Japan: Ist die Takaichi-Kursrally von Dauer?
Angesichts ihrer Befürwortung hoher Staatsausgaben und geldpolitischer Lockerung löste Takaichis Sieg einen Kursanstieg japanischer Aktien aus. Gleichzeitig begann der Swap-Markt, die Erwartung einer baldigen Zinserhöhung auszupreisen. Am Devisenmarkt sank der Yen gegenüber dem Euro auf ein Rekordtief. Langfristige japanische Staatsanleihen gerieten unter Druck – allzu einseitig sollten Anleger makroökonomische Stimulierungsmaßnahmen im Stil der Abenomics nicht erwarten.
Fiskalpolitik könnte unterstützend wirken
Die neue LDP-Führung – und die Aussicht auf eine neue Premierministerin an der Spitze der Minderheitsregierung – hat einige Gründe, eine moderat lockerere Fiskalpolitik zu unterstützen. Die Oppositionsparteien sind sich einig in ihrer Forderung nach zusätzlichen Konjunkturmaßnahmen, um die Auswirkungen der höheren Preise auf die Haushalte abzufedern, z. B. durch die Anhebung des maximalen Steuerfreibetrags. Solche moderaten und vorübergehenden Konjunkturmaßnahmen könnten die japanische Binnenwirtschaft stützen. Am Rentenmarkt jedoch dürfte Anzeichen für eine Abkehr von der jüngsten Haushaltsdisziplin weniger begrüßen. Insofern könnte der Anleihemarkt als Kontrollinstanz für übermäßig aggressive Ausgaben fungieren.
Andere Bedingungen als zu Beginn der „Abenomics”
Für die BOJ bleibt die Herausforderung, eine über ihrem Ziel liegende Inflation zu steuern. Schon bei der letzten BOJ-Sitzung hatten sich einige Mitglieder für eine Zinserhöhung ausgesprochen, um die Inflationserwartungen in Schach zu halten. Die BOJ wird womöglich zeigen wollen, dass sie in Bezug auf die Inflation nicht „hinter der Kurve” zurückbleibt. Die derzeitige Steilheit der Zinsstrukturkurve könnte eine Warnung sein.
Wirtschafts- und Marktbedingungen unterscheiden sich deutlich von denen im Jahr 2012, als Premierminister Shinzo Abe die Führung der LDP übernahm. Japan hatte damals zwei Jahrzehnte Deflation und Nullwachstum hinter sich, verbunden mit negativen Inflationserwartungen. Der Dollar/Yen-Kurs lag unter 100 und die Arbeitslosenquote bei 4,2 Prozent, mehr als einen Prozentpunkt höher als heute. Im Gegensatz dazu ist der Arbeitskräftemangel heute akut und die Inflation liegt über dem Ziel. Die Nominallöhne müssen daher nicht nur steigen, sondern auch mit den steigenden Preisen Schritt halten – was in direktem Zusammenhang mit dem Inflationsbekämpfungsmandat der BOJ steht. Eine erfahrene Politikerin wie Takaichi dürfte diesen wichtigen Unterschieden zwischen damals und heute einige Beachtung schenken.
Vorübergehende Konjunktur möglich
Unterdessen bleibt der AI-Investitionsboom, der die US-Aktien dominiert, weiterhin der Hintergrund für die Rally am japanischen Aktienmarkt. Diese Begeisterung hat die schwächeren Signale vom US-Arbeitsmarkt überstrahlt. Die aktuellen Bewertungen stehen in deutlichem Kontrast zu den für das kommende Jahr eingepreisten mehrfachen Zinssenkungen der Fed, welche auf eine erhebliche Konjunkturabkühlung hindeuten. Paradoxerweise scheint die Erwartung niedrigerer Zinsen die aktuellen Bewertungen an den US-Aktienmärkten gestützt und sogar auf andere Märkte übergegriffen haben. Beide Sichtweisen können jedoch nicht unbegrenzt nebeneinander bestehen. Insofern dieser Widerspruch einen Beitrag zur anhaltenden Aktienrally geleistet hat, ist eine vorübergehende Korrektur möglich.
Dennoch bleiben wir hinsichtlich der Entwicklung Japans und japanischer Aktien positiv gestimmt. Wir sind weiterhin zuversichtlich für Japan, bleiben aber wachsam hinsichtlich der kurzfristigen Marktstärke und der Möglichkeit, dass diese die Fundamentaldaten übertrifft, was zu einer Korrekturphase führen könnte.