Matt Mena, 21Shares

Bitcoin überschreitet 94.000 US-Dollar

Institutionelles Interesse, geopolitische Entkopplung und strukturelle Treiber befeuern die Rally bei Bitcoin. Das hat makroökonomische Gründe und gleichzeitig belastet der schwache US-Dollar traditionelle Anlageklassen.

Der jüngste Anstieg von Bitcoin über die Marke von 94.000 US-Dollar wird von einer seltenen Kombination makroökonomischer und struktureller Faktoren getrieben. Auf der makroökonomischen Seite haben Trumps diplomatischere Töne gegenüber China sowie die bestätigte Fortsetzung von Jerome Powell an der Spitze der US-Notenbank zur Beruhigung der Märkte beigetragen. Gleichzeitig belastet ein schwächerer US-Dollar traditionelle Anlageklassen, wodurch risikobehaftete Assets profitieren – allen voran Bitcoin, das zunehmend eine Sonderrolle in den Portfolios institutioneller Anleger einnimmt. 

Entkopplung vom Aktienmarkt

Besonders auffällig ist dabei die wachsende Entkopplung vom Aktienmarkt: Die siebentägige Korrelation von Bitcoin zum S&P 500 und Nasdaq ist ins Negative gedreht – ein klares Signal dafür, dass Anleger BTC nicht mehr primär als Technologie-Proxie oder reines Risikoasset sehen, sondern verstärkt als Absicherung gegen systemische und geopolitische Risiken. Bitcoin entwickelt sich zunehmend zu einem hybriden Makro-Asset – teils digitales Gold, teils Wachstumswert – mit einer Gewichtung, die von Analysten derzeit auf etwa 80 Prozent Gold und 20 Prozent Tech geschätzt wird. 

Diese Neupositionierung spiegelt sich auch in den Kapitalflüssen wider: Bitcoin- und Ethereum-ETFs verzeichneten zuletzt die höchsten Zuflüsse seit Monaten – allein am gestrigen Tag flossen 912 Mio. US-Dollar in BTC-ETFs, nach fast 400 Mio. Dollar am Montag. Die gesamten wöchentlichen Nettozuflüsse übersteigen damit bereits 1,3 Mrd. US-Dollar. Parallel wurden über 500 Mio. Dollar an Short-Positionen liquidiert – ein deutliches Zeichen dafür, wie stark der Markt auf dem falschen Fuß erwischt wurde. 

Strukturelle Dynamik

Auch auf struktureller Ebene beschleunigt sich die Dynamik: Laut Medienberichten arbeitet Trump Media gemeinsam mit Crypto.com an einem eigenen Krypto-ETF. Gleichzeitig schließen sich Cantor Fitzgerald, Softbank und Tether zusammen, um ein 3-Milliarden-Dollar schweres Bitcoin-Investmentvehikel zu lancieren. Symbolisch: Bitcoin hat gerade Alphabet (Google) überholt und ist nun das fünftgrößte Anlagegut weltweit. 

Noch entscheidender ist aber die Gesamtentwicklung des Kryptomarktes: Die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen hat kürzlich die psychologisch wichtige Schwelle von 3 Billionen US-Dollar überschritten – das ist exakt das Hoch aus dem Bullenmarkt-Zyklus von 2020 bis 2021. Die Rückeroberung dieses Niveaus untermauert den wachsenden Konsens, dass der Kryptomarkt vor einem neuen Abschnitt institutioneller Akzeptanz und makroökonomischer Relevanz steht. 

Auch die geldpolitischen Rahmenbedingungen spielen Bitcoin in die Karten: Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe nähert sich wieder der 4-Prozent-Marke. Im Fokus stehen die US-Arbeitsmarktdaten, mittelfristig die Inflationszahlen im Mai – alles entscheidende Variablen für die nächste Zinsentscheidung der Fed. Derzeit preist der Markt eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine erste Zinssenkung im Juni ein, mit insgesamt drei bis vier erwarteten Zinsschritten bis Jahresende (Wahrscheinlichkeit: rund 65 Prozent). 

Kurs bei 200.000 US-Dollar?

In diesem Umfeld wäre ein geldpolitisch getriebener Liquiditätsimpuls ein massiver Rückenwind für risikobehaftete Assets – allen voran Bitcoin. Bemerkenswert ist auch, wie eng sich die Kursentwicklung derzeit an das globale M2-Geldmengenwachstum anlehnt. Historisch folgt BTC diesem Indikator mit etwa zwölf Wochen Verzögerung. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, wäre ein Bitcoin-Kurs von bis zu 200.000 US-Dollar bis Jahresende nicht ausgeschlossen. 

Diese Rally ist kein Produkt spekulativer Kleinanleger – sie wird getragen von strategischem Kapital, das sich auf eine neue Phase geld- und geopolitischer Umbrüche vorbereitet. Kurzfristig liegt der nächste Widerstand bei rund 95.000 US-Dollar – ein mögliches Zwischenhoch. Mittel- bis langfristig bleibt die Marke von 100.000 US-Dollar der zentrale psychologische Zielwert. 

Bitcoin wird zunehmend als digitaler Wertspeicher einer neuen Ära wahrgenommen – nicht nur als spekulative Beimischung, sondern als makroökonomischer Hedge in einem sich wandelnden globalen Finanzsystem. 

Matt Mena

Matt Mena ist Research Strategist bei 21Shares. 21Shares ist einer der weltweit ersten und größten Emittenten von börsengehandelten Kryptoprodukten. Im Jahr 2018 brachte 21Shares das weltweit erste physisch besicherte Krypto-ETP auf den Markt. 21Shares ist eine Firmentochter von 21.co, einem weltweit führenden Unternehmen im Bereich dezentraler Finanzen.