Dr. Klaus Bauknecht, IKB Deutsche Industriebank AG

Exportnation Deutschland – der Fremdbestimmung trotzen

Die Exportnation Deutschland profitiert immer weniger vom globalen Wachstum. Wichtige Gründe hierfür sind Zollschranken, intensiver Wettbewerb aus China sowie eine schwache inländische Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb ist eine höhere Investitionsquote am Standort Deutschland von entscheidender Bedeutung – nicht nur, um das Potenzialwachstum zu steigern, sondern auch, um mehr Unabhängigkeit von globalen Entwicklungen für die Wachstumsperspektiven zu schaffen. Deutschland braucht eine Investitionsoffensive, um die lokale Wertschöpfung seiner Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zu steigern und somit der Fremdbestimmung seines Exportmodells zu trotzen. Denn die aktuelle Exportschwäche ist vor dem Hintergrund eines zunehmenden globalen Wettbewerbs vor allem auf fehlende Investitionen zurückzuführen und nicht nur auf eine schwache Auslandsnachfrage. Der Koalitionsvertrag stellt einen ersten, aber nicht ausreichenden Schritt dar, um die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Dr. Klaus Bauknecht, IKB Deutsche Industriebank AG

Das Glas ist halb voll …,

Zum Jahresbeginn war der Ausblick für die deutsche Industrie denkbar schlecht. Stagnation, Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und fehlende Investitionen haben die Deindustrialisierung vorangetrieben und eine anhaltende Schwächephase signalisiert. Doch seither ist viel passiert. Zum einen zeigt der Staat Bereitschaft, die wirtschaftliche Schwäche nicht länger hinzunehmen und plant, versäumte Investitionen – finanziert durch Sondervermögen – nachzuholen. Zum anderen setzt die neue Bundesregierung mit ihrem Koalitionsvertrag einen klaren Fokus auf ein höheres Potenzialwachstum von rund oder über 1 Prozent.  Aktuell wird es auf unter 0,5 Prozent geschätzt. Entscheidender Faktor hierfür ist eine deutlich höhere Investitionsquote, die nicht nur notwendig ist, um das Potenzialwachstum zu erhöhen, sondern auch, um einen Anstieg des Produktivitätswachstums zu gewährleisten. 

… doch fehlende Investitionen belasten die Resilienz des Standorts

In den letzten Jahren profitierte die deutsche Wirtschaft immer weniger vom globalen Wachstum. Sicherlich spielen der erhöhte Wettbewerbsdruck aus China sowie die US-Zölle eine Rolle. Grundsätzlich liegt dies jedoch an einer zu niedrigen Investitionsquote, die eine reduzierte Wettbewerbsfähigkeit und fehlende Exportkapazität in selektiven Branchen in Deutschland zur Folge hatte. Unternehmen haben auf den internationalen Wettbewerbsdruck und die globale Nachfrage verstärkt mit Abwanderung und globalen Kapazitätsausweitungen reagiert, anstatt mit lokalen Investitionen. Daher liegt es weniger an globalen Themen als an der eigenen Investitionsbereitschaft, warum die Industrieproduktion und Exporte unter Druck geraten sind. Angebotsreformen und ein spürbarer Schub an staatlichen, aber vor allem privaten Investitionen sind deshalb notwendig, um die Selbstbestimmung der Wirtschaft zurückzugewinnen. Denn die Wachstumsaussichten des Standorts hängen in erste Linie von dessen Innovations- und damit Investitionskraft ab.

Deutsche Exporte brauchen Angebotsimpulse

Deutsche Exporte werden im Wesentlichen durch die globale Nachfrage und den preislichen Wettbewerb bestimmt. Auf Basis dieser Treiber wurde das Exportmodell für Deutschland empirisch geschätzt. Die Koeffizienten zeigen jedoch eine hohe Unsicherheit bzw. Instabilität. Eine Exportprognose muss daher neben den Annahmen zur globalen Nachfrage auch eine Einschätzung über die Angebotsseite des Produktionsstandorts beinhalten. Wichtige Industriebranchen haben eine hohe Exportquote. Wenn am Standort Deutschland aufgrund fehlender Investitionen und Innovationen weniger produziert wird und der Standort an Wettbewerbsfähigkeit verliert, gehen auch die Exporte zurück.

