbanken, darunter auch die Federal Reserve, werden versuchen, die Geldpolitik nach dem Abklingen der Krise allmählich wieder zu normalisieren und beginnen, die Anleihekäufe zu reduzieren. Wir rechnen damit im vierten Quartal 2021. Zinserhöhungen der Fed sind noch in weiter Ferne.
 
Für eine vollständige Erholung Europas ist eine kontinuierliche Unterstützung durch die Europäische Zentralbank (EZB) erforderlich. Die EZB wird das Tempo ihrer Anleihekäufe im kommenden Jahr wahrscheinlich verringern, aber weiterhin genügend Anleihen kaufen, um die Renditen auf einem sehr niedrigen Niveau zu halten. Eine Zinserhöhung ist auch hier nicht in Sicht.
 
Die Bank of England (BoE) schlägt einen etwas anderen Kurs ein. Trotz der Geschwindigkeit der Erholung im Vereinigten Königreich, dürfte die BoE ihre Geldpolitik für den Rest des Jahres beibehalten. Wir erwarten, dass die Bank die Zinsen in der zweiten Hälfte 2022 auf 0,5 Prozent anheben wird. Wie schon vor der Pandemie dürfte die geldpolitische Straffung in einem allmählichen Tempo und in begrenztem Umfang erfolgen.
Darren Williams ist Chefvolkswirt beim Asset Manager AllianceBernstein (AB)