John Malloy, Redwheel AM

Durchbrüche im Bankwesen in Schwellenländern und Grenzmärkten

Während die Banken in den Industrieländern mit sinkenden Gewinnspannen zu kämpfen haben, erobern ihre Pendants in den Schwellenländern mit minimalen Infrastrukturkosten einen völlig neuen Kundenstamm. Warum die Auswirkungen der finanziellen Eingliederung auf die Investitionen ebenso attraktiv wie unerkannt sind.

John Malloy, Redwheel AM

Finanzielle Integration, also Menschen und Unternehmen Zugang zu sicheren Einlagen, Krediten und Kapitalmärkten zu verschaffen, stellt eine überzeugende strukturelle Wachstumsgeschichte dar. Mit 1,4 Milliarden Erwachsenen weltweit, die immer noch von formalen Bankdienstleistungen ausgeschlossen sind, verfügen die Schwellenländer über eine außerordentliche Chance für wirtschaftliches Wachstum, da bargeldbasierte Volkswirtschaften zu formalen Finanzsystemen übergehen. Diese Transformation wird wahrscheinlich den Geldmultiplikatoreffekt auslösen, bei dem Einlagen in die Banken fließen und durch eine erhöhte Kreditvergabekapazität und eine effizientere Kapitalallokation das Wirtschaftswachstum ankurbeln.

Wachstumspotenzial freisetzen

Eines der Wachstumspotenziale besteht darin, die Menschen zur Teilnahme an der formellen Wirtschaft zu ermutigen. Etwa durch den Zugang zu Bankkonten, auf die sie Geld einzahlen, sowie durch Kreditkarten, mit denen sie Zahlungen für Waren und Dienstleistungen tätigen können. Im Vergleich zu den entwickelten Märkten könnten die aufstrebenden Märkte Asiens, der EMEA und Lateinamerikas ein enormes Wachstumspotenzial freisetzen, indem sie schlicht die lokale Bevölkerung davon überzeugen, ein Bankkonto zu eröffnen.

Abbildung 1: Erwachsene ohne Bankkonto nach Region (in %)

Quelle: World Bank zum 31. Dezember 2023. Die oben aufgeführten Informationen dienen lediglich zur Veranschaulichung.

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Zugang zu Finanzdienstleistungen. Je reicher die Länder werden, desto mehr der derzeit 1,4 Milliarden Erwachsenen ohne Bankverbindung, eröffnen ein Konto bei einem Finanzinstitut. Und wo das Pro-Kopf-BIP hoch ist, bieten Finanzinstitute ausgefeiltere Sparprodukte an, um die individuellen Ersparnisse in kollektive Investitionen zu lenken.

Die Fortschritte bei der finanziellen Eingliederung lassen sich zunächst anhand des Verhältnisses von Einlagen zum BIP und anschließend anhand der Einführung anderer Finanzprodukte nach der Eröffnung eines Basiskontos nachvollziehen. Die Schwellenländer zeigen durchweg, dass die Mehrheit der Menschen über ein Bankkonto verfügt. Ihre Einlagenbasis ist jedoch vergleichsweise kleiner als die der Industrieländer, und auch die Nutzung anspruchsvollerer Produkte und Dienstleistungen wie Kreditkarten und Mobile Banking ist geringer. Es wird erwartet, dass die Nachfrage der Bevölkerung nach fortschrittlicheren Finanzprodukten mit dem Wirtschaftswachstum steigt und dieses antreibt.

BIP-Wachstum treibt die Nachfrage nach Finanzdienstleistungen

Eines der Merkmale der Schwellenländer ist ein niedriges Pro-Kopf-BIP bei gleichzeitig höherer Wachstumsrate, was zu einer allmählichen Annäherung an die entwickelten Märkte führt.

Abbildung 2: BIP pro Kopf (in USD)

Quelle: HSBC, Stand: 30. April 2025. Die oben aufgeführten Informationen dienen lediglich zur Veranschaulichung.

Der weniger fortgeschrittene Entwicklungsstand bedeutet, dass in der Regel weniger Finanzdienstleistungen genutzt werden. So gibt es in den Schwellenländern beispielsweise relativ wenige Kreditkarten. Auch das Mobile Banking hat sich noch nicht durchgesetzt. Die Konvergenz mit den entwickelten Volkswirtschaften wird sich allmählich vollziehen, da Wirtschaftswachstum und Produktivität den Wohlstand und die Nachfrage nach Finanzprodukten erhöhen.

Abbildung 3: Zugang zu Finanzprodukten

Quelle: HSBC, Stand: 30. April 2025. Die oben aufgeführten Informationen dienen lediglich zur Veranschaulichung.