Es wird viel über den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland geschrieben. Bürokratie, hohe Lohn- und Energiekosten sowie eine Vielzahl weiterer Herausforderungen sind bekannt. Dies zeigt sich deutlich im Verlauf der Exporte. Schließlich belasten die Zunahme der globalen Wettbewerbsintensität sowie attraktive alternative Investitionsziele den Standort und seine Investitionsdynamik zunehmend. Da Deutschlands Potenzialwachstum deutlich unter dem der Weltwirtschaft liegt, ist es ein zu erwartender Prozess, dass Unternehmen Produktionskapazitäten im Ausland aufbauen. Der lokale Standort spezialisiert sich hingegen auf die höhere Wertschöpfung. Doch gerade hierfür braucht es Investitionen. Dadurch würde nicht nur das Potenzialwachstum zunehmen, sondern auch die Produktivität, was den Lohnkostendruck abschwächen würde. Infolgedessen würde die Abhängigkeit vom globalen Wachstum reduziert, da Exporte wieder vermehrt durch die inländische Angebotsseite bestimmt und somit selbstbestimmt werden.

Innovationen allein reichen nicht aus

Der Standort muss seine internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern und die Wertschöpfung aus Forschungs- und Entwicklungsausgaben am lokalen Standort steigern. Entscheidend ist nicht nur die Anzahl der Patente, sondern die daraus folgenden Investitionen für die Wertschöpfung. Dabei spielt es auch eine Rolle, wer die Rechte an den Innovationen besitzt – der lokale Standort oder globale Unternehmen. Laut dem IW zeigt sich, dass „sich die Rechte an vielen in Deutschland entwickelten Innovationen in den Händen ausländischer Eigentümer befinden“. Dies gilt vor allem für Länder, in denen Deutschland mit hohen Direktinvestitionen engagiert ist – allen voran die USA, aber auch China. Ein hoher Fremdbesitz an lokalen Patenten/Innovation erhöht jedoch die Notwendigkeit eines attraktiven Standorts. Denn Unternehmen investieren nicht automatisch in Deutschland, nur weil Patente hier angemeldet wurden, sondern weil die Rendite auf das investierte Kapital attraktiv bzw. der Standort international wettbewerbsfähig ist.

Fehlende Investitionen bremsen Exportpotenzial aus

Eine starke Investitionsdynamik am Standort Deutschland ist absolut notwendig, um das deutsche Exportmodell und die Resilienz der Wirtschaft zu stärken. IKB-Schätzungen zeigen:

  • Selbst unter der Annahme eines schwachen globalen Wachstums und einer Aufwertung des Euro-Kurses bzw. höherer US-Zölle sind es fehlende Investitionen, die das Exportwachstum belasten.
  • IKB-Schätzungen gehen von einem notwendigen Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen von um die 8 Prozent aus, um das globale Nachfragepotenzial deutscher Exporte in diesem und dem kommenden Jahr bedienen zu können.
  • Die schwache Investitionsdynamik ist ein Grund, warum die Sensitivität der Exporte gegenüber dem globalen Wachstum abnimmt. Das bedeutet: Die Auslandsnachfrage mag hoch sein, doch fehlende Investitionen bzw. Standortverlagerungen reduzieren den Einfluss einer globalen Erholung auf den Produktions- und Exportstandort Deutschland.
  • Eine anhaltende fehlende Investitionsbereitschaft wird deshalb zu einem weiteren Rückgang der Sensitivität deutscher Exporte gegenüber globalen Nachfrageschüben führen und so das potenzielle Exportwachstum weiter dämpfen.  

Einschätzung: Es muss mehr kommen als nur Versprechen

Ein attraktiver Standort für lokales und globales Kapital ist entscheidend, um die private Investitionsquote nachhaltig zu erhöhen und die deutsche Exportdynamik zu steigern sowie unabhängiger von globalen Nachfrageschocks zu machen. Die Absichten im Koalitionsvertrag können deshalb nicht deutlich genug betont werden. Und auch wenn sie vielleicht als nicht ausreichend eingeschätzt werden, so gehen sie zumindest in die richtige Richtung – vor allem, weil sich die Regierung den kritischen Themen der Wirtschaft annimmt. Allerdings ist ebenso klar, dass eine echte Aufbruchstimmung mehr erfordert als bloße Absichtserklärungen.

Klaus Bauknecht

Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen.  Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.

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