Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Der April, weiß nicht was er will, heißt es, zumindest bezogen auf das Wetter. Bei der Börse scheint dies derzeit auch der Fall zu sein, diese Woche ging es bei erhöhter Volatilität überwiegend abwärts, die Anleger zeigten sich nervös vor der EZB-Sitzung. Bei der kam erst einmal nichts Konkretes heraus, vielmehr vertagte die Zentralbank den Entscheid, was jedoch die Hoffnung auf eine Zinssenkung im Sommer weiter nährt: „Alles angerichtet für EZB-Zinswende im Juni“, schreibt die Börsen-Zeitung, das „nähren“ etwas wörtlich nehmend. Das Handelsblatt ist sich über den Termin ganz sicher: „EZB lässt kaum Zweifel an Zinssenkung im Juni“. Die Welt gibt sich zurückhaltender: „Ein bisschen dauert es noch“. Sie zeigt dazu passend ein Bild mit Christine Lagarde, die zwischen Daumen und Zeigefinger nur sehr wenig Platz lässt. Dieses Szenario scheint ungeahnte Kursphantasien auszulösen, denn die Börsen-Zeitung jubiliert: „Dax 20.000 oder gar 30.000“?
 
Was sonst noch los war? Wenig (erfreuliches): „Standort Deutschland immer unattraktiver“, titelt die Börsen-Zeitung mit Blick auf die Attraktivität für Investitionen aus dem Ausland. Maximale Bürokratie bei minimaler Digitalisierung zählen zu den K.O.-Faktoren. In den USA wird alles immer teurer, was ebenfalls zur Missstimmung der Investoren beiträgt: „Anziehende Inflation stellt US-Zinswende in Frage“, warnt die Börsen-Zeitung. Eine Verlustmeldung der anderen Art meldet Die Welt: „22-Tonnen-Rotorblatt verloren“. Es war aber keine Boeing-Propellermaschine, sondern ein Windrad in Norwegen, das ein 72-Meter-Blatt „verlor“. Keine Sorge, es wurde prompt gefunden, wenn auch am falschen Platz.

Hauptsache investieren

Was melden die Finanzmagazine zum Stimmungswechsel an den Börsen? Nun, sie antworten mit Edelmetall (Der Aktionär), ETFs (Focus Money) und Aktien (Börse Online). Die Mai-Ausgabe von EURO präsentiert gleich einen ganzen Einkaufszettel, auf dem vor allem Fonds, Dividendentitel und Zertifikate stehen – womit wir alle Gattungen durch hätten. Soll heißen: Hauptsache anlegen! Da haben wir wenig dagegen. „Die besten ETF-Strategien“ bietet also Focus Money und malt mit Kreide auf eine schwarze Tafel ein (halbes) Fußballfeld mit etwa einem „Rendite-Kick“. Deutschland ist zwar nicht das Land der Digitalisierung (siehe oben), wir hoffen aber, dass Herr Nagelsmann und Kollegen eher zum iPad als zur Schiefertafel greifen – wobei angesichts mancher Spielverläufe die Tafel vielleicht doch verständlicher für die Spieler gewesen wäre. Der Aktionär freut sich über einen „Silberrausch“ mit „Hochglanz im Depot“, dabei kamen über Ostern zwar Karl-May-Filme im Öffentlich-Rechtlichen, aber Der Schatz im Silbersee war nicht dabei. Börse Online fragt: „Welche Aktien steigen in den kommenden 12 Monaten am meisten“, geht also immerhin davon aus, dass mehr oder weniger alle steigen werden. Und Börse Online gibt gleich die Antwort mit „12 Favoriten und 10 Geheim-Favoriten“. Wir gehen anhand der Leserschaft des Magazins einmal davon aus, dass letztere nicht mehr lange geheim bleiben.