Es gibt nicht nur Ziegel und Mörtel

Digitale Bankoptionen erweitern den Zugang zu Finanzdienstleistungen weltweit rapide. Dieses Wachstum ist besonders bemerkenswert in Regionen wie Afrika südlich der Sahara, wo mobiles Geld das Bankwesen verändert. Mit dem wachsenden Angebot digitaler Lösungen steigen auch die nicht-traditionellen Zugangsmöglichkeiten, was den Zugang zum Bankgeschäft weiter erleichtern dürfte. In den Schwellenländern wird das traditionelle Filialgeschäft zugunsten des elektronischen und mobilen Bankgeschäfts aufgegeben.

Finanzinstitute haben ihren Kundenstamm traditionell durch ihre physische Präsenz in Städten und Gemeinden aufgebaut. Der moderne Zugang zu Finanzdienstleistungen wächst durch die Möglichkeit, Transaktionen einfach online und über mobile Geräte durchzuführen. Beim Zugang zum Internet oder zur mobilen Telefonie gibt es praktisch keine Unterschiede zwischen Industrie- und Schwellenländern.

Abbildung 4: Internetverfügbarkeit und drahtloser Zugang

Quelle: HSBC zum 30. April 2025. Die oben aufgeführten Informationen dienen lediglich zur Veranschaulichung.

Kreditdurchdringung zeigt Raum für Wachstum

Die Schwellenländer sind von Finanzkrisen gezeichnet worden, darunter die Tequila-Krise von 1994, die Asienkrise von 1997 und die globale Finanzkrise von 2008. Obwohl diese Krisen verheerend waren, schufen sie einen Hang zum Sparen und eine relativ vorsichtige Haltung gegenüber der Aufnahme von Schulden. Die Haushaltsverschuldung im Verhältnis zum BIP ist insbesondere in der EMEA-Region und Lateinamerika sehr niedrig, was ein gutes langfristiges Wachstumspotenzial für die Nachfrage nach Konsumentenkrediten, Kreditkarten, Hypotheken und schließlich Spar- und Versicherungsprodukten bietet.

Abbildung 5: Verschuldung der privaten Haushalte / BIP (in %)

Quelle: HSBC, Stand: 30. April 2025. Die oben aufgeführten Informationen dienen lediglich zur Veranschaulichung.

Niedrigere Zinssätze werden weiteres Wachstum und höhere Bewertungen begünstigen

Finanzwerte haben sich in den letzten 1, 3 und 5 Jahren besser entwickelt als der MSCI Emerging Markets Index.

Die nächste Phase des Wachstums und der Performance dürfte durch niedrigere Zinsen ausgelöst werden. Fed Funds Futures deuten darauf hin, dass die US-Notenbank in der zweiten Jahreshälfte 2025 die Fed Funds Rate wieder senken dürfte, was es den Zentralbanken der Schwellenländer ermöglichen würde, ihre eigenen Zinssätze ebenfalls zu senken. Dies dürfte die weitere Kreditdurchdringung fördern und dazu beitragen, den Wert der Finanzdienstleistungen in den Schwellenländern zu verbessern; die niedrige Marktkapitalisierung zeigt die Unreife im Vergleich zu Europa und den USA an.

Abbildung 6: Marktkapitalisierung des Finanzsektors in % des BIP

Quelle: Quelle: HSBC, Stand: 30. April 2025. Die oben aufgeführten Informationen dienen lediglich zur Veranschaulichung.

Niedrigere Zinssätze dürften auch eine Ausweitung der Bewertungen ermöglichen. Obwohl sie früher nahe der Parität bewertet wurden, werden die Finanzinstitute der Schwellenländer in letzter Zeit tendenziell mit einem Abschlag gegenüber dem MSCI Emerging Market Index gehandelt, was ihnen die Eigenschaften von GARP-Titeln (Growth at a Reasonable Price) verleiht.

Abbildung 7: Kurs-Gewinn-Verhältnis

Quelle: Bloomberg, Stand: 30. April 2025. Die oben aufgeführten Informationen dienen lediglich zur Veranschaulichung. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.

John Malloy

John Malloy ist Co-Head of Emerging & Frontier Markets beim britischen Asset Manager Redwheel. Redwheel wurde im Jahr 2000 mit dem Ziel gegründet, ein Umfeld zu schaffen, in dem außergewöhnliche Fondsmanager mit einem hohen Maß an Investitionsautonomie arbeiten und die Vorteile ihrer Fähigkeiten langfristig maximieren können. Die sieben Anlageteams sind auf die Bereiche nachhaltiges und thematisches Aktieninvestment, aktives Engagement, Schwellenländer, Value & Income sowie Wandelanleihen spezialisiert. Im Rahmen dieser Strategien werden insgesamt 17,6 Milliarden US-Dollar (Stand: 31.08.2024) im Auftrag von Kunden verwaltet, zu denen einige der weltweit führenden Institutionen und Berater gehören. Redwheel beschäftigt mehr als 170 Mitarbeiter, darunter 59 engagierte Anlageexperten und hat Niederlassungen in London, Kopenhagen, Miami und Singapur. Redwheel ist die operative Marke von RWC Partners, der neue Markenname gilt seit Januar 2022.