Schwellenländeranleihen: Kurs halten in unsicherem Fahrwasser
Die direkten Ausläufer der Volten von Präsident Trump in der Zollpolitik haben uns in unserer Auffassung bestätigt, dass man stets das Risiko/Rendite-Verhältnis als Kompass nutzen sollte.
Man sollte also sein Augenmerk darauf richten, was man im schlimmsten Fall verliert, anstatt Prognosen dazu anzustellen, wie wahrscheinlich ein solches Worst-Case-Szenario ist, und damit Gefahr zu laufen, in eine Negativspirale zu geraten.
Der jüngste Ausverkauf nach dem ‚Liberation Day‘ unterstreicht, wie entscheidend der Blick auf die Bewertung ist. Bei manchen High-Yield (HY)-Titeln drohen bereits auf Sicht von sechs Monaten Verluste – es sei denn, die Marktbedingungen verschlechtern sich erneut so drastisch wie zu Zeiten von COVID-19 oder dem Höhepunkt des Russland-Ukraine-Kriegs. Auf den ersten Blick wirken die Spreads derzeit nicht eindeutig günstig. Wer jedoch nur auf die Gesamtniveaus blickt, übersieht Chancen – gerade im HY-Segment, wo selektive Gelegenheiten durch die jüngste Marktbewegung entstanden sind.
Ausschlaggebender Faktor bei Anlageentscheidungen sollte der Preis sein. Ein besonderer Schwerpunkt sollte dabei auf dem Risiko/Rendite-Verhältnis liegen. Nicht minder wichtig ist indes auch die flexible Anpassung von Risikopositionen. Wir erleben einen grundlegenden Wandel, der sich im Zuge der versuchten Neugestaltung der globalen Ordnung durch die US-Regierung weiter fortsetzen wird.
Das Ende des amerikanischen Exzeptionalismus?
Ob dies zu einer Rezession in den USA führt, wie tief diese sein wird und ob es damit letztlich auch zu einer globalen Rezession kommt, sind Fragen, die im Moment niemand beantworten kann. Eine Konjunkturabkühlung in den USA und ein Rückzug aus Vermögenswerten in US-Dollar (und damit ein schwächerer Dollar) könnten positive Auswirkungen für Schwellenländer haben. EM-Papiere in Lokalwährung wären dann besonders attraktiv.
Die Renditen solcher Papiere könnten sinken, sodass sich ein günstige Einstiegsgelegenheit böte. Auch die Inflation könnte in Schwellenländern schneller sinken als erwartet. Diese Entwicklung könnte einhergehen mit schwächerem Wirtschaftswachstum, niedrigeren Rohstoffpreisen und aus China importierten deflationären Tendenzen. Weitet sich dies zu einer globalen Wachstumsschwäche aus, könnten die Zentralbanken zudem Spielräume für stärkere Zinssenkungen sehen, als am Markt derzeit erwartet.
90tägige Verschnaufpause
Man muss kein Experte für die aktuelle weltpolitische Lage sein, um abschätzen zu können, wohin die Reise geht. Dazu haben wir in einem ersten Schritt große Teile des EM-Universums nach potenziellen ‚Gewinnern und Verlierern‘ des Schlagabtauschs in der Zollpolitik durchforstet, wohl wissend, dass wir nur eine Verschnaufpause von 90 Tagen haben.
In Abbildung 1 sind Risikofaktoren und Auswirkungen von US-Zöllen und die makroökonomischen Angriffsflächen der einzelnen Länder gegenübergestellt. Im regionalen Vergleich könnte Asien besonders stark unter den Zöllen zu leiden haben, wenn diese wieder in Kraft treten, während Lateinamerika aufgrund seiner geografischen Lage in der westlichen Hemisphäre und der Tatsache, dass von dort vor allem Rohstoffe in die USA exportiert werden, weniger stark davon betroffen sein dürfte. Mitteleuropa, der Nahe Osten und Afrika (CEEMEA) dürften die Auswirkungen eher indirekt, über die Wachstumsentwicklung in der EU einerseits und China andererseits zu spüren bekommen.
Auf Länderebene sollte man bedenken, dass in einem solch unsicheren Umfeld Länder mit einem hohen Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit wie Rumänien und Südafrika in der Regel stärker gefährdet sind, wenn eine Stagflation weltweit für anhaltend hohe Zinsen sorgt. Umgekehrt könnten sich Länder mit einer diversifizierten Wirtschaftsstruktur und/oder einer robusten Binnennachfrage, wie Polen, Indien und Brasilien, besser entwickeln. Bei nach wie vor sehr vielen Unbekannten sind fiskalpolitische Spielräume sicherlich ein Pluspunkt. Auf Länder mit angespannter Haushaltslage wie Ungarn und Kolumbien könnten daher härtere Zeiten zukommen. Wo ein Land auf dem geopolitischen Spektrum angesiedelt ist, wird schließlich auch immer wichtiger: Mexiko, die Türkei und Polen dürften daher eher auf der Gewinnerseite stehen als Südafrika, China und Kolumbien.
Abbildung 1: Schwellenländer und ihre Anfälligkeit für US-Zölle