Fachwissen I

Das mit den Fachidioten ist ja so eine Frage, was bleibt ohne „Fach“ noch übrig? Die internationale Managementberatung Horváth hat jetzt die fachliche Kompetenz der Bundesregierung abgeklopft auf Basis der Lebensläufe von immerhin 88 Ministern und Staatssekretären. Was angesichts von 16 Ministerien auch ohne Mathestudium immerhin 4,5 Staatssekretäre pro Ministerium ergibt. Horváth kommt zu dem Schluss: „Den Bundesministerien fehlt Fach- und Praxiswissen“, so auch die Headline in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Untersuchung. An der Spitze liegen Politikwissenschaftler, wobei hier zu fragen wäre, ob dieses Studium nicht das Fachwissen für die Karriere eines Politikers bedeutet? An zweiter Stelle stehen Juristen, angesichts der vielen für Laien undurchschaubaren Gesetzesvorlagen nicht weiter verwunderlich. Wirtschaftswissenschaftler folgen mit einigem Abstand auf Rang drei, Verwaltungswissenschaftler mit deutlichem Abstand auf Platz vier. Auch bedenkenswert: Nicht einmal die Hälfte der Spitzenpolitiker haben einmal die freie Wirtschaft von innen gesehen. Ob freiwillig oder ob sie gar nicht genommen wurden, lassen wir einmal dahingestellt. So bewegen sich laut Managementberatung Unternehmen und Regierung in „zwei Welten mit immer weniger Berührungspunkten“. Auch vielen Wählern dürften diese Berührungspunkte mehr und mehr abhandenkommen, steht zu befürchten.

Fachwissen II

Man könnte mit einer weiteren Headline aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nahtlos an dieses (fehlende) Fachwissen seitens der Politik anknüpfen, denn MINT-Ausbildungen laufen bei den Ministerien ebenfalls unter ferner liefen: „Physik richtet sich nicht nach der Politik“. Es geht in dem Artikel um die einer breiten Öffentlichkeit reichlich unbekannte Regensburger Maschinenfabrik Rheinhausen GmbH, leider nicht börsennotiert, die Lastenstufenschalter für das Stromnetz entwickelt. Sie kommen überall dort zum Einsatz, wo Strom unterschiedlicher Spannung ohne Unterbrechung fließen soll, egal wie die Energie erzeugt worden ist. Es braucht gerne einmal fünf Jahre, bis eine von Rheinhausen entwickelte Innovation tatsächlich umgesetzt wird – die Energiebranche ist ein schwieriges und politikgetriebenes Geschäft. Sieht der Geschäftsführer Gefahr, dass die Eingriffe der Politik deindustrialisierend wirken? Er sagt es diplomatisch: Er glaube an den Standort Deutschland, investiere aber auch global.

Ei

Selbst im Finanzenteil einer Zeitung lernen auch wir noch hinzu, zumindest wenn er so weit gespannt ist wie in der tz. Sie warnt uns: „Finale für braune Eier“. Was jedoch für den BVB oder den FC Bayern eine positive Nachricht wäre – ins Finale zu kommen – bedeutet für die braunen Eier das Aus. Denn die Züchter stellen um, braune Eier sind weniger gefragt, dabei fanden wir persönlich sie irgendwie ökologischer als die künstlich wirkenden weißen. Was Unsinn ist, weil bekanntlich braune Hühner braune Eier und weiße weiße legen. Damit sind aber wohl braune Hühner vom Aussterben bedroht. Weiße Hühner sind aber robuster, leben länger, legen problemloser (kleinere) Eier und finden ihr Futter besser, steht so in dem Artikel. Sie scheinen also irgendwie intelligenter zu sein als braune Hühner, die offensichtlich desorientiert an den Futtertrögen vorbeistolpern. Nicht klar ist hingegen, ob diese Intelligenz auf die Eier und ihre Esser abfärbt. Apropos abfärben: Wir fragten uns schon immer, warum nicht farbige Hühner gezüchtet werden, dann könnte man sich (oder dem Osterhasen) an Ostern viel Arbeit ersparen und die Eier freilaufender Hühner würden besser gefunden.