Immaterielle Investitionen im Auftrieb

Anfang der 90er Jahre lag der Anteil von immateriellen Investitionen bei nur rund 10 Prozent der gesamten Anlageinvestitionen. Im dritten Quartal 2024 ist dieser Anteil auf rund 20 Prozent angestiegen. Da Ausrüstungsinvestitionen einiges konjunktursensitiver sind als Forschung und Entwicklungsausgaben, geht ihr Anteil vor allem in Krisenzeiten bzw. Schwächephasen der Wirtschaft zurück. Dies war in der Finanz- und der Coronakrise klar erkennbar. Aber auch aktuell angesichts der anhaltenden Stagnation sinkt der Anteil relativ zu immateriellen Investitionen. Auch ist seit 2010 ein klarer Trend erkennbar: Immaterielle Investition gewinnen an Bedeutung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung (s. Abb. 1).
Gemäß dem ifo Institut liegt der Grund für den Anstieg immaterieller Investitionen an veränderten Produktionsstrukturen und dem stärkeren Fokus auf KI und Software-Entwicklung. Auch hat das Streben nach höherer Wertschöpfung in der Industrie zu der Verlagerung von klassischen Produktionsprozessen ins Ausland geführt. Doch die Transformationsziele zur Klimaneutralität forciert eine Erneuerung des Kapitalstocks. Dieser mag in Zukunft mehr und mehr aus immateriellen Investitionen bestehen. Doch die Wertschöpfung aus Forschung und Entwicklung würde ohne komplementäre Investitionen zumindest teilweise verloren gehen und im Ausland stattfinden. Der Standort würde die potenzielle Rendite des technologischen Fortschritts nicht nutzen.
Ausrüstungsinvestitionen bleiben bedeutend
Ohne Zweifel gewinnen Forschung und Entwicklung an Bedeutung. Und sicherlich mögen Ausrüstungsinvestitionen eine untergeordnete Rolle in Bereichen wie Pharma, Software und KI spielen. In diesen Fällen kann die Wertschöpfung nur mit einem kleinen Beitrag an Ausrüstungsinvestitionen erreicht werden. Dies mag selbst für traditionelle Branchen wie den Maschinenbau gelten, wo zunehmend Forschung und Entwicklung in KI-basierte Lösungsansätze stattfindet.
Doch sollen Forschung und Entwicklungsausgaben in Deutschland auch zu einer breiteren Wohlstandförderung dienen, dann müssen Sachinvestitionen komplementär umgesetzt werden – zumindest in vielen Industriebranchen. So muss Forschung am Standort auch zu höheren Anlageinvestitionen führen. Am Beispiel neuer Technologien zu Klimaneutralität bedeutet dies: Wollen wir sie nur entwickeln, oder sie am Standort Deutschland auch anwenden und somit neue Arbeitsplätze schaffen? Laut dem VDA wird die Automobilindustrie zwischen 2025 bis 2029 rund 320 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investieren. Sachinvestitionen sollen sich hingegen auf etwa 220 Milliarden Euro belaufen. Die Automobilindustrie ist deshalb ein aktuelles Beispiel wie gerade Disruptionen und technologischer Wandel immateriellen Investitionen Auftrieb gibt und diese wiederum Anlageninvestitionen fördern. Die Frage ist nur, wo die 220 Mrd. Euro, die wiederum ein Vielfaches an Wertschöpfung für eine Wirtschaft bedeuten, investiert werden.
IKB-Umfrage: Ja und nein zum Standort Deutschland
Eine Umfrage der IKB bestätigt die Bedeutung des Standorts Deutschland für Forschung und Entwicklung, gleichwohl zeigt sie aber auch eine zunehmende Aversion, in Deutschland zu investieren. Nur 17 Prozent der Befragten Unternehmen des gehobenen Mittelstands stimmen der Aussage zu, dass Investitionen im Jahr 2025 in Deutschland zulegen werden – trotz eines niedrigen Niveaus. Dies gilt selbst dann, wenn von einer Konjunkturbelebung ausgegangen wird. Fast alle Unternehmen stimmen jedoch zu, dass Deutschland „der Standort“ ist, wenn es um Forschung und Entwicklung geht.
