Fed sollte nicht zu sehr auf Beschäftigungsquote starren

John Vail, Nikko Asset Management
John Vail / Bild: Nikko Asset Management
  • Gegenwärtig ist die US-Beschäftigungsquote (Anteil der Erwerbstätigen an der Zivilbevölkerung über 15 Jahren) aus der Haushaltsbefragung ebenso wichtig wie die Lohnsummenangaben aus der Betriebsumfrage. Die demografische Entwicklung zeigt eine zunehmende Anzahl von Rentnern, von denen viele ihren Ruhestand vor der Pandemie aufgeschoben haben, diesen aber aus gesundheitlichen Gründen und wegen ihres weiter fortgeschrittenen Alters nicht wieder aufschieben werden. Die Beschäftigungsquote dürfte daher nicht auf das Niveau vor der Pandemie ansteigen. Sollte die Fed, die in letzter Zeit die Bedeutung der Beschäftigungsquote betont hat, die Wirtschaft stärker antreiben, um eine nicht nachhaltige Quote zu erreichen, könnte sie damit eine nicht nur vorübergehende Inflation verursachen.
  • In konkreten Prognosen lautet das: Die Beschäftigungsquote dürfte im Juni auf den Durchschnitt der Jahre 2010-2013 von 58,5 Prozent geklettert sein und in den kommenden Monaten weiter ansteigen. Sie wird jedoch weit von ihrem 61,1 Prozent-Niveau vom Februar 2020 entfernt bleiben.
  • Sollten die Beschäftigtenzahlen und die Beschäftigungsquote im Juni nach oben überraschen, insbesondere wenn die beiden Vormonate deutlich nach oben revidiert werden, dann könnte die Fed noch vor der FOMC-Sitzung im Juli verstärkt in Tapering-Diskussionen einsteigen und eine baldige Entscheidung darüber andeuten beziehungsweise die Zusammensetzung ihrer QE-Maßnahmen kurzfristig ändern.
  • Ein wenig beachteter, aber wichtiger Faktor ist, dass die Kapazitätsauslastung des verarbeitenden Gewerbes das Niveau vor der Pandemie erreicht hat. Dies deutet darauf hin, dass sich die Wirtschaft auf einem hohen Niveau befindet und nicht zu sehr weiter getrieben werden sollte.

Langfristige Weichenstellung per Personalentscheidungen

Eine der wichtigsten geldpolitischen Fragen betrifft derweil die mögliche Neubesetzung aller drei Spitzenpositionen der Fed. Gut möglich, dass der Vorsitzende Powell in den wohlverdienten Ruhestand geht, wenn seine Amtszeit im Februar ausläuft. Dann dürfte Fed-Vorstandsmitglied Lael Brainard (die unter Präsident Obama in hochrangigen Positionen im Finanzministerium gearbeitet hat und einst Wirtschaftsprofessorin am MIT war), für den Job nominiert werden. Sie ist fest in der Demokratischen Partei verankert und gilt als moderat „dovish“, aber auch als strenge Bankenreguliererin.
 
Die Position des stellvertretenden Vorsitzenden, der normalerweise für Währungsangelegenheiten zuständig ist, hat Richard Clarida inne, ein überzeugter Republikaner, der nach seiner Amtszeit Anfang nächsten Jahres ausgewechselt werden dürfte. Der stellvertretende Vorsitzende für die Finanzaufsicht Randy Quarles, ebenfalls Republikaner, dürfte ebenfalls ersetzt werden, auch wenn er womöglich (und ungewöhnlicherweise) als reguläres Vorstandsmitglied bleiben könnte. Insgesamt müssen die Demokraten wahrscheinlich sehr bald vier Vorstandsmitglieder nominieren. Die Demokraten werden die Fed nur sehr vorsichtig in einen noch progressiveren Modus drängen, damit der Anleihenmarkt, vor allem die ausländischen Investoren, nicht das Vertrauen in den US-Dollar verlieren. Eine moderatere Richtung ist jedoch sehr wahrscheinlich, so dass es interessant sein wird zu sehen, wie die Märkte reagieren. Alle diese Spitzenpositionen haben eine vierjährige Amtszeit und können kaum entlassen werden, so dass es sich um eine langfristige Veränderung handeln wird. Die Auswirkung einer viel strengeren Bankenregulierung, gekoppelt mit progressiven, auch ökologisch orientierten, Kreditvergabemandaten, würde ebenfalls weitreichende Auswirkungen haben.
John Vail ist Chief Global Strategist bei Nikko Asset Management