Die anhaltende Stagnation und fehlenden Investitionsdynamik belasten den Standort Deutschland, und dies in einem zunehmenden Maße. Haben 2024 nur 13 Prozent der Unternehmen sich klar gegen eine Investition am Inlandsstandort ausgesprochen, sind es aktuell bereits 23 Prozent. Der Anteil der Unternehmen, die sich klar für den Standort entscheiden, ist von fast 40 Prozent auf unter 30 Prozent gefallen – und dies innerhalb von 12 Monaten. Für die Automobilindustrie ist dieser Wert von 18 Prozent auf 14 Prozent zurückgegangen. Besonders hat sich bei den Automobilunternehmen die Haltung zu Auslandsstandorten geändert. 2024 planten noch 15 Prozent im Ausland zu investieren, 2025 waren es bereits 43 Prozent.
Empirische Analysen – zu wenig Rendite aus Forschung und Entwicklung
Doch empirische Analysen deuten auf eine nachlassende Bedeutung von immateriellen Investitionen für das BIP-Wachstum hin – vor allem seit 2020. Immaterielle Investitionen haben also keinen bedeutenden Erklärungsbeitrag für die deutsche BIP-Entwicklung der letzten Jahre. Wie kann es auch anders sein. Schließlich steigen Forschungs- und Entwicklungsausgaben stetig an, während das BIP nun schon mehrere Jahre stagniert. Zwar zeigt Abb. 1 bereits seit der Finanzkrise eine Ausweitung der immateriellen Investitionen relativ zum BIP. Dieser ist jedoch gerade in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Deutschland bekommt immer weniger BIP für investiertes Kapital in Forschung und Entwicklung.
Bei den klassischen Sachinvestition ist die Dynamik eine andere. Sie bleiben ungeachtet des Zeitraums ein wichtiger Erklärungsfaktor für das deutsche BIP. Dies war gerade in den letzten Jahren der Fall, als fehlende Investitionen zu einer anhaltenden Stagnation führten. So führte zum Beispiel erhöhter Wettbewerbsdruck auf unseren Exportmärkten eher zu Abwanderung als erhöhte Investitionen in Produktivitätssteigerungen. Ob niedriges Wachstum, fehlende Transformation, Wettbewerbsverluste oder schwache Exporte: Eine niedrige Investitionsbereitschaft bremst die Wirtschaft aus.
Einschätzung
Innovationen sind der Wachstumsmotor Deutschlands. Deshalb ist es wichtig, dass am Standort Deutschland nicht nur Ideen und Patente entstehen, sondern diese in die Wertschöpfung am Standort Deutschland einfließen. Entscheidend ist nicht nur die Anzahl der Patente, sondern in welchem Maße sie den Kapitalstock beeinflussen. Dies gilt für die Transformation hin zur Klimaneutralität ebenso wie für ein höheres Wachstumspotenzial der Wirtschaft.
Hierbei wird entscheidend sein, dass immaterielle Investitionen einen positiven Beitrag zu Sachinvestition genieren, ebenso wie zur allgemeinen BIP-Entwicklung. Für manche Forschung und Entwicklungsausgaben wie Softwareentwicklung oder neue Pharmaprodukte mag der Einfluss auf Investitionen eher überschaubar sein. Doch damit die Wertschöpfung dennoch in Deutschland stattfindet, muss die Anwendung bzw. Herstellung innovativer Produkte hier stattfinden. So mag ein neues Medikament wenig an Anlageinvestition mit sich bringen. Die Wertschöpfung für den Standort Deutschland und damit auch der Einfluss auf das BIP kann dennoch enorm sein.
Deutschland fehlt es nicht an Patenten und Innovationen. Dies gilt selbst für Bereiche wie KI, wo Deutschland einen Weltanteil an Patenten von um die 7 Prozent hat – bei einem Welt-BIP-Anteil von lediglich 3 Prozent ein respektables Ergebnis. Entscheidend ist die Anwendung am lokalen Standort – um durch höhere Wertschöpfung aber auch Produktivitätssteigerungen das Potenzialwachstum und globale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
Soll das BIP-Wachstum an Dynamik zulegen, bedarf es zwei Dinge: Ein höheres Wachstum der klassischen Sachinvestitionen und eine stärkere Anwendung von Forschung und Entwicklungsausgaben am Standort Deutschland. Beides scheint vor dem Hintergrund einer generellen Investitionsaversion für den Standort nicht stattzufinden. So investiert die Wirtschaft immer mehr in immaterielle Güter wie Forschung und Entwicklung. Deren Nutzen für das lokale BIP in Form von nachgelagerten Investitionen und Produktivitätssteigerungen ist jedoch eher mager. Der Handlungsbedarf bzgl. Veränderungen von Rahmenbedingungen und eine entscheidende Wende bei der Investitionsstimmung kann deshalb nicht überbetont werden.
